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»Es... es tut mir Leid«, sagte Robin zögernd. »Ich wollte niemanden beleidigen.« Natürlich war ihr klar, dass weder der Mann noch die Frau sie verstehen konnten, doch hoffte sie, dass sie zumindest ihren versöhnlichen Tonfall und das dazugehörige Lächeln verstanden. Der Mann antwortete in finsterem Tonfall, aber die verschleierte Frau kam Robin abermals zu Hilfe. Sie stellte sich schützend zwischen sie und ihn, antwortete mit leisem, aber sehr bestimmtem Tonfall und gestikulierte schließlich zum Ausgang hin.

Es folgte ein kurzes Streitgespräch, das die Frau offensichtlich für sich entschied, denn nach nur wenigen Augenblicken drehte sich der Bärtige herum und verließ das Zelt. Robin atmete innerlich auf. Obwohl sie zu spüren glaubte, dass ihr von diesen Menschen keine unmittelbare Gefahr drohte, hatte ihr der kleine Zwischenfall gerade gezeigt, wie leicht es war, einen Fehler zu begehen, der möglicherweise gefährliche Folgen haben konnte.

»Danke«, sagte Robin. »Ich weiß, dass du mich nicht verstehst, aber ich möchte dir trotzdem danken.«

Es war schwer, in dem fast vollkommen verschleierten Gesicht irgendeine Regung zu erkennen, aber der Blick der dunklen Augen wurde deutlich wärmer. Die Fremde betrachtete sie wortlos und mit einer Mischung aus Zuneigung und freundlicher Neugier, und Robin wurde es für einen Moment warm ums Herz. Sie wusste nichts über diese Frau, nicht einmal ihren Namen, doch nach den zurückliegenden Schrecknissen war es ein wundervolles Gefühl, sich einem Menschen gegenüber zu wissen, der es einfach nur gut mit ihr meinte.

Das Gefühl verging so rasch, wie es gekommen war, und zurück blieb eine noch größere Leere und ein vager Schmerz, der irgendwo am Rand ihres Bewusstseins bohrte, wie ein pochender Zahn, der einen nicht wirklich quälte, aber auch nicht in Vergessenheit geriet. Obwohl sie mit aller Macht dagegen ankämpfte, begannen ihre Hände zu zittern, und ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen. Es gelang ihr zwar, sie zurückzuhalten, und dennoch entging ihr Zustand der verschleierten Frau nicht. Sie lächelte, hob die Hand und strich Robin kurz mit den Fingerspitzen über die Wange, ehe sie sich herumdrehte und mit schnellen Schritten das Zelt verließ.

Instinktiv machte Robin eine Bewegung, um sie zurückzuhalten, doch dann verharrte sie mitten im Schritt. Nach dem, was sie gerade erlebt hatte, erschien es ihr wenig ratsam, das Zelt noch einmal zu verlassen; nicht, bevor sie nicht wusste, wo sie überhaupt war und wer diese Menschen waren und welche Absichten sie verfolgten. Und selbst wenn sie niemand daran hindern sollte, dieses Zelt und sogar das Dorf zu verlassen: Wohin hätte sie schon gehen können, vollkommen allein, in einem Land, dessen Menschen sie nicht kannte, dessen Sprache sie nicht verstand, und dann noch obendrein mit nichts am Leib als einer einfachen Decke?

Robin seufzte tief und starrte trübsinnig die geschlossene Plane vor dem Eingang an. Schließlich ließ sie sich im Schneidersitz an derselben Stelle nieder, wo sie vorhin erwacht war. So, wie die Dinge lagen, blieb ihr im Moment nichts anderes übrig, als zu warten. Worauf und wie lange auch immer.

Sie musste sich nicht lange gedulden, auch wenn es ihr, während sie auf die Rückkehr ihrer Wohltäterin wartete, so vorkam, als wäre die Zeit stehen geblieben. In Wahrheit verging jedoch weit weniger als eine Viertelstunde, bis die Plane vor dem Eingang wieder zurückgeschlagen wurde und die verschleierte Frau erneut eintrat.

