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Naida nickte. Dann ergriff sie Omars Hand, um sie zum Abschied zu küssen, ehe sie sich herumdrehte und ins Haus zurückrannte. Robin sah die Tränen, die über ihr faltiges Gesicht liefen.

»Nun, Mädchen, bist du zufrieden?«

Robin fuhr erschrocken herum, als sie die Stimme hinter sich hörte, und blickte verwirrt in Harun al Dhins Gesicht. Sie würde sich wohl nie daran gewöhnen, dass dieser riesige und unbeholfen aussehende Mann durchaus in der Lage war, sich so lautlos wie eine Katze anzuschleichen. Haruns Anblick überraschte sie auch in anderer Hinsicht. Er hatte sich vollkommen verändert. Wie üblich war er in kostbare Gewänder gehüllt, deren Farben nicht so recht zueinander passen wollten - grüne Hose, rote Stiefel, ein rosa Hemd und ein schreiend gelber Mantel mit schwarzen Stickereien - doch an seinem Gürtel steckten jetzt drei lange, breite Dolche, die an seiner Figur irgendwie fehl am Platze schienen. Beeindruckend war lediglich das riesige Pferd, das er am Zügel führte. Es hatte einen wunderschön gearbeiteten Sattel und mit Silber beschlagenes Zaumzeug, das bei jeder Bewegung klirren musste wie ein ganzes Orchester. Robin bemerkte auch ein gewaltiges silbernes Amulett, das unter dem Schmuck am Zaumzeug des Pferdes hing: eine Handfläche mit einem stilisierten Auge.

»Zufrieden?«, fragte sie verständnislos.

Harun hob die Schultern. Fast zu Robins Erstaunen klimperte und schepperte es bei dieser Bewegung nicht so laut, dass man es noch auf der anderen Seite der Stadt hören konnte. Ihr fiel erst jetzt auf, dass die winzigen Glöckchen und Schellen aus Haruns Turban verschwunden waren.

»Worüber sollte ich zufrieden sein?«

»Mir scheint allmählich, dass du jedem, der dir zu nahe kommt, nur Unglück bringst, Ungläubige«, antwortete Harun.

Seine Worte versetzten Robin einen tiefen, schmerzhaften Stich ins Herz. Er hatte nichts anderes ausgesprochen, als was sie sich selbst schon oft gefragt hatte. In patzigem Ton antwortete sie: »Euch anscheinend nicht. Zumindest scheint Ihr die Vergiftung relativ gut überstanden zu haben.«

Harun lächelte, aber ehe er antworten konnte, mischte sich Omar in das Gespräch ein. Er deutete auf Haruns Pferd.

»Dieses Tier ist viel zu auffällig. Wir müssen es hierlassen. Ihr werdet auf einem unserer Tiere reiten.«

»Verzeiht, wenn ich widerspreche, Herr«, sagte Harun, mit einer angedeuteten Verbeugung und in demütigem Ton. »Aber kein anderes Tier vermag mich so lange zu tragen wie dieser Hengst. Ihr... hm... wisst ja, dass Allah mich als einen sehr stattlichen Mann erschaffen hat. Andere Pferde ermüden zu schnell, wenn ich auf ihnen reite.«

»Dann werdet Ihr wohl zu Fuß zur Karawanserei gehen müssen, wie meine Männer und ich auch«, bestimmte Omar. »Der Hengst bleibt hier.«

Harun seufzte, fügte sich aber schließlich mit einem müden Nicken. Dennoch sagte er: »Wir werden jeden Abend das Fleisch der unglücklichen Stute zu essen bekommen, die ich zuschanden geritten habe - Ihr werdet sehen, Herr. Allerdings kenne ich da ein sehr gutes Gericht für Stutenfleisch... mit einer Soße aus Datteln. Ich hoffe doch, wir haben einen genügend großen Topf im Gepäck. Man muss das Fleisch zusammen mit den Datteln schmoren und dann...«

Omar verdrehte die Augen. »Was willst du in der Wüste mit einem Pferd, du Narr? Ich glaube beinahe, du willst es nur als Notproviant mitnehmen.« Er wandte sich mit einem Ruck um und winkte einem seiner Krieger herbei. Dieser trat an Haruns Hengst heran, um das Kleiderbündel vom Sattel zu lösen.

Ein Versuch, der ihn um ein Haar ein paar Finger gekostet hätte. Der Hengst fuhr mit einem zornigen Wiehern herum und schnappte nach seiner Hand. Erschrocken wich der Mann vor dem Tier zurück und stolperte. Das Pferd drehte sich vollends um, stieg auf die Hinterbeine und machte alle Anstalten, den unglückseligen Krieger unter seinen Hufen zu zertrampeln. Mit Sicherheit hätte ihn sein Schicksal ereilt, hätte sich nicht Harun im letzten Moment in die Zügel geworfen und das Tier zurückgerissen.

