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»Was soll dieser Mummenschanz, Weib?«, fragte er. »Wer hat dir erlaubt, in Männerkleidern herumzulaufen und eine Waffe zu tragen? Will sich dein Herr einen Scherz mit uns machen oder uns auf die Probe stellen?«

Und endlich begriff Robin. Eine - noch dazu bewaffnete - Frau in Männerkleidern, die ohne Schleier und nach Dunkelwerden auf die Straße ging, das war in der Welt dieser Menschen eine solche Unmöglichkeit, dass sie auch dann nicht die richtigen Schlüsse zu ziehen bereit waren, wenn sie mit eigenen Augen eine Kriegerin vor sich stehen sahen.

In der Gasse hinter Nemeth und ihr wurden wieder aufgeregte und zornige Rufe laut, dazu gesellten sich hastig trappelnde Schritte sowie das unverkennbare Klirren von Waffen. Ihre Frist lief ab.

»Ich habe dich gewarnt«, sagte sie.

Ihr Angriff erfolgte weder überraschend noch sonderlich schnell. Ganz im Gegenteiclass="underline" Sie schlug fast gemächlich zu, um ihrem Gegenüber jede nur erdenkliche Chance zu geben, dem Hieb auszuweichen. Aber der Mann stand einfach da, starrte sie blöde an und schien selbst dann noch nicht wirklich zu begreifen, was sie tat, als Robins Schwert ihn mit der flachen Seite gegen den Schädel traf und zu Boden schleuderte.

Die beiden übrig gebliebenen Männer wichen hastig zur Seite. Hinter ihr stürmten die Verfolger heran, und aus der Gasse, in die sie gerade hatte fliehen wollen, erscholl das Geräusch, vor dem sie sich am allermeisten gefürchtet hatte: Das metallische Hämmern eisenbeschlagener Pferdehufe.

Der Verzweiflung nahe, fuhr Robin auf der Stelle herum und sah ihre allerschlimmsten Befürchtungen bestätigt, ja sogar übertroffen. Zwei, drei, vier, schließlich ein halbes Dutzend von Omars Kriegern stürmten hinter ihr auf den Platz hinaus. Unter ihnen war auch der Mann, den sie kurz zuvor mit dem Schild niedergeschlagen hatte. Sein Gesicht war schmerzverzogen und er hatte alle Mühe, mit den anderen Schritt zu halten. Aber Robin zweifelte nicht daran, dass jetzt auch seine Kameraden wussten, dass sie es mit allem anderen als einer wehrlosen Frau zu tun hatten.

Mit einem raschen Schritt trat sie zwischen Nemeth und die Männer, hob den Schild so hoch, dass sie gerade noch über seinen Rand sehen konnte, und machte eine drohende Bewegung mit dem Schwert. Die Krieger unternahmen jedoch nicht einmal den Versuch sie anzugreifen, sondern verteilten sich rasch im Halbkreis um sie herum. Robin war im ersten Moment erleichtert, zugleich aber auch alarmiert. Ganz egal, was ihr Kamerad ihnen erzählt hatte, sie waren sechs gegen eine, und Robin hätte nicht einmal in ihrer vollen Rüstung und mit ihrem eigenen Schwert eine Chance gegen sie gehabt. Ebenso wenig wie ein Mann. Geschichten von Rittern, die allein gegen eine fünf- oder sogar zehnfache Übermacht bestanden, gehörten eher ins Reich der Legenden und Mythen als in die Wirklichkeit.

Warum also griffen sie nicht an?

Der Hufschlag hinter ihr schwoll an und dann sagte eine wohl bekannte, verhasste Stimme: »Bravo, Christenmädchen!«

Robin fuhr herum. Omar und sein schwarz gekleideter Leibwächter waren hinter ihr hoch zu Ross aus der Gasse gekommen. Die beiden Pferde tänzelten nervös, sodass ihre Reiter alle Mühe hatten, sie auf der Stelle zu halten, und der schwarz gekleidete Hüne hatte das Schwert griffbereit vor sich über den Sattel gelegt. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, und man sah ihm an, dass er innerlich vor Zorn kochte. Omars Gesicht hingegen schien vollkommen ausdruckslos. Nur sein Blick wirkte so kalt, dass Robin erschauerte.

