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Sie konnte nicht besonders viel sehen, und das lag vermutlich an dem seltsamen Licht, das sehr blass und bräunlich gefärbt war. Es war warm. Von irgendwoher drangen Geräusche an ihr Ohr, die sie nicht einordnen konnte, die aber auch nichts Bedrohliches hatten. Zumindest war die Schlacht vorbei.

Robin drehte den Kopf nach rechts und erkannte endlich, wo sie sich befand. Die seltsame Farbe des Lichts rührte von der groben braunen Zeltplane her, durch die es gefiltert wurde. Es war ein längliches Zelt, das fast vollständig leer war. Sie selbst lag auf einem weichen Wollteppich und war mit einer grob gewebten Decke zugedeckt. Der grobe Stoff der Decke kratzte sie am Rücken und an den nackten Beinen. Sie musste nicht erst mit ihren Händen über ihren Leib tasten, um zu wissen, dass sie völlig nackt war. Sie spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen schoss. Jemand hatte ihr das Templergewand ausgezogen und sie dann in diese Decke gewickelt. War das ein Grund zur Besorgnis?

Sie hoffte, dass es das nicht war. Und doch blieb ein ungutes Gefühl zurück. Jemand hatte sie nackt gesehen. Das konnte sie das Leben kosten. Doch hätten die Templer sie aus dem Wasser gefischt, dann befände sie sich jetzt vermutlich wieder auf einem Schiff. Und wären es die Sarazenen gewesen, wäre sie jetzt wahrscheinlich tot, zumindest aber gefesselt und gut bewacht. Wer aber hatte sie dann aus dem Meer gezogen?

Robin dachte eine Weile angestrengt über diese Frage nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Und sie würde sie sicher auch nicht lösen, wenn sie weiter hier herumlag und die Zeltplane über ihrem Kopf anstarrte.

Mit einer entschlossenen Bewegung schlug sie die Decke zurück, erhob sich auf die Knie und bekam prompt einen heftigen Schwindelanfall. Intuitiv spürte sie, dass sie sehr lange hier gelegen hatte, und dennoch war ihr Körper noch vollkommen geschwächt. Womöglich würde es weitere Tage dauern, bis sie sich auch nur halbwegs erholt hatte.

Robin wartete, bis die Dunkelheit hinter ihrer Stirn aufhörte, sich wie wild im Kreis zu drehen, dann öffnete sie erneut die Augen und erhob sich vorsichtig. Beunruhigt unterzog sie ihren Körper einer eingehenden Untersuchung, so weit das bei dem schwachen Licht hier drinnen möglich war. Sie hatte jede Menge Schrammen und Kratzer, schien jedoch nicht ernsthaft verletzt zu sein. So wie es aussah, hatte man ihr hier Ruhe gönnen wollen, bis sie von selbst wieder zu sich kam. Jetzt war sie nahezu sicher, nicht in die Hände ihrer Feinde gefallen zu sein.

Bei der Erinnerung an die letzten Minuten auf der sinkenden Sankt Christophorus verdüsterte sich Robins Gesicht. Sie sorgte sich um Salim, und sie machte sich schwere Vorwürfe dafür, ihn mit ihrer kindischen Forderung so unnötig in Gefahr gebracht zu haben. Außerdem saß das Wissen um ihr eigenes Versagen während des Kampfes mit dem Sarazenen wie ein schmerzender Stachel in ihrer Seele.

Sie verscheuchte die unguten Gedanken, hob die Decke auf und wickelte sich hinein, bevor sie zum Ausgang ging. Sie war nicht gefesselt, es gab keine Wächter, und ihr Gefängnis bestand nur aus einer dünnen Zeltplane, also würde vermutlich auch niemand etwas dagegen haben, dass sie es verließ. Sie musste einfach wissen, wo sie war und wer die Menschen waren, deren Stimmen sie undeutlich und gedämpft bis ins Zeltinnere hören konnte. Robin zögerte noch einen kurzen Moment, ehe sie mit einer entschlossenen Geste die Zeltplane zurückschlug und hinaustrat.

Ihre Augen waren so sehr an das blasse Dämmerlicht im Inneren des Zeltes gewöhnt, dass sie im ersten Moment praktisch gar nichts sah. Sie blinzelte, hob die linke Hand vor das Gesicht und wartete ungeduldig darauf, dass sich ihre Augen ans gleißende Sonnenlicht gewöhnten.

Die Stimmen in ihrer Umgebung veränderten sich, verstummten für einen Moment und klangen dann aufgeregter; man hatte also bemerkt, dass sie aufgestanden und ins Freie getreten war.

