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Harun verdrehte zwar in gespielter Verzweiflung die Augen, antwortete aber trotzdem, halblaut und fast ohne die Lippen zu bewegen: »Der alberne Geck dort hinten, in dem grünen Gewand, ist Yussuf al-Mansur, Wesir am Hofe Al Maliks, des Herrschers von Hama; dein christlicher Bruder daneben ist Fra Gaston de Naillac, ein Gesandter der Johanniter-Ritter, und der Dritte ist Asef Arslan.«

Robin bemerkte nur beiläufig, dass Harun es ausließ, Arslans Herkunft oder Titel zu erklären. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die beiden anderen zu mustern. Al-Mansur als albernen Gecken zu bezeichnen war zweifellos noch untertrieben. Er trug einen grünen Kaftan, dazu Seidenhosen, die mit auffälligen bunten Blumenmustern bestickt waren, und Reitstiefel. Sein Turban war ganz ähnlich wie der Haruns mit goldenen Nadeln und Edelsteinen verziert. Er hatte ein hageres Gesicht mit einem schwarzen Spitzbart, der ihm den Ausdruck einer missmutigen Ziege verlieh.

Arslan war dagegen vollkommen in Schwarz gekleidet. Auch ein Teil seines Gesichtes verbarg sich hinter einem schwarzen Tuch, sodass sie nur seine Augen und die schmale Hakennase sehen konnte. Aber mehr interessierte sie auch nicht, denn Robins ganze Konzentration galt dem Mann, den Harun als ihren »christlichen Bruder« bezeichnet hatte.

Es war tatsächlich ein Ritter, gleichzeitig aber der Älteste und Auffälligste der drei. Auf seiner hellen Haut zeigten sich die roten Flecken eines beginnenden Sonnenbrandes, der spätestens am nächsten Tag wirklich übel werden würde. Offenbar war er entweder noch nicht lange in diesem Land oder vermied es normalerweise, das Haus zu verlassen. Er hatte durchdringende blaue Augen und weißblondes Haar, das sich an der Stirn schon deutlich zu lichten begann. Er war barhäuptig, trug orientalische Gewänder und hatte ein Langschwert umgegürtet, wie es christliche Ritter bevorzugten, - die Bluse, die unter seinem offenen Mantel zu sehen war, zierte das rote Kreuz der Johanniter.

Es erschien Robin mehr als ungewöhnlich, dass sich ein Christ - noch dazu ein Kreuzritter - so offen hier zeigte, aber weder Harun noch Omar oder einer der beiden anderen Gäste schienen Anstoß daran zu nehmen. Fra Gastons Blicke - der ebenso wie alle anderen das Gespräch unterbrochen hatte und sie neugierig und mit gerunzelter Stirn anstarrte - gefielen ihr nicht, und auch sein Gesicht und seine gesamte Erscheinung waren ihr alles andere als sympathisch, aber dennoch erfüllte sie sein bloßer Anblick mit einer wilden, verzweifelten Hoffnung. Ganz gleich, wer oder was dieser Mann war: Er war ein Angehöriger ihres Volkes, ein Edelmann, der zweifellos aus keinem anderen Grund gekommen war, um sie aus der Sklaverei freizukaufen.

Wieder war es, als hätte Harun ihre Gedanken gelesen, denn er murmelte: »Arslan wird den Zuschlag bekommen. Aber mach dir keine Sorgen - ich kenne ihn. Er ist ein aufrechter Mann, der dir nichts zuleide tun wird.«

»Arslan?« Robins Blick irrte unwillkürlich zu dem ganz in Schwarz gekleideten Araber. Auch er starrte sie mit unverhohlener Neugier an und es fiel ihr schwer, Haruns Worten Glauben zu schenken. Sein Blick war so kalt wie Eis.

Omar machte eine wedelnde, ungeduldige Handbewegung. »Harun al Dhin! Worauf wartet Ihr?«, rief er. »Kommt her und stellt meinen edlen Gästen den kostbaren Schatz vor, den das Schicksal mir zugespielt hat.« Er lächelte gekünstelt. »Wie wir alle wissen, habt Ihr ja eine besonders geschmeidige Zunge, wenn es darum geht, die Vorzüge eines Weibes zu schildern.«

Harun räusperte sich unbehaglich und für einen winzigen Moment verfinsterte sich sein Gesicht. Omar schien mit seinen Worten auf etwas anzuspielen, das dem riesig gebauten Mann äußerst peinlich war, dessen Hintergründe aber nur er und Harun al Dhin kannten. Dennoch beschleunigte er seine Schritte ein wenig, blieb zwei Meter vor Omar und seinen Gästen stehen und legte Robin in einer vertrauten Geste eine riesige Hand auf die Schulter, bevor er nach einem abermaligen Räuspern begann: »Werte Gäste, geehrte Herren, unser großzügiger Gastgeber und Wohltäter, Omar Khalid, schmeichelt mir mit diesen Worten, und ich will ihm gerne zu Diensten sein. Aber es ist nicht nötig. Ganz ohne Zweifel habt Ihr selbst schon erkannt, welch edles Geschöpf da vor Euch steht. Was immer ich sage, vermag den schieren Glanz ihrer Schönheit nur zu trüben.«

Seine Finger zupften Robins Kopftuch ein wenig zur Seite und griffen nach einer Haarsträhne.