Sie war nicht allein und sie kam nicht mit leeren Händen. Hinter ihr trat eine zweite, auf die gleiche Weise gekleidete und ebenfalls verschleierte Frau herein und hinter dieser ein Mädchen von vielleicht sieben, allerhöchstens acht Jahren, das nur ein zerschlissenes dünnes Hemdchen trug und sehr mager war. Es hatte schulterlanges ebenholzschwarzes Haar und Augen, die Robin mit großer Neugier und ohne die geringste Scheu musterten. Das Mädchen trug ein Kleidungsstück über den Armen, das an die Kleider der beiden Frauen erinnerte, während diese Schalen mit frischem Wasser, Brot und gebratenem Fisch hereinbrachten. Schon der bloße Anblick der Speisen ließ Robin das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ihr Magen knurrte hörbar und gemahnte sie daran, dass sie seit mindestens einem Tag nichts mehr gegessen hatte, wenn nicht länger. Als sie nach einem Stück Brot greifen wollte, schüttelte ihre Wohltäterin jedoch den Kopf und schlug ihr spielerisch auf die Finger. Mit der anderen Hand deutete sie zu Boden und gestikulierte auffordernd, sich zu setzen. Robin gehorchte. Sie war sehr hungrig, aber wenn sie das Vertrauen dieser Menschen gewinnen wollte, dann musste sie sich in Geduld fassen.

Die beiden Frauen luden ihre Last ab und setzten sich ihr gegenüber, während das Mädchen wieder zum Ausgang ging und sorgfältig die Plane verschloss, bevor es sich ebenfalls zu ihnen setzte. Die hölzerne Schale mit Brot und Fisch wurde ein Stück zur Seite geschoben. Robins Blicke folgten ihr sehnsüchtig, doch verzichtete sie auf eine entsprechende Bemerkung, sondern straffte nur die Schultern und sah die beiden Frauen abwechselnd erwartungsvoll an.

Einen Moment lang hielten sie ihrem Blick stand; dann hob die jüngere der beiden Frauen - die zuvor schon in Begleitung des Mannes hereingekommen war - die Hände und löste den Schleier, den sie vor dem Gesicht trug. Darunter kam eine Frau zum Vorschein, die noch deutlich jünger war, als Robin angenommen hatte, und dem dunkeläugigen Mädchen so ähnelte, dass sie einfach nur Mutter und Tochter sein konnten. Auch ihre Begleiterin legte den Schleier ab und offenbarte sich damit als Vertreterin der älteren Generation derselben Familie. Robin nahm an, dass der Mann, der sie vorhin so aufgeregt hier hereingeschubst hatte, ihr Ehemann war und somit Vater und Großvater der jüngeren Frau und des Mädchens.

Sie sah die beiden Frauen eine Weile unschlüssig an - sie schienen irgendetwas von ihr zu erwarten, aber sie wusste nicht, was. Schließlich legte sie die flache Hand auf die Brust und sagte laut und betont: »Robin.«

Die junge Frau legte den Kopf auf die Seite und lächelte scheu. Robin wiederholte ihre Geste, sagte noch einmaclass="underline" »Robin«, und machte dann eine fragende Handbewegung auf ihr Gegenüber. Es vergingen einige Herzschläge, dann nickte die junge Frau, ahmte Robins Bewegung nach und sagte: »Saila.«

Robin mühte sich, den fremdartigen Namen so gut wie möglich zu wiederholen, und wurde mit heftigem Nicken und einem erfreuten Gesichtsausdruck belohnt. Dann stellte Saila das Mädchen als Nemeth vor. Der Name der alten Frau jedoch war so kompliziert, dass Robin ihn nicht verstand, geschweige denn ihn wiederholen konnte. Sie fragte nicht nach, sondern beschloss, sie in Gedanken Großmutter zu nennen. Für die kurze Zeit, die sie ohnehin nur bei diesen Menschen bleiben würde, reichte das sicherlich.

Indem sie sich vorgestellt hatten, schien der Bann gebrochen zu sein. Sowohl die beiden Frauen als auch Nemeth begannen aufgeregt - und natürlich alle zugleich - auf sie einzureden und zu gestikulieren, bis Robin schließlich lachend die Hände hob und den Kopf schüttelte. Saila und die alte Frau verstummten, nur Nemeth plapperte fröhlich weiter, bis ihre Mutter sie mit einem scharfen Befehl ebenfalls zum Schweigen brachte.

Saila griff nach der Decke, die Robin sich um die Schultern geschlungen hatte, und zupfte daran. Nach dem, was gerade geschehen war, hielt Robin die Decke fast erschrocken und mit beiden Händen fest. Darauf lächelte Saila beruhigend und deutete mit der Hand zu der Plane vor dem sicher verschlossenen Zelteingang. Als Saila erneut nach der Decke griff, ließ Robin es zu, dass die junge Frau sie entblößte. Während der grobe Stoff bis zu ihren Hüften hinabglitt, legte die Templerin schützend ihre Arme vor die Brust, aber nur für einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie Saila mit dieser Geste aus irgendeinem Grund zu verletzen schien. Vielleicht war Nacktheit bei diesen Menschen etwas ganz Selbstverständliches, sobald sie unter sich waren; möglicherweise sogar so etwas wie ein Vertrauensbeweis. Saila und die beiden anderen jedenfalls musterten sie eingehend und ohne jede Scheu.