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Kaum aber hatte das Tier seine Hinterbeine durchgestreckt, stand es auch schon mit den Vorderbeinen auf, und jetzt musste Robin wirklich mit aller Gewalt darum kämpfen, nicht auf der anderen Seite herunterzufallen. Irgendwie gelang es ihr, das Schlimmste zu vermeiden. Aber offensichtlich machte sie keine besonders gute Figur dabei, denn das schadenfrohe Gelächter der Männer ringsherum steigerte sich zu einem wahren Chor, bis Omar schließlich ärgerlich in die Hände klatschte und mit einem scharfen Befehl für Ruhe sorgte.

Robin atmete erleichtert auf und entspannte ihre Schenkel ein wenig, während sie sich weiter mit aller Kraft ans Sattelhorn klammerte. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie auf dem Rücken eines Kamels saß, und wenn es nach ihr ging, würde es auch das letzte Mal bleiben. Sie traute dieser hässlichen Kreatur nicht so weit, wie sie spucken konnte.

»Nun, wo wir noch für ein wenig Erheiterung gesorgt haben, können wir ja vielleicht aufbrechen«, sagte Omar Khalid spöttisch. »Das heißt natürlich nur, wenn es in Eure Pläne passt, holde Prinzessin.«

Robin schenkte ihm einen giftigen Blick. Dass Omar sie Prinzessin nannte, war ziemlich leichtsinnig. Ihre Verkleidung diente schließlich keinem anderen Zweck als dem, dass sie jeder, der sie nicht schon aus dem Haus des Sklavenhändlers kannte, für einen Mann hielt. Omar musste Mussa und seiner Söldnerarmee entweder mehr Vertrauen schenken, als sie vermutet hatte, oder er war wirklich sehr nervös.

Hinter ihnen erhob sich ein dumpfes, in der Nacht lang nachhallendes Knarren, mit dem sich das Öffnen des großen Tores ankündigte. Augenblicklich ergriff die Kamele eine allgemeine Unruhe, so als spürten sie, dass der Moment des Aufbruchs gekommen war. Ohne ihr Zutun drehte sich Robins Reittier herum. Sie musste sich mit aller Kraft am Sattel festklammern, als die gesamte Kreatur zuerst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links schwankte, und das so heftig, dass sie einen erneuten Sturz befürchtete.

Harun lenkte sein eigenes Tier mit einer so selbstverständlichen Bewegung neben das ihre, dass Robin mehr als nur einen Anflug von Neid empfand. »Du solltest das linke Bein um das Sattelhorn anwinkeln und das rechte ausgestreckt auf seinen Hals setzen«, empfahl er. Seine Körpermasse geriet wabbelnd in Bewegung, als er es ihr vormachte. »Siehst du? Es sieht vielleicht seltsam aus, ist aber für Anfänger die sicherste Art, ein Kamel zu reiten.«

Harun hatte Recht. Es sah seltsam aus, aber es war die einzig sichere Art, sich auf diesem hin und her schwankenden Etwas zu halten. Nicht zuletzt ihr pochendes Bein und der dumpfe Schmerz in ihrem Hinterkopf machten ihr klar, dass jetzt nicht der Moment für Stolz war.

Und vielleicht nie wieder sein würde.

16. KAPITEL

Unwillig blickte Robin zu dem Kamel hoch. Wozu hatte man eigentlich ein Reittier, wenn man die allermeiste Zeit zu Fuß ging? Und: Wozu hatte man ein Reittier, das eindeutig müheloser und ausdauernder zu Fuß ging als man selbst?

Sie fand auf diese Frage so wenig eine Antwort wie in der vergangenen Nacht oder während des zurückliegenden Tages. Aber nicht zum ersten Mal drehte das Kamel, dessen Zügel sie hielt (oder sich daran festhielt, um überhaupt mit ihm Schritt zu halten), den Kopf und blickte aus seinen großen, wässrigen Augen auf sie herab. Flockiger Schaum tropfte von seinen vorgestülpten Lippen, die unentwegt auf irgendetwas zu kauen schienen, obwohl sich Robin nicht erinnern konnte, es bisher auch nur einmal fressen gesehen zu haben. Auch wenn sie natürlich wusste, wie dumm dieser Gedanke war: Für einen Moment war sie sicher, dass dieses blöde Vieh sie eindeutig spöttisch ansah und sich über ihren hilflosen Zorn amüsierte.

