»Yussuf al-Mansur, seid Ihr etwa ein Mann, der sich vor Frauen fürchtet?«, gab Omar mit einem süffisanten Lächeln zurück. »Ihr wisst, welches Vergnügen es Eurem Herrn bereitet, wilde Pferde zuzureiten. Glaubt Ihr etwa, er würde eines einfachen Weibes nicht Herr werden? Sicher, sie ist eine... ungewöhnliche Frau. Doch gerade darin liegt ihr Reiz, und deshalb beläuft sich der Mindestpreis, den ich für sie verlange, auf tausend Denar.«
Sowohl der schwarz gekleidete Araber als auch Fra Gaston zeigten keinerlei Reaktion, aber der Wesir riss in gespieltem Schrecken die Augen auf und japste nach Luft. »Tausend...?«
»Das ist der Mindestpreis«, sagte Omar lächelnd. Er sah die beiden anderen nacheinander durchdringend an. »Aber ich bin sicher, Eure beiden Konkurrenten erkennen den Schatz, den ich ihnen anbiete, und werden nicht zögern, seinen wahren Gegenwert zu zahlen.«
»Gier ist schon so manchem schlecht bekommen«, sagte al-Mansur. »Woher sollen wir wissen, dass all die Geschichten stimmen, die Ihr über dieses Weib erzählt? Am Ende habt Ihr sie selbst in die Welt gesetzt, um den Preis in die Höhe zu treiben.«
Robin war sich völlig darüber im Klaren, dass sie etwas wirklich Dummes tat. Aber sie konnte nicht anders. Selbst, wenn es sie das Leben kostete - sie konnte nicht einfach dastehen und wort- und tatenlos mit ansehen, wie man sie verschacherte wie einen Sack Mehl. Ohne auf Haruns entsetztes Keuchen zu achten, drehte sie sich mitten im Tanzschritt herum, trat auf den Wesir zu und nahm mit einer zornigen Bewegung das Rubinkollier ab, das Aisha ihr angelegt hatte. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand zeichnete sie die Narbe an ihrer Kehle nach. »Es gab schon einmal einen Mann, der glaubte, dass er mich beherrschen könnte«, sagte sie, langsam, in stockendem Arabisch, aber so laut und in so scharfem Ton, dass der dickbäuchige Wesir ganz instinktiv einen erschrockenen halben Schritt zurückwich. »Als ihm dies nicht gelang, versuchte er, mich zu töten, doch wie Ihr seht, haben Gott und mein Schwertarm mich beschützt. Trotzdem hat nur einer von uns diese Begegnung überlebt.«
Yussufs Schrecken war jetzt nicht mehr gespielt. Er wich einen weiteren Schritt zurück, starrte die Narbe an Robins Hals an, und machte dann noch einmal einen halben, fast entsetzt aussehenden kleinen Hüpfer rückwärts. »Bei Allah, Omar Khalid, das ist kein Weib, sondern ein wildes Tier, das Ihr uns da anbietet! Mein Herr will Frauen, die ihm Freude bereiten in seinem Harem, und keine Irren, die ihm nach dem Leben trachten. Schließt diese Bestie fort, oder besser noch, tötet sie, wie man es mit einem tollwütigen Hund tut!« Und damit raffte er seinen langen Kaftan und verließ fast fluchtartig den Brunnenhof.
Omar starrte ihm wortlos hinterher, ehe er sich mit einer langsamen, erzwungen ruhigen Bewegung wieder herumdrehte und Robin mit einem Blick maß, dessen Ausdruck an Hass grenzte.
»Bei Allah, Robin, oder meinetwegen auch bei deinem Gott«, raunte ihr Harun ins Ohr, »denk an die Knaben in Omars Kerker. Und an deine kleine Freundin!«
Robin ließ den Schleier wieder sinken, presste die Lippen zusammen und schluckte alles andere herunter, was ihr noch auf der Zunge gelegen hatte. Sie hätte sich am liebsten geohrfeigt, sich so wenig in der Gewalt zu haben, und ihr Herz begann wieder stärker zu klopfen. Omar Khalid starrte sie immer noch fast hasserfüllt an, aber es war seltsam - zugleich schien sie in seinen Augen auch so etwas Ähnliches wie Stolz zu bemerken.
»Bitte verzeiht, meine Herren«, sagte Omar schließlich an die beiden übrig gebliebenen Kaufinteressenten gewandt. Er schüttelte den Kopf und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. »Yussuf al-Mansur ist ein Dummkopf und Feigling, wie wir alle wissen. Sein Herr wird ihn auspeitschen lassen, wenn er von seinem Benehmen hört.«
Um die Lippen des schwarz gekleideten Arabers spielte ein flüchtiges Lächeln, das aber weniger Omars Worten zu gelten schien. Robin hatte das sichere Gefühl, dass ihm ihr Auftritt gefallen hatte. Im Gesicht des Johanniter-Ritters hingegen war nicht die geringste Regung zu erkennen. Seine Augen blieben weiter unverwandt auf Robin geheftet.
