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Erst nachdem der Schwarzgekleidete verschwunden und auch noch eine geraume Weile verstrichen war, erwachte Omar aus seinem brütenden Starren, drehte sich mit einem Ruck zu ihnen herum und sah erst sie, dann Harun al Dhin und schließlich wieder Robin auf eine Art an, die ihr einen neuerlichen Schauer über den Rücken laufen ließ. Was sie in Omars Augen las, das war eindeutig Wut, Zorn und Enttäuschung... und doch hatte sie zugleich das Gefühl, dass er nicht so verängstigt war, wie Arslan es offenbar erwartet hatte. Sie fragte sich, ob Omar bereits andere, weiter reichende Pläne hatte. Vielleicht war ja das, was sie gerade miterlebt hatte, nur Bestandteil einer viel größeren Scharade gewesen.

Aber sie hatte das Gefühl, dass sie die Antwort auf diese Frage schon sehr bald bekommen würde - und dass sie ihr nicht gefallen würde.

14. KAPITEL

Kurz nach Einbruch der Dämmerung erschien Naida in Robins Zimmer und befahl ihr mit groben Worten, ihr zu Omar zu folgen. Sie wirkte noch verbitterter als sonst, ihre Stimme kälter, und der Zorn in ihrem nicht zugeschwollenen Auge noch brennender. Robin registrierte all dies sehr wohl, aber sie hütete sich, eine Frage zu stellen. Sie hätte viel darum gegeben, auch nur einen Augenblick mit Naida zu reden, ihr zu erklären, wie unendlich Leid ihr alles tat und dass sie selbst wohl am meisten unter Omars Grausamkeit litt, der anderen Schmerzen zufügte, um sie zu bestrafen. Aber sie wagte es nicht, die alte Sklavin darauf anzusprechen. Als sie jedoch das Zimmer verlassen wollte, versperrte Naida ihr die Tür und starrte sie so hasserfüllt an, dass Robin einen halben Schritt zurückwich.

»Ich dachte, Omar Khalid erwartet mich«, sagte sie, nachdem die Sklavin eine ganze Weile einfach nur dagestanden und sie auf diese unheimliche Art gemustert hatte.

Naidas Kiefer mahlten. Robin sah ihr an, dass sie mit den folgenden Worten rang, dass sie einfach nicht mehr die Kraft hatte, sie zurückzuhalten.

»Dich hat der Sheitan geschickt, Unselige!«, murmelte Naida. »Du bringst Unglück und Tod über dieses Haus.«

»Ich habe es nicht freiwillig betreten«, erwiderte Robin. Fast schämte sie sich dieser Worte. Statt Naida um Vergebung für all das Unglück zu bitten, das sie ihretwegen erleiden musste, griff sie sie nun ihrerseits an. Doch erging es ihr nicht anders als der alten Sklavin: Sie hatte ihre Worte nicht zurückhalten können.

Naida sah sie lange und mit einem undeutbaren Ausdruck im Gesicht an. Dann fragte sie ganz leise: »Welchen Zauber hast du auf Omar Khalid gelegt, Ungläubige?«

»Zauber?«

»Er ist nicht mehr er selbst, seit er mit dir aus der Wüste zurückgekehrt ist.« Plötzlich war aller Hass, alle Verbitterung aus ihrer Stimme verschwunden. Sie klang traurig, und der Schmerz, den Robin jetzt in ihren Worten hörte, war nicht mehr körperlicher Natur. »Welches Gift hast du ihm in seinen Becher gemischt? Noch nie war er in eine Frau verliebt wie in dich. Auch wenn er schon so viele Frauen besessen hat.«

Robin fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie weigerte sich zu glauben, was die Alte ihr sagte. Verliebt? Aber das war doch grotesk! Und doch: Da war eine Ahnung, ganz tief unten am Grunde ihrer Seele, wohin sie sie verbannt hatte, um sich diesem völlig aberwitzigen Gedanken nicht stellen zu müssen.

»Er ist nicht einmal unglücklich darüber, dass du heute nicht verkauft worden bist«, fuhr Naida fort. »Und das trotz der Drohung des Assassinen.«

»Aber... es war doch nur ein einzelner Mann«, murmelte Robin. Doch innerlich überschwemmte sie ein Sturm sich widersprechender Gefühle.

