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Robin schwieg.

»Naida«, sagte Omar düster.

»Nein!« Robins Antwort kam ein wenig zu schnell, um überzeugend zu wirken. »Sie hat nur...«

»Dieses törichte alte Weib!«, murrte Omar. Er wirkte zornig. »Ich weiß nicht, was sie dir erzählt hat, aber es war zweifellos übertrieben. Sie ist nur eine alten Frau, die Unsinn redet und sich darin gefällt, dir mit wilden Geschichten Angst einzujagen.«

»Aber sie hat gesagt...«

»Was immer sie gesagt hat, es war zu viel und es war nicht wahr und zweifellos hoffnungslos übertrieben«, fiel ihr Omar ins Wort. »Ich werde sie auspeitschen lassen.«

»Nein, bitte nicht!«, sagte Robin heftig. »Es war meine Schuld. Bitte, Herr, Ihr dürft Naida nicht bestrafen. Sie wollte nichts sagen, aber ich habe so lange auf sie eingeredet, bis sie es schließlich doch getan hat. Wahrscheinlich habt Ihr Recht. Sie hat nur irgendetwas erzählt, damit ich Ruhe gebe.«

Omar trank einen Schluck, leckte sich nachdenklich über die Lippen und musterte sie plötzlich wieder mit diesem seltsam warmen Lächeln in den Augen. Dann stellte er den Becher auf den Tisch zurück und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich nicht, Robin. Ich versuche es, aber es gelingt mir einfach nicht. Naida ist nicht deine Freundin, das ist dir doch klar?«

»Sie hat schon zu viel erleiden müssen, meinetwegen«, sagte Robin. »Ich will nicht, dass Ihr sie bestraft.«

»Weißt du, dass sie mich allein heute zweimal gebeten hat, dich zu töten?«, fragte Omar.

Nein, das hatte Robin natürlich nicht gewusst. Sie erschrak. Sie hatte geahnt, dass Naida sie inzwischen hasste, aber nicht, wie weit dieser Hass ging. Dennoch schüttelte sie den Kopf. »Ihr dürft ihr nichts antun«, beharrte sie.

»Verstehe einer euch Christen. Ist das jetzt eines eurer christlichen Gebote? Liebe deine Feinde?«

»Vielleicht.«

»Dann frage ich mich, warum andere wie du mit Feuer und Schwert in unser Land kommen, um uns zu vernichten«, sagte Omar. »Aber gut, wenn dir so viel daran liegt, dann verspreche ich dir, dass ich Naida nicht bestrafen werde.«

Um sich ihre nächsten Worte überlegen zu können, hob Robin den Becher und trank einen winzigen Schluck. Er enthielt einen schweren, süßlichen Wein, der ausgezeichnet schmeckte. Aber schon nach dem allerersten Schluck ließ er sie leicht schwindeln. Sie hatte zeit ihres Lebens so gut wie keinen Alkohol zu sich genommen, nur das eine oder andere Mal war ihr nichts anderes übrig geblieben weil außer Bier oder Wein nichts zu trinken da und sie durstig gewesen war. »Dieser Mann, Asef Arslan, der heute hier war... Ist er wirklich ein Assassine?«

Omar nickte.

»Und dann sitzt Ihr so ruhig hier und trinkt Wein mit mir? Obwohl Euch ein Meuchelmörder mit dem Tod gedroht hat?«

Omar zuckte nur mit den Schultern und murmelte: »Inschallah.«

»Dann habt Ihr beschlossen, hier auf den Tod zu warten«, vermutete Robin. Allmählich kam ihr Omars Ruhe schon fast unheimlich vor. Vielleicht war es gar keine Ruhe, sondern Fatalismus.

»Ich glaube, es war einer eurer Kriegsherren, der einmal den Spruch geprägt hat: Kenne deine Feinde«, erwiderte Omar. »Die Assassinen sind weit fort. Ihr Hauptquartier ist in der Burg Masyaf, weit weg in den Nosairi-Bergen. Mehr als einen Tagesritt entfernt. Selbst wenn Arslan Hama noch heute verlassen hat... Es ist Neumond. Bei völliger Dunkelheit in den Bergen unterwegs zu sein mag einem Schatten vielleicht möglich sein, doch Pferde brechen sich dabei die Beine. Arslan wird unter günstigsten Umständen vielleicht im Morgengrauen seinen Sheik erreichen. Und selbst wenn Raschid es-Din Sinan tatsächlich mit seinen Männern nach Hama kommt, so kann er frühestens morgen hier sein. Wohl eher übermorgen.« Er schüttelte erneut den Kopf. »Die Soldaten des Statthalters werden wohl kaum in aller Ruhe zusehen, wie Scharen von Assassinen in Hama einreiten. Viel wichtiger jedoch ist, dass ich dann nicht mehr hier sein werde. So wenig wie du. Zur Stunde wird in der Karawanserei am Damaskus-Tor eine Karawane für uns zusammengestellt, mit der wir noch im Morgengrauen die Stadt verlassen werden. Das heißt, wir werden einen ganzen Tag Vorsprung haben, wenn der Alte vom Berge wirklich hierher kommt. Was ich im Übrigen nicht glaube.«

Den letzten Satz schien er eher zur eigenen Beruhigung zu sagen.

