»Was soll das heißen?«, fragte Omar.
»Ich bin nicht von edlem Geblüt«, sagte Robin. »Ich stamme aus einem kleinen Dorf in Friesland. Meine... meine Sprache...« Unruhig scharrte sie mit den Füßen im Sand. »Ich bin nur ein einfaches Mädchen. Vor den Heiden glaubte ich mich verstellen zu können... mehr zu gelten, als ich bin... aber Ihr habt mich durchschaut. Es tut mir Leid.«
Gastons Augen zogen sich misstrauisch zusammen, aber die Omars weiteten sich in schierem Entsetzen. Seine Hand schnellte hoch, als wollte er sie schlagen, aber dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Sie lügt!«, sagte er. »Sie hat es mir sogar gestanden. Sie hat gesagt, sie würde alles tun, um sich an mir zu rächen. Sie will mir nur das Geschäft verderben, so einfach ist das. Sie lügt!«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, entgegnete der Johanniter ruhig. »Ich frage mich nur, was an ihrem Gerede Lüge ist.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht der Mann, der sich die Mühe geben wird, dieses Lügengespinst zu zerreißen.«
»Ihr habt ein Angebot abgegeben«, beharrte Omar. Er klang fast ein bisschen störrisch. »Das könnt Ihr nicht einfach zurückziehen.«
»Und Ihr habt versucht, mir einen Esel als edle Zuchtstute zu verkaufen, Omar Khalid«, sagte Gaston ruhig. »Damit ist das Geschäft hinfällig. Und das ist noch großzügig von mir.«
Omars Blick schien den Johanniter aufspießen zu wollen, während Arslan ein leises Lachen ausstieß.
»So einfach ist das nicht, Fra Gaston«, sagte Omar, plötzlich wieder kalt und in einem Ton, der keinem anderen Zweck diente als dem, den Johanniter herauszufordern und zu beleidigen. »Ihr seid in mein Haus gekommen, Ihr habt geboten und Ihr werdet nicht gehen, bevor Euer Gebot nicht überboten wurde oder Ihr es einlöst.« Er machte eine Handbewegung und wie aus dem Nichts erschienen vier bewaffnete Krieger auf dem Hof.
Der Ritter streifte sie mit einem fast verächtlichen Blick. »Ihr glaubt nicht wirklich, ich wäre mit einem Beutel voller Geld in Euer Haus gekommen, oder?«, spottete er. »Bei Gott, Ihr genießt einen gewissen Ruf, Omar Khalid. Für wie dumm haltet Ihr mich?«
»Bisher habe ich Euch zumindest für einen Ehrenmann gehalten«, entgegnete Omar.
Gaston schüttelte den Kopf. »Nach dem, was ich gerade erfahren habe, hat dieses Wort aus Eurem Mund einen sonderbaren Klang, mein Freund. Im Übrigen stehe ich unter dem Schutz des Stadtherrn Al Malik al Mustafa Omar und genieße den Ruf eines Gesandten, denn ich habe dem Neffen des ehrwürdigen Sultans von Damaskus und Kairo ein wichtiges Schreiben vom Großmeister unseres Ordens zu überbringen. Ich verstehe Euren Zorn, dass Euch ein vermeintlich gutes Geschäft misslungen ist, doch bewahrt Ruhe und behaltet vor allem Euren Verstand, und beschert nicht noch mehr Unglück auf Euer Haus herab, indem Ihr Hand an einen Gesandten legt.«
»Das wagt Ihr nicht!«, sagte Omar. Seine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut.
Der Johanniter verneigte sich knapp. »Friede sei mit Euch, Omar Khalid.«
Einen Moment lang hielt er Omars Blick noch gelassen stand, dann legte er in einer wie zufällig wirkenden Geste die Hand auf das Schwert, das er unter dem Mantel trug, drehte sich auf dem Absatz herum und verließ den Hof. Die Krieger, die sich ihm auf Omars Geste hin in den Weg gestellt hatten, rührten sich im ersten Augenblick nicht. Gaston ging jedoch ruhig und ohne zu zögern weiter und kurz bevor er ihre Reihen erreicht hatte, wichen die Männer zur Seite und ließen ihn durch. Omar ballte wütend die Fäuste. Seine Lippen waren zu einem schmalen, fast blutleeren Strich geworden, und Robin konnte tatsächlich hören, wie er vor Wut mit den Zähnen knirschte.
»Friede sei mit Euch...«, wiederholte Arslan nachdenklich. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und seufzte. »Ich fürchte, Euren Frieden habt Ihr soeben verwirkt, Omar Khalid.«
»Was soll das heißen?«, schnappte Omar.