»Nur ein einzelner Mann?« Naida lachte hämisch. »Die Assassinen haben schon Sultane und Wesire inmitten ihrer Paläste getötet, und im Herzen ihrer Heere. Sie haben es gewagt, sich mitten im Feldlager in das Zelt Saladins zu schleichen und ihn mit dem Tod bedroht, wenn er es wagen sollte, ihre Burg Masyaf anzugreifen. Wenn es nicht Liebe ist, was sollte meinen Jungen dann dazu bringen, sich mit den Söhnen Ismaels anzulegen, wo er doch genau weiß, dass es seinen sicheren Tod bedeutet.«

»Naida, ich versichere dir, dass...«, begann Robin, wurde aber sofort wieder von Naida unterbrochen, die eine herrische Geste mit der unverletzten Hand machte. Ihre Stimme bebte jetzt wieder vor Hass. »Du gehörst doch auch zu dieser verfluchten Schattenbrut! Warum bist du noch hier, wenn nicht um Omar ins Verderben zu reißen?«

»Aber, wie sollte ich denn...?«

Wieder wurde sie unterbrochen. »Ihr versteht euch doch darauf, eins mit der Finsternis zu werden und an jeden Ort zu gelangen«, behauptete Naida. »Warum rufst du nicht deinen verfluchten Zauber an und fliegst einfach davon?«

»Naida, bitte!«, sagte Robin mühsam. »Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Was dir meinetwegen angetan wurde, ist mehr, als ich jemals wieder gutmachen kann. Aber du irrst dich. Für deinen Herrn bin ich nicht mehr als ein kostbarer Besitz, den er möglichst gewinnbringend verkaufen will. Wenn er mich wirklich lieben würde, dann hätte er dir das nicht angetan - und er hätte den armen Jungen ganz gewiss nicht verstümmeln lassen.«

Naida lachte verbittert. »Was er mir angetan hat, war nichts gegen die Strafe, die ich eigentlich verdient hätte für meinen Verrat. Und was Rustan angeht... Omar lässt alle Jungen von hübscher Statur und schönem Gesicht zu Eunuchen machen. Das war schon so, bevor du hergekommen bist, und das wird auch noch so sein, wenn du längst fort bist. Falls wir dann noch am Leben sind.«

»Alle Jungen? Aber wieso?«

»Weil sich ihr Wert dadurch vervielfacht, du dummes Ding«, antwortete Naida verächtlich. »Und er in dem Franken einen Heilkundigen gefunden hat, der sich so gut auf die Kunst der Entmannung versteht, dass nur noch einer von zwei Knaben stirbt, statt acht von zehn, wie vorher.«

»Dennoch ist es unbeschreiblich grausam!«, rief Robin, aber Naida wischte auch diese Antwort mit einer zornigen Handbewegung weg.

»Grausam? Glaubst du denn, er hätte ihn nur bestraft, um dich zu treffen? Wofür hältst du dich? Es war genau anders herum. Nur, um dir zu gefallen, hat er die Knaben im Keller verschont. Und hättest du nicht diesen närrischen Aufstand angezettelt, dann hätte er gewiss keinen einzigen der Jungen kastrieren lassen - obwohl er dadurch viel Geld verliert.«

Robin fühlte sich immer verwirrter und hilfloser. Es wäre leicht gewesen, sich selbst einzureden, dass Naida all das nur sagte, um sie zu quälen. Aber es entsprach nicht der Wahrheit.

»Ich warne dich, Ungläubige«, fuhr Naida fort. »Du wirst den Liebesbann, den du auf meinen Herrn gelegt hast, wieder aufheben, oder es wird dich selbst das Leben kosten. Glaub nur nicht, dass ich nichts als ein hilfloses altes Weib bin.«

»Was willst du tun?«, fragte Robin ruhig. »Mich töten?«

Naida nickte grimmig. »Ich bin bei einem heiligen Mann gewesen und weiß, wie man einen Schatten töten kann«, sagte sie. »Nur der Schmerz, den ich Omar damit zufügen würde, hat mich bisher davon abgehalten. Aber wenn du mir keine andere Wahl mehr lässt...«

Robin fuhr ein eisiger Schauer über den Rücken. Sie fürchtete sich nicht vor Naida. Schon mehr als einmal war sie in Lebensgefahr gewesen und die meisten der Gegner, deren sie sich hatte erwehren müssen, waren keine hilflosen, kranken alten Frauen wie Naida gewesen. Aber was sie erschauern ließ, war dieser aus Furcht geborene Hass.

»Jetzt komm!«, befahl Naida. »Mein Herr hat darauf bestanden, dich in seinem eigenen Gemach zu empfangen. Und vergiss meine Worte nicht. Ich werde dich im Auge behalten.«

Zutiefst verwirrt folgte Robin der alten Sklavin auf den Flur hinaus. Naida hatte ihr Zimmer allein betreten, draußen aber wurden sie von Omars ganz in Schwarz gekleidetem Leibwächter Faruk empfangen. Der Anblick hatte schon fast etwas Vertrautes und dennoch musterte Robin den hünenhaften Krieger mit neuem Interesse. Der schwarz gekleidete Araber, der sie im Auftrag Sheik Raschid es-Din Sinans hatte erwerben wollen, war deutlich kleiner und von schmalerem Wuchs als Faruk gewesen, aber dieser Hüne hielt keinem Vergleich mit Arslan stand. Den Assassinen hatte eine fast körperlich spürbare Aura umgeben, als trüge er über seinem schwarzen Kaftan einen zweiten unsichtbaren Umhang des Unheimlichen und der Bedrohung.