»Komm nicht näher!«, warnte sie. »Der Erste, der mich anrührt, stirbt.«

»Und ich bin ganz sicher, dass das keine leere Drohung ist, sondern du diese Worte durchaus in die Tat umsetzen kannst«, sagte Omar in sonderbar nachdenklichem Tonfall. Er schüttelte den Kopf. »Soll ich nun wütend sein, dass du mich so an der Nase herumgeführt hast, oder dir ein Lob aussprechen? Bisher ist es noch niemandem gelungen, mich so zu hintergehen.«

Robin schwieg. Sie ließ Omar und seinen Begleiter keinen Sekundenbruchteil aus den Augen, ebenso lauschte sie aufmerksam auf jeden verräterischen Laut hinter sich. All ihre Nerven und Muskeln waren bis zum Zerreißen angespannt. Aber sie machte sich nichts vor. Allein der Krieger neben Omar würde sie besiegen, wenn er es wollte. Salim hatte ihr eine Menge beigebracht. Sie nahm es an List und Fintenreichtum mit den meisten Männern auf, die sie kannte. Aber dieser schwarze Hüne war Omars persönlicher Leibwächter und war ein ebenso geschickter Krieger wie sie; überdies aber war er ihr an Körperkräften um ein Vielfaches überlegen.

»Immerhin weiß ich nun, dass du den Ring zu Recht trägst«, fuhr Omar fort. »Du hast dich wahrlich aller Geschichten, die man sich über deine Brüder erzählt, würdig erwiesen. Aber nun ist es vorbei. Leg deine Waffen nieder. Deine Flucht ist hier zu Ende.«

Robin schüttelte den Kopf. Sie starb innerlich fast vor Angst, aber ihre Miene wirkte fast so ausdruckslos und entschlossen wie die Omars. »Niemals. Ich kehre nicht wieder in deine Gefangenschaft zurück. Du kannst mich gehen lassen oder aber als Leiche heimbringen und dann mit mir tun, was immer du willst.«

Die Worte waren bitter ernst gemeint. Sie würde nicht wieder zurückgehen, ganz egal, welches Schicksal sie dann auch erwartete. Möglicherweise war Omar der Falke, der über ihr kreiste und nur auf den passenden Moment zum Zustoßen wartete, aber wenn dies ihr Schicksal war, dann würde sie es akzeptieren.

»Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen, Christenmädchen.« Omar hob fast beiläufig die Hand. Der schwarz gekleidete Riese schwang sich mit einer gleitenden Bewegung aus dem Sattel und machte einen halben Schritt zur Seite. Robin ergriff ihre Waffe fester, als er das Schwert hob. Omar wiederholte seine deutende Geste, schüttelte den Kopf und fügte fast traurig hinzu: »Dazu bist du zu wertvoll.«

Der Krieger schob sein Schwert in den Gürtel. Mit einer bedächtigen Bewegung trat er an sein Pferd und löste den geschwungenen Bogen vom Sattelzeug, mit dem er auf dem Hof schon einmal auf Robin angelegt hatte. Allein die Bewegung, mit der er einen Pfeil auf die Sehne legte und durchzog, zeigte Robin, wie meisterhaft er mit dieser Waffe umzugehen verstand. Und sie kannte die furchtbare Durchschlagskraft dieser Bögen. Auf diese kurze Entfernung würde der Pfeil ihren Schild vermutlich mit Leichtigkeit durchschlagen und sie töten.

»Dann erschieß mich«, sagte sie ruhig. »Lebend bekommst du mich nicht.«

Omar schüttelte den Kopf. »Faruk wird nicht auf dich schießen«, sagte er ruhig. Er deutete auf Nemeth. »Er wird das Mädchen töten.«

Robin erstarrte innerlich. Gerade weil Omar so ruhig und in fast beiläufigem Ton sprach, war ihr klar, wie ernst er diese Worte meinte. Und wie grausam der Streich war, den ihr das Schicksal gespielt hatte. Was sie bis vor wenigen Augenblicken noch für ein schier unvorstellbares Glück gehalten hatte, das erwies sich nun als das genaue Gegenteil. Sie sah in Omars Augen und begriff plötzlich, dass er nicht einmal wirklich zornig auf sie war. Ihre kämpferische Flucht hatte ihm nur bewiesen, dass sie noch viel wertvoller war, als er bisher angenommen hatte.

»Entscheide dich, Christenmädchen«, sagte Omar kalt. »Leg das Schwert nieder und komm zu mir, oder deine kleine Freundin stirbt vor deinen Augen.«

Robin wusste, dass sie verloren hatte. Langsam legte sie den Säbel, den Schild und als Letztes den Dolch vor sich auf den Boden. Und kaum hatte sie sich aufgerichtet, da stürmten auch schon Omars Krieger heran. Fast panisch griffen sie nach den Waffen und brachten sie aus ihrer Reichweite, dann wurden Robins Arme brutal gepackt und auf dem Rücken zusammengebunden. Das Letzte, was sie sah, war ein schwarzes Tuch, das einer der Männer herbeitrug und es ihr in Ermangelung eines Schleiers über Kopf und Schultern warf. Dann traf sie ein harter Schlag in den Nacken, der ihr Bewusstsein augenblicklich auslöschte.