Die Schatten gerannen zu Umrissen, leicht verschwommen zunächst, doch dann nahmen sie an Schärfe zu. Das Zelt, in dem sie erwacht war, lag hinter einem Haus aus verwitterten Steinen. Daneben stand ein fremdartiger Baum mit weit ausgreifenden Ästen.

Erst jetzt drang das leise Rauschen des Meeres in Robins Bewusstsein. Noch immer blinzelnd drehte sie sich um. Sie war in einem kleinen Dorf. Zwei Dutzend Häuser und ein paar Zelte, das war alles. Undeutlich erkannte sie längliche Schatten... Menschen! Es mussten zwanzig oder mehr sein. Noch immer verschwammen die Bilder vor Robins Augen, und dennoch spürte sie, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie konzentrierte. Eine der immer noch nebelhaft wirkenden Gestalten löste sich von der Gruppe und kam mit schnellen und seltsam aufgeregt wirkenden Schritten auf sie zu. Es schien allerdings keine freudige Erregung zu sein.

Robin versuchte die Tränen wegzublinzeln, die ihr das grelle Sonnenlicht in die Augen getrieben hatte. Vom tagelangen Schlafen waren ihre Lider ganz verklebt. Sie hob die linke Hand, um sich über die Augen zu wischen, und bemerkte erst im letzten Moment, dass sie Gefahr lief, die Decke fallen zu lassen, in die sie sich gewickelt hatte. Sie fing sie auf, aber der grobe Stoff rutschte von ihren Schultern und aus den aufgeregten wurden eindeutig erschrockene, wenn nicht entsetzte Rufe.

Als die Gestalt, die sich ihr näherte, mit den Armen fuchtelte, wich Robin wieder ins Innere des Zeltes zurück und hielt die Decke vor ihrer Brust mit beiden Händen fest. Dennoch wurde sie von einer groben Hand an der Schulter ergriffen und derb noch weiter ins Zelt zurückgestoßen, dass sie um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte.

Nachdem sich ihre Augen gerade halbwegs an die Helligkeit draußen gewöhnt hatten, sah sie hier drinnen wieder nichts als Schatten. Immerhin erkannte sie, dass sie einem bärtigen Mann schwer zu bestimmenden, aber fortgeschrittenen Alters gegenüberstand. Er fuchtelte noch immer aufgeregt mit beiden Armen herum und überschüttete sie mit einem Schwall unverständlicher Worte.

Robin wich vorsichtshalber noch einen weiteren Schritt vor dem Fremden zurück. Ihr Herz begann zu klopfen. Sie hatte nicht wirklich Angst, aber abgesehen von Salim und den Sarazenen auf dem Schiff hatte sie noch nie einen Muselmanen gesehen, und nur sehr wenig von dem, was sie über dieses Volk gehört hatte, war angenehmer Natur gewesen.

Der Fremde musterte sie wutschnaubend. Eine dicke Zornesader lief längs über seine zerfurchte Stirn. Robin hatte im Verlauf des vergangenen Jahres zwar einige Brocken Arabisch von Salim gelernt, aber sie verstand kein Wort von dem, was der Fremde hervorsprudelte. Schließlich deutete sie übertrieben gestikulierend auf ihr Ohr, machte ein fragendes Gesicht und legte den Kopf auf die Seite.

Der Redeschwall des Arabers wurde noch lauter und sein Ton zorniger. Er gestikulierte immer wieder in ihre Richtung und seine Worte klangen wie grobe Beleidigungen. Robin blickte ihn vollkommen verständnislos an und hätte das vermutlich auch noch eine geraume Weile getan, wäre in diesem Moment nicht eine zweite Gestalt hereingekommen. Es war eine Frau, die ein langärmliges, dunkles Kleid trug. Robin konnte nur ihre Augen erkennen, denn der Rest ihres Gesichts war verschleiert, aber es waren sehr freundliche Augen, die sie mit fast mütterlicher Sorge ansahen. Ihre Bewegung war von fließender Anmut. Sie war ohne Zweifel erheblich jünger als der Bärtige. Ohne viel Federlesens schob sie den Mann aus dem Weg, trat auf Robin zu und zog die Decke, in die sie sich gewickelt hatte, bis weit über ihre Schultern hoch.

Und endlich begriff Robin. Sie hatte sich nichts bei ihrem Aufzug gedacht, schließlich war sie fast vollständig in die Decke gewickelt. Nur ihre Schultern und ihr Hals waren zu erkennen, aber schon die Zurschaustellung von so wenig nackter Haut schien den Mann in helle Aufregung zu versetzen. Er wirkte auch jetzt, da Robin wieder züchtig bedeckt war, nicht wirklich zufrieden, sondern starrte sie weiter finster an. Doch zumindest hatte er aufgehört, wie besessen mit den Händen in der Luft herumzufuchteln und zornig auf sie einzureden.