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Die letzten Worte galten Aisha, die sich bereits daran gemacht hatte, Robins Gesicht, Hals und Hände rasch mit dem parfumgetränkten Tuch abzutupfen. Robin sog ein paar Mal scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als sie auch die wunden Stellen an ihren Handgelenken nicht ausließ.

»Jetzt schau dir nur ihre Haut an, meine Liebe«, schwärmte Harun, als Aisha endlich von ihr abließ und einen Schritt zurücktrat. »So zart und hell wie ein frisch aufgeblühter Zitronenbaum. Wir haben ein kleines Wunder vollbracht, bei Allah!«

»Wir müssen ihre Narbe verdecken«, sagte Aisha stirnrunzelnd. Sie warf Harun einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem angedeuteten Kopfnicken beantwortete, ging rasch zu dem kleinen Tischchen neben der Tür und nahm etwas aus einer kleinen Truhe, die Harun am Morgen mitgebracht hatte. Als sie zurückkam, lag ein schweres Kollier aus Gold und tiefrot funkelnden Granatsteinen in ihren Händen. Robin riss verblüfft die Augen auf.

»Das ist...«

»Nur eine Leihgabe«, unterbrach sie Harun hastig, und auch ein bisschen nervös, wie es ihr vorkam. »Auch, wenn es natürlich gegen deine angeborene Schönheit verblassen muss.«

»Ist der Schmuck... echt?«, murmelte Robin ungläubig. Was diesen Punkt anging, so erging es ihr nicht anders als Harun: Sie verstand nichts von Gold, Geschmeide und Edelsteinen. Aber man musste kein Goldschmied sein, um zu erkennen, dass das, was Aisha da so beiläufig in Händen hielt, ein Vermögen wert war.

»Omar würde mich vierteilen lassen, ließe ich dich mit falschem Geschmeide vor seine Käufer treten«, antwortete Harun. Er wartete, bis Aisha Robin das Kollier angelegt und den winzigen Verschluss in ihrem Nacken geschlossen hatte, dann stand er ächzend auf und maß Robin mit einem selbstzufriedenen Blick. »Du solltest dich nur selbst sehen können! Keine Blume aus den wunderbarsten Gärten von Damaskus könnte sich mit deiner Schönheit messen, Ungläubige.« Er seufzte. »Wenn ich nur daran denke, wie du ausgesehen hast, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Bei Allah, ich will mich nicht selbst loben, doch wir haben ein Wunder an dir vollbracht. Omar wird zufrieden sein.«

Robin erhob sich und ging mit langsamen Schritten auf den Spiegel zu, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Im ersten Moment war sie regelrecht erschrocken. Das Gesicht, das ihr entgegenblickte, war kaum mehr ihr eigenes, - jedenfalls nicht das, woran sie sich erinnerte. So ungern sie es zugab, Harun und Aisha hatten tatsächlich ein Wunder vollbracht. Sie trug eine rote, durchscheinende, weit gebauschte Hose aus Seide und perlenbestickte Pantoffeln, die sie unter anderen Umständen als albern bezeichnet hätte. Ihre Fußknöchel zierten Kettchen mit winzigen goldenen Glöckchen, die jede ihrer Bewegungen mit einem hellen Klingeln begleiteten, und auf ihren Hüften lag ein zierlicher, mit hauchfeinen Goldplättchen geschmückter Gürtel.

Das Oberteil, das Aisha ihr angezogen hatte, war wieder eines dieser merkwürdigen Hemden, das nicht einmal bis zum Rippenbogen reichte und zudem noch tief ausgeschnitten war. Es bestand aus einem samtigen roten Stoff; die kunstvollen Goldstickereien kratzten am Brustansatz ein wenig, doch brachten sie das Kollier darüber noch mehr zur Geltung. Am meisten erstaunte Robin aber der Anblick ihrer eigenen Augen, die, eingerahmt von dünnen schwarzen Linien, plötzlich fremd erschienen, schön, exotisch und auch aufreizend. Ihr Haar war länger geworden, hatte sie es doch, seit sie an jenem schicksalhaften Tag in die Komturei der Templer gekommen war, kurz getragen. Es reichte ihr jetzt fast bis an die Schultern und war so sauber gewaschen und gebürstet, dass es wie Seide schimmerte.

Wehmütig dachte sie an Salim und daran, wie er kurz vor ihrem Eintreffen in Genua das letzte Mal mit einem scharfen Dolch ihre Haare zu einem ungeschickten Pagenschnitt zurechtgestutzt hatte. Könnte er sie jetzt sehen, dann würde er auch ihre Haarfarbe nicht mehr mit der Farbe von Pferdeäpfeln vergleichen... Aber wahrscheinlich würde er etwas anderes finden, an dem er herumnörgeln konnte. Gelobt hatte er ihr Aussehen viel zu selten.