Sie verscheuchte den Gedanken. Er war so albern und nutzlos wie das meiste, was sie in der zurückliegenden Nacht gedacht hatte, und diente ebenso dem Zweck, sie vom trostlosen Einerlei dieses Fußmarsches abzulenken. Es ihr irgendwie zu ermöglichen, immer weiter einen Fuß vor den andern zu setzen, obwohl sie schon vor Stunden geglaubt hatte, dass der nächste Schritt der unwiderruflich letzte wäre, für den sie noch die Kraft aufbrachte.

Der Rest der Nacht und der allergrößte Teil des darauf folgenden Tages waren bereits die Hölle gewesen. Abgesehen von der ersten, kaum drei Stunden währenden Strecke aus Hama heraus hatten sie ungezählte Meilen zu Fuß zurückgelegt, um die Kräfte der Tiere für die vor ihnen liegende Etappe zu schonen. Robin hatte Omar gebeten, wenigstens Nemeth reiten zu lassen, doch er war hart geblieben. Der Befehl galt für alle, ihn selbst eingeschlossen. Für ein nutzloses Fischermädchen, das den nächsten Winter vermutlich sowieso nicht überleben würde - das war sein genauer Wortlaut -, war er schon gar nicht bereit, eine Ausnahme zu machen.

»Weißt du, was ich mich die ganze Zeit über frage, Christenmädchen?«

Robin schrak aus ihren Gedanken hoch und wandte müde den Kopf. Harun al Dhin ging rechts neben ihr. Auch er führte sein Kamel am Zügel, und auch unter seinen Füßen stoben bei jedem Schritt kleine rotbraune Sandwolken hoch, die sich in der fast windstillen Hitze, die über der Wüste flirrte, nur ganz langsam wieder zu senken schienen. Aber trotz seiner Größe und seines gewaltigen Übergewichts bewegte er sich mit erstaunlicher Leichtigkeit.

»Wo das nächste Gasthaus ist, in dem Ihr etwas zu essen bekommt?«, vermutete sie.

Harun blieb ernst. »Das natürlich auch«, sagte er. »Aber ich frage mich auch, wie viel Omar für das geöffnete Tor bezahlt haben mag.«

»Was für ein Tor?«

»Das Stadttor von Hama«, erklärte Harun. »Ist es bei euch etwa nicht üblich, dass die Tore einer Stadt bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen werden, Ungläubige?«

»Doch«, antwortete Robin. Sie hob die Schultern. »Jedenfalls meistens.«

»Nun, hier ist es immer üblich«, erwiderte Harun. Er sah sie nicht an, während er mit ihr sprach, und sein Blick war auf einen unbestimmten Punkt irgendwo zwischen dem Ende der Karawane und dem Horizont gerichtet. »Du musst wissen, der Statthalter versteht in diesem Punkt wenig Spaß. Omar muss ein kleines Vermögen dafür bezahlt haben und der Kommandant dieses Stadttores sollte sich in Zukunft besser nicht mehr in Hama blicken lassen, wenn er seinen Kopf auf den Schultern behalten will. Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt. Sich mit Mussa einzulassen, war närrisch, aber Omar Khalid scheint seine Flucht hervorragend organisiert zu haben. Vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit ihm geblieben ist.«

Robin hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Hitze war unerträglich und sie hatte Durst, und es gab kaum noch einen Fleck an ihrem Körper, der nicht auf die eine oder andere Art wehtat oder sich zumindest unangenehm bemerkbar machte. Neidisch wandte sie den Blick und sah zu Saila und Nemeth hin. Das Mädchen hob die Hand und winkte ihr zu und Robin antwortete mit einem müden Nicken. Den beiden schienen die vielen Stunden Fußmarsch nicht das Geringste auszumachen. Nemeth ging sogar barfuss, obwohl der Sand so heiß sein musste wie eine glühende Herdplatte. Und dabei hatte sie gedacht, dass sie es sein würde, die den beiden Kraft und Zuversicht gab.

Das genaue Gegenteil war der Fall. Robin war völlig erschöpft. Seit sie in Bruder Abbés Orden eingetreten war, war sie nie mehr eine wirklich lange Strecke zu Fuß gegangen - einer der Vorteile, die es mit sich brachte, ein Ritter zu sein. Ihre Muskeln waren verkrampft, ihr Rücken tat weh und ihre Füße schmerzten unerträglich. Der feinkörnige Sand war längst in ihre Stiefel gekrochen, und so schön und weich deren Leder auch war, so waren sie neu und noch nicht eingelaufen. Robin fragte sich, wie lange es dauern würde, bis das Blut, das aus ihren zahllosen aufgeplatzten Blasen quoll, die Stiefel weit genug gefüllt hatte, um oben herauszulaufen.