»Ich hätte Euch für klüger gehalten«, erwiderte der Schwarzgekleidete. »Ich bin mit einem sehr großzügigen Angebot gekommen, für etwas, das ohnehin uns gehört. Aber Ihr habt es ausgeschlagen und versucht, mit mir zu feilschen. Mir scheint, dass Allah Euch zürnt und das Glück Euch verlassen hat. Ich werde nun gehen, um meinem Herrn zu berichten, was hier vorgefallen ist.«
»Etwas, das ohnehin Euch gehört?« Omar versuchte zu lachen, aber es misslang. »Das ist absurd. Das Mädchen wurde vom Meer angespült und ist eine Ungläubige. Welchen Anspruch wollt Ihr wohl...?«
»Ihr vergesst den Ring, Omar Khalid«, unterbrach ihn Arslan.
»Wer weiß, wo sie ihn herhat«, sagte Omar abfällig. Er streifte Robin mit einem nervösen Blick und baute sich herausfordernd vor dem fast einen Kopf kleineren Araber auf. »Wahrscheinlich hat sie ihn gestohlen.«
»Dann muss ich den meinen wohl auch gestohlen haben«, sagte Arslan. Er hob die linke Hand und Robin erschrak bis ins Mark, als sie das goldene Funkeln an seinem Ringfinger gewahrte.
Sie war zu weit entfernt und die Bewegung zu schnell, als dass sie mehr als ein flüchtiges Aufblitzen sehen konnte, und doch war sie nicht einmal einen Sekundenbruchteil im Zweifel, dass dieser Ring dem, den Salim ihr gegeben hatte, wie ein Zwilling dem anderen glich.
Aber was bedeutete das? Wer war dieser Mann? Was hatte es mit diesem Ring auf sich und wer war der geheimnisvolle Sheik Raschid es-Din Sinan, dessen bloße Erwähnung den Johanniter in Zorn versetzte und Omar schiere Todesangst einjagte? Und wenn dieser Ring wirklich das war, wofür sowohl Omar als auch Arslan und der Johanniter ihn zu halten schienen - wie war dann Salim an ihn geraten? All das zusammen ergab keinen Sinn!
»Arslan, das wagt Ihr nicht!«, sagte Omar. Auf seinem Gesicht hatte sich wieder die schon fast gewohnte hochmütige Miene breit gemacht, und er stand in drohender Haltung vor seinem Gegenüber, die Hand auf dem Schwert, die andere bewusst locker neben sich hängend. Aber es gelang ihm trotz aller Anstrengung nicht ganz, die Furcht aus seinem Blick zu bannen.
»Wen der Glanz des Goldes einmal geblendet hat, der schwört zumeist der Tugend der Weisheit ab«, antwortete Arslan ruhig. »Ich kann Euch versichern, Omar Khalid, hättet Ihr das Mädchen sofort zu meinem Herrn gebracht, statt zu versuchen, es ihm zu verkaufen, dann hätte der Scheich Euch wahrscheinlich reichlicher entlohnt, als Ihr es auch nur zu erträumen vermögt. Doch ihm verkaufen zu wollen, was ihm gehört, und dann noch sein großmütiges Angebot abzulehnen...« Arslan schüttelte bedauernd den Kopf. »Das war nicht klug.«
Omars Gesicht verdüsterte sich noch weiter. »Ihr wollt mir drohen? In meinem eigenen Haus?« Wie beiläufig blickte er zu den vier Kriegern hin, die wenige Schritte hinter ihm standen, aber Arslan wiederholte nur sein bedauerndes Kopfschütteln.
»Omar, wollt Ihr Eure Lage wirklich noch verschlimmern, indem Ihr nun auch noch das heiligste aller Gesetze verletzt, das Gastrecht?« Er wartete einen winzigen Augenblick lang, bevor er fast sanft fortfuhr: »Aber vielleicht könnt Ihr ja meinen Herrn mit einem Geschenk noch gnädig stimmen.«
»Ich bin kein erfolgreicher Kaufmann, weil es in meinem Wesen liegt, Geschenke zu machen oder mich einschüchtern zu lassen«, entgegnete Omar stolz.
Arslan musterte ihn abschätzend. »Man mag Euch zurecht einen Dummkopf nennen, Omar Khalid, doch Euch einen Feigling zu heißen, das hieße Euch Unrecht zu tun. Mein Herr wird Euch ein Zeichen schicken, wenn er über das Schicksal des Mädchens entschieden hat. Und über Eures.«
Damit ging er. Omars Wächter wichen ebenso respektvoll vor Arslan zurück wie zuvor vor dem Johanniter - nur, dass es diesmal keines besonderen Befehles ihres Herrn bedurft hätte.
Als er in den dunklen Hauseingang trat, der zur anderen Seite und zum Ausgang führte, schien er augenblicklich mit den Schatten zu verschmelzen, als hätte er zuvor nur für wenige, flüchtige Momente menschliche Gestalt angenommen. Robin blinzelte verwirrt. Natürlich beruhte diese Täuschung auf einem optischen Phänomen, das mit dem matten Schwarz seiner Gewänder zu tun hatte. Dennoch lief ihr ein kurzer, eisiger Schauer über den Rücken.