»Seht nur dieses Haar: So fein wie Seide und so leuchtend, als seien die zarten Strahlen der Morgensonne in ihm versponnen worden. Dies ist kein Mädchen, wie Ihr es kennt, mit dunkeln Haaren und sanftem Gemüt.« Seine Worte wurden flüssiger und das nervöse Lächeln war jetzt ganz von seinem Gesicht verschwunden. Robin fühlte sich jedoch mit jedem Wort, das sie hörte, erbärmlicher. Sie hatte das Gefühl, angepriesen zu werden wie eine besonders schöne Zuchtstute.

»In jungen Jahren«, fuhr Harun fort, der allmählich in Fahrt geriet, »traf ich einmal einen Leoparden, einen schlanken Jäger, unübertroffen in seiner Flinkheit und Schläue. Auch er hatte ein goldenes Fell, auch wenn es durchsetzt war mit schwarzen Flecken. Und ganz so wie dieser Leopard ist auch dieses Mädchen. Nicht ruhig und duldsam wie die dunkelhaarigen Schönen, die Ihr bisher kennen gelernt habt. Sie ist wie ein Raubtier, das gezähmt werden will... wild und sinnlich zugleich.«

Harun zog das weite Kopftuch von ihrem Haupt. Robin fühlte sich beklommen und ausgeliefert. Bisher waren ihr Schleier und Kopftuch wie eine Demütigung vorgekommen, ein Gefängnis, das sie mit sich herumtrug. Jetzt hatte sie das Gefühl, ihres letzten Schutzes beraubt worden zu sein. Ganz wie Harun es angekündigt hatte, richteten sich nun alle Blicke auf sie und ihr Gesicht. Ganz besonders unangenehm war ihr die Aufmerksamkeit des dicklichen Wesirs, der sie schier mit den Augen zu verschlingen schien. Aber auch in Gastons Blicken war etwas, das ihr ganz und gar nicht gefiel. Sie gestattete sich immer noch nicht, irgendetwas anderes zu glauben, als dass dieser Mann vom Orden der Johanniter hier hergeschickt worden war, um das Christenmädchen freizukaufen, von dem man gehört hatte. Aber das, was sie sah, sprach dagegen.

»Bewege dich, Mädchen, damit die hohen Herren sich von deiner natürlichen Anmut und Eleganz überzeugen können«, sagte Harun. Sehr viel leiser, und nur für ihre Ohren bestimmt, fügte er hinzu: »Versuche dieses eine Mal, nicht zu watscheln wie eine fußkranke Ente.« Er machte eine Geste in Richtung der Sklavinnen. Im nächsten Augenblick ertönte eine leise Trommel, begleitet von einem klagenden, sonderbar wehmütig klingenden Saiteninstrument und dem regelmäßigen Rhythmus von Schellen.

Robin kämpfte eine einzige Sekunde mit sich selbst. Sie konnte stehen bleiben oder sich ganz bewusst ungeschickt anstellen, und sei es nur, um Omar den Spaß zu verderben, aber das wäre im Moment nicht besonders klug. Widerwillig, aber so gut sie es vermochte, machte sie die von Aisha beigebrachten Tanzschritte, hielt dabei jedoch einen möglichst großen Abstand zwischen sich und Omars Gästen ein.

»Omar Khalid«, begann der dickliche Wesir, ohne den gierigen Blick seiner Augen dabei jedoch von Robins Gestalt zu lösen. »Der Tanzlehrer der Ungläubigen vergleicht das Mädchen mit einer gefährlichen Raubkatze. Könnte es sein, dass es genau jenes Weib ist, das Eurer Obhut entsprungen ist und so viel Aufregung in der Stadt verursacht hat?«

»Das war nur ein Gerücht«, behauptete Omar. In seiner Stimme war jene Glätte und Selbstsicherheit, die den geübten Lügner verriet. »Ihr wisst, wie viel die Leute reden und wie wenig Wahres daran ist.«

»Weiß ich das?«

»Der Anführer des Sklavenaufstandes wurde hingerichtet«, erinnerte Omar.

»Ja, ja, ich habe den abgetrennten Kopf über Eurem Tor gesehen«, sagte al-Mansur in nachdenklichem Tonfall. »Und ich kenne auch die Geschichte über den verrückten Sklaven in Frauenkleidern, die Ihr meinem Herrn vorgetragen habt. Doch wenn ich dieses Weib so sehe, dann kommen mir Zweifel, ob der richtige Kopf über Eurem Tor hängt.«