Wieder fühlte sie sich unter den Blicken dieser durchdringenden, fast stechend blauen Augen unwohl. Da war etwas im Blick des Johanniters, das sie schaudern ließ.
»Der Ring!«, verlangte Arslan. »Zeig mir den Ring, von dem mir berichtet wurde.«
Omar Khalid machte eine entsprechende Geste und Harun ergriff ihr Handgelenk und zwang sie, den Arm auszustrecken, damit der schwarz gekleidete Araber die Finger nach ihrer Hand ausstrecken und den schmalen Goldring begutachten konnte, den sie daran trug. Seine Haut war warm und rau wie Sandpapier, und sie spürte, welche Kraft in seinen so zerbrechlich aussehenden Fingern lag; dennoch war er nicht grob, ja, sie hatte fast das Gefühl, dass er sich alle Mühe gab, sie so sanft wie möglich zu berühren.
Auf dem schmalen Ausschnitt seines Gesichtes, der nicht von dem schwarzen Gesichtstuch verdeckt war, erschien ein Ausdruck höchster Konzentration. Arslan ließ sich eine Menge Zeit, um den Ring zu begutachten, ehe er schließlich wieder einen Schritt zurücktrat und ein Nicken andeutete, das wohl Zufriedenheit ausdrücken sollte.
Bevor er etwas sagen konnte, ergriff der Johanniter das Wort: »Was ich bisher gesehen habe, Omar Khalid, überzeugt mich zwar davon, dass sich unter diesem Schleier eine wahre Wildkatze verbirgt - aber ist sie auch tatsächlich so schön und edel, wie Ihr behauptet? Ich meine: Ich müsste schon mehr sehen, um beurteilen zu können, ob sie in der Tat eine fränkische Edeldame ist, wie Ihr in Eurem Schreiben behauptet habt, oder vielleicht nur eine Marketenderin, die vom Schiff gefallen und von einem Fischer aus dem Meer gezogen worden ist.«
Der Sklavenhändler hatte wohl auch mit diesem Einwurf gerechnet; er sagte nichts, sondern machte nur eine knappe Handbewegung in Haruns Richtung, und der riesige Mann trat an Robins Seite und streifte ihr geschickt den Kaftan von den Schultern. Robin versteifte sich unter ihren Kleidern, entschlossen, sich zur Wehr zu setzen, sollte ihr übergewichtiger Lehrmeister versuchen, sie noch weiter zu entkleiden.
»Woher kommst du?«, fragte der Johanniter - in Robins Muttersprache.
»Ich war an Bord eines Schiffes und bin...« Robin erinnerte sich im letzten Moment daran, dass das Verhältnis zwischen Templern und Johannitern alles andere als gut war, auch wenn beide auf der Seite der Christen kämpften. Mehr als einmal hatte sie Abbé und die anderen von den uneinsichtigen und intriganten Brüdern des Johanniterordens sprechen hören, und ein einziger Blick in Gastons Gesicht reichte, um dieses Vorurteil zu bestätigen. Darüber hinaus wäre es wohl auch nicht besonders klug gewesen, ihr Geheimnis zu enthüllen, hätte ein Tempelritter vor ihr gestanden.
»Es war eine kleine Kogge aus Venedig«, verbesserte sie sich und wechselte dabei ins Arabische. »Wir sind in dichten Nebel geraten. In der Ferne konnten wir den Lärm einer Seeschlacht hören. Ich weiß nicht, wer gegen wen gekämpft hat. Aber es war meine eigene Schuld. Ich war neugierig, habe mich zu weit über die Reling gebeugt, und da bin ich über Bord gefallen.«
Der Johanniter starrte sie weiter mit durchdringenden Augen an. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Es war unmöglich zu sagen, ob er ihr die Geschichte glaubte.
»Nun, Fra Gaston«, sagte Omar, »das dürfte Eure Zweifel wohl ausräumen. Sie hat edle Manieren und ist von gutem Blut. Ich bin sicher, dieses Mädchen wird sich am Königshof von Jerusalem...«
Der Johanniter unterbrach Omar mit einer herrischen Geste. »Fra ist ein Ehrentitel, mit dem mich nur Ordensbrüder oder zumindest Christen ansprechen dürfen«, sagte er scharf. »Und was die Behauptung angeht, dieses Mädchen sei von edlem Geblüt...« Er deutete ein Achselzucken an. »Sie spricht zumindest, als wäre sie auf einem Bauernhof groß geworden, und nicht an einem Adelshof.«