Omar betrachtete diese Szene stirnrunzelnd, während Robin mehr als erstaunt war. Hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie geschworen, dass sich dieser schwarze Hengst wie ein gut ausgebildetes Schlachtross verhielt, das außer seinem eigenen Herrn niemanden in seine Nähe lässt. Aber was hätte Harun al Dhin schon mit einem Schlachtross anfangen sollen? Vermutlich war das Tier einfach nur nervös, wie alle hier auf dem Hof.

Auch Robin hatte Angst. Immer wieder glitt ihr Blick unsicher über die versammelten Männer, tastete über die Mauerkämme und die flachen Dächer der nahe gelegenen Häuser, versuchte, etwas in den schwarzen Schattenschluchten dazwischen zu erkennen. Der Mond stand nur als schmale Sichel am Himmel, und es gab deutlich mehr Dinge, die man nicht sehen konnte, als solche, die zu erkennen waren. Das Gift der Assassinen hatte seine Wirkung auch auf sie nicht verfehlt.

Harun nahm sein Kleiderbündel vom Sattel des Hengstes und warf es sich ohne die geringste sichtbare Anstrengung über die Schulter. Dabei ermahnte er den unglückseligen Krieger, der um ein Haar unter den Hufen des Pferdes geendet hätte und auch jetzt noch zitternd und mit schreckensbleichem Gesicht dastand, dass niemand sein Reittier berühren solle. Es sei ein wenig unruhig. Er trug dem Mann auf, einen Sklaven zu Aisha zu schicken, die das Tier am Zügel zu seinem Stall zurückführen solle. Ihr würde der Hengst vertrauen.

»Wenn diese Diskussion denn heute noch einmal zu Ende geht, können wir dann endlich aufbrechen, hochverehrter Harun al Dhin?«, fragte Omar mit beißendem Spott. »Natürlich nur, wenn es Euch nicht zu viele Umstände bereitet, allerhochwürdigster Meister der geschmacklosen Kleidung.«

Harun machte ein beleidigtes Gesicht. »Was ist mit Nemeth?«, fragte Robin.

Man sah Omar an, dass seine Geduld nun nahezu erschöpft war. Doch in diesem Moment kehrte Omars Leibwächter mit Nemeth und ihrer Mutter zurück. Beide trugen die gleichen schwarzen Umhänge wie alle hier auf dem Hof - Harun einmal ausgenommen - und sie wirkten vollkommen verstört. Nemeth klammerte sich mit solcher Kraft an ihre Mutter, dass es Saila kaum möglich war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als sie Robin sah, blitzte so etwas wie eine schwache Hoffnung in ihrem Blick auf, aber Nemeth wirkte noch verängstigter. Natürlich, dachte Robin bitter. Was hatte Harun gerade gesagt? Bringst du jedem, der dir zu nahe kommt, Unglück? Vielleicht hatte er ja Recht.

Sie zwang ein möglichst zuversichtliches Lächeln auf ihre Lippen, ging den beiden mit schnellen Schritten entgegen und sagte: »Ihr werdet uns begleiten. Habt keine Angst.«

»Begleiten?« Sailas Stimme zitterte, aber das Misstrauen darin war trotzdem nicht zu überhören. »Ich habe mich kaum von meinem Sturz erholt - bei der Flucht, die du angezettelt hast und die meinem Mann das Leben gekostet hat. Wie könnte ich dir da von Nutzen sein?«

»Das wird sich zeigen«, antwortete Robin ausweichend. »Ihr müsst jedenfalls an einen anderen Ort. Mehr weiß ich nicht. Bis auf eins noch: Ihr seid ab sofort keine Sklaven mehr.«

»Keine Sklaven?« Sailas Augen wurden schmal. Sie vertraute ihr nicht. Und wie konnte sie auch?

»Ich werde euch alles erklären, sobald ein wenig Zeit dazu ist«, sagte Robin. »Jetzt aber müssen wir uns beeilen. Folgt mir. Und bleibt immer dicht bei mir, ganz egal, was auch passiert.«

»Und seid vor allem still!«, zischte Omar. Er warf noch einen mahnenden Blick in die Runde - Robin konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sein Blick eine Winzigkeit länger auf ihrem Gesicht verharrte als auf denen der anderen - und trat dann, dicht gefolgt von seinem Leibwächter, durch das Tor. Robin schloss sich ihm unaufgefordert an. Doch kaum hatten sie den Sklavenhof verlassen und sich nach rechts gewandt (genau in die entgegengesetzte Richtung zu der, die sie bei ihrer Flucht gewählt hatte), da ging eine sonderbare Veränderung mit ihr vonstatten.