Robin spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllen wollten, als sie an Salim dachte, und verscheuchte die Erinnerung hastig. Unterdessen ließ sie den Blick weiter nach unten und auf die merkwürdigen roten Ornamente wandern, die Aisha mit einem feinen Pinsel auf ihren Bauch gemalt hatte. Vorsichtig, fast als hätte sie Angst, sie zu berühren und ihren Zauber damit zu zerstören, strich sie mit den Fingerspitzen über die verschlungenen Linien, die ihren Nabel umspielten. Die rötlich-braune Farbe des Hennas schien tief in ihre Haut eingedrungen zu sein, fast wie eine Tätowierung, aber Aisha hatte ihr beim Leben ihrer Mutter geschworen, dass die Farbe bald wieder verblassen würde. Robin war nicht einmal sicher, ob sie das wollte.

»Jetzt verlieb dich nur nicht in dein eigenes Spiegelbild«, warnte Harun. »Es wird Zeit, dass dein zukünftiger Herr dich kennen lernt. Wenn Allah uns gnädig ist, wird Omar seine Reichtümer in nur einer Stunde dank dir verdoppelt haben - und er ist beileibe kein armer Mann.«

»Und deine Belohnung wird wohl entsprechend ausfallen?«, neckte ihn Robin. Allerdings ging sie davon aus, dass Harun ihren Wert maßlos übertrieb.

»Belohnung?« Harun sah sie über den Spiegel hinweg stirnrunzelnd an. Dann schüttelte er den Kopf. »Nun, das ist eine Frage des Standpunktes. Immerhin hat Omar Khalid mir versprochen, mich am Leben zu lassen, wenn ich dich in einen halbwegs ansehnlichen Zustand versetze.«

Er lachte und Robin kam gar nicht erst dazu, darüber nachzudenken, ob er einen Scherz gemacht hatte oder die Wahrheit sprach, denn Aisha war hinter sie getreten und Harun wedelte auffordernd in Richtung Tür. Fast fühlte Robin sich jetzt wieder wie eine Gefangene, die abgeführt werden sollte. Der Gedanke weckte zugleich ihr schlechtes Gewissen. Von allen hier war Harun al Dhin vielleicht derjenige, aus dem sie am wenigsten schlau wurde, aber vermutlich auch der, der ihr Misstrauen am wenigsten verdient hatte. Mit einem letzten, fast wehmütigen Blick in den Spiegel drehte sie sich herum, um ihm aus dem Zimmer zu folgen.

Sie wurde die Treppe hinuntergeführt, jedoch nicht auf den Hof. Stattdessen brachte man sie in eine kleine Kammer, deren Fenster mit dunklem Stoff verhängt waren, sodass sie zwar Stimmen und Musik vom Hof her hören konnte, aber niemanden zu Gesicht bekam. Es war kühl hier drinnen. Ein fremdartiger, durchaus angenehmer Geruch hing in der Luft, und von weiter her drang ein Durcheinander von Geräuschen und Stimmen zu ihr, das ein sonderbar vertrautes Gefühl in Robin erweckte. Sie versuchte vergebens, die kalten Schauer zu unterdrücken, die einer nach dem anderen ihren Rücken herabliefen. Es war die pure Angst: All ihr Mut, all ihre tapferen Vorsätze und all das, was sie selbst geglaubt und sich immer wieder mit Erfolg eingeredet hatte, waren dahin. Ihr Schicksal würde sich heute erfüllen. Nicht irgendwann, nicht in ein paar Tagen, sondern jetzt, hier, innerhalb der nächsten Minuten.

Nach einer Weile wurde die Tür geöffnet und Naida trat ein. Robin warf einen Blick an der alten Sklavin vorbei auf den Gang hinaus und erkannte, dass dort eine ganze Abteilung von Omars Kriegern aufmarschiert war. Omar schien entweder gehörigen Respekt vor ihr und ihrer Entschlossenheit zur Flucht zu haben oder anderem Ärger vorbeugen zu wollen. Bevor sie jedoch eine entsprechende Frage stellen konnte, schob Naida die Tür mit dem Fuß hinter sich zu, und im selben Augenblick öffnete Harun die Vorhänge, sodass die kleine Kammer von blendender Helligkeit überflutet wurde. Das Fenster führte tatsächlich auf den Hof hinaus, aber nicht auf den mit dem Springbrunnen, den Robin schon kannte, sondern auf einen winzigen, vollkommen leeren ummauerten Flecken.