»Die Assassinen«, fragte Robin, »wer sind sie?«

»Hat dir Naida das nicht gesagt?«, gab Omar mit einem angedeuteten Lächeln zurück.

Robin nickte mit großem Ernst. »Doch«, sagte sie. »So wie auch Harun und Nemeth. Sie haben viel geredet, aber im Grunde hat mir niemand wirklich etwas gesagt.«

»Weil niemand gern über die Hashashin spricht«, sagte Omar. »Das ist ihre stärkste Waffe, weißt du? Ich will nicht behaupten, dass sie ungefährlich sind, aber viel gefährlicher als ihre Schwerter und ihr Gift ist die Furcht, die sie in die Herzen der Menschen säen.«

»Und wer genau sind sie nun?«

»Das ist ein großes Geheimnis«, antwortete Omar nachdenklich. »Manche halten sie für Geister, die nur die Gestalten von Menschen angenommen haben, um sich zu tarnen, andere für eine Bande von Meuchelmördern, die sich in den Bergen verkrochen hat und dort ihre Intrigen spinnt. Was immer man jedoch über sie erzählt, letzten Endes sind sie Menschen, keine Dschinn. Sie sind gefährlich, aber nicht unbesiegbar. Asef hat versucht, mich einzuschüchtern, und beinahe wäre ihm das auch gelungen. Ich bin dir dankbar, dass du mich letzten Endes davon abgehalten hast, mich der Furcht zu beugen, mit der er mich erpressen wollte.«

»Und wenn Sheik Sinan und seine Männer wirklich kommen?«

Omar schüttelte - und diesmal wirkte er wirklich überzeugt - den Kopf. »Raschid ist kein Narr«, sagte er. »Er ist ein mächtiger Mann, vor dem selbst Könige und Heerführer zittern, aber er ist kein Dummkopf. Er wird keinen Krieg vom Zaun brechen, um eines Mädchens willen, das er gar nicht kennt... Das ist doch so, oder?«

»Ich weiß nicht genau, warum Ihr das fragt«, sagte Robin.

»Dein Ring.«

Robin stellte vorsichtig den Becher zu Boden, um sich den Ring vom Finger zu streifen, aber Omar schüttelte nur den Kopf.

»Ich habe ihn mir lange genug angesehen«, sagte er. »Mich interessiert nicht, wie er aussieht oder welchen Wert er hat. Mich interessiert, von wem du ihn hast.«

»Von einem Freund«, antwortete Robin.

»Das hast du nun schon mehrmals gesagt, und ich glaube es dir«, sagte Omar. »Aber wer war dieser Freund? Was hat er gesagt, als er ihn dir gegeben hat, und warum? Wie war sein Name?«

»Salim«, antwortete Robin.

Noch während sie den Namen aussprach, kam es ihr wie ein Verrat vor, als gäbe sie damit das letzte Geheimnis preis, das sie und Salim noch vor dem Rest der Welt und vor allem vor Omar Khalid gehabt hatten.

Omar dachte einen Moment lang angestrengt über diesen Namen nach, bevor er erneut ein Kopfschütteln andeutete. Nachdenklich trank er einen Schluck Wein. »Nun, das ist ein Allerweltsname, hierzulande. Wer war er? Wo hast du ihn getroffen, und warum hat er dir diesen Ring gegeben?«

»Er war der Diener eines... Edelmannes.«

»Edelmann?« Omar war das winzige Stocken in ihren Worten nicht entgangen. »Was für ein Edelmann?«

»Ein Ritter«, antwortete Robin ausweichend. Sie sah Omar nicht an, denn sie fürchtete, dass er in ihren Augen lesen konnte. »Salim war sein Diener, so, wie ich seine... Dienerin. Als Abbé mich fand, da war ich sehr, sehr krank.«

»Krank?«

»Verletzt.« Robin hob die Hand und legte die Finger auf die dünne, aber deutlich sichtbare Narbe an ihrer Kehle. »Bruder Abbé und vor allem Salim waren es, die mich gesund gepflegt haben.«

»Dann war es die Wahrheit, als du heute Nachmittag behauptet hast, du seist nur ein einfaches Bauernmädchen.« Omar nippte wieder an seinem Wein. Seine Worte hatten nicht wie eine Frage geklungen, sondern wie die Bestätigung eines lang gehegten Verdachts. Er klang auch nicht zornig. Nicht einmal wirklich enttäuscht.