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„Und was machst du, wenn die Kristallpracht vor euch in Feeneden eintrifft?“

„Das ist bei diesen Winden nicht zu erwarten, mein Vater.“

„Eines muß ich noch wissen, mein Sohn“, sagte der Tisroc. „Du hast erklärt, wie du diese Frau gefangennehmen willst aber nicht, inwiefern mir diese deine Tat bei der Eroberung Narnias helfen kann.“

„O mein Vater, sollte es dir entgangen sein, daß wir zwar schnell wie der Pfeil nach Narnia hinein und wieder herausreiten, daß wir aber Anvard für immer besetzen werden? Wenn du Anvard hältst, sitzt du an den Toren Narnias, und dann kannst du deine Truppen allmählich vergrößern, bis sie zu einer großen Streitmacht geworden sind.“

„Du sprichst mit Verstand und Voraussicht. Aber wie kann ich meinen Arm zurückziehen, wenn all deine Pläne fehlschlagen?“

„Dann wirst du sagen, ich hätte diesen Feldzug ohne dein Wissen, gegen deinen Willen und ohne deinen Segen unternommen, gefangen in meiner heftigen Liebe und dem Ungestüm meiner Jugend.“

„Was aber geschieht, wenn König Peter die Rückgabe seiner Schwester verlangt?“

„O mein Vater, sei versichert, daß er das nicht tun wird. Denn auch wenn Königin Suse aus einer Laune heraus diese Heirat zurückgewiesen hat, so ist doch König Peter ein vorsichtiger und einsichtsvoller Mann, der die hohe Ehre und die Vorteile einer Allianz mit unserem Haus nicht aufs Spiel setzen wird, zumal sein Neffe und sein Großneffe eines Tages auf diesem Thron sitzen werden.“

„Dazu wird es nicht kommen, solange ich lebe, was sicherlich auch deinem Wunsch entspricht“, sagte der Tisroc mit einer Stimme, die trockener klang als gewöhnlich.

„Im übrigen, o mein Vater, o meine Augenweide“, sagte der Prinz nach einem Augenblick unbehaglichen Schweigens, „wir werden im Namen der Königin Briefe schreiben, in denen steht, daß sie mich liebt und nicht nach Narnia zurückkehren will. Denn es ist wohlbekannt, daß Frauen so wankelmütig sind wie die Wetterhähne. Selbst wenn die Narnianen den Briefen keinen vollen Glauben schenken, werden sie es nicht wagen, bewaffnet nach Tashbaan zu kommen um die Königin mit Gewalt zu holen.“

„O erleuchteter Wesir“, sagte der Tisroc. „Schenke uns deine Weisheit, was diesen eigenwilligen Vorschlag betrifft.“

„O ewiglebender Tisroc“, antwortete Ahoshta. „Die Macht der väterlichen Liebe ist mir nicht unbekannt, und ich habe oft gehört, daß Söhne in den Augen ihrer Väter mehr gelten als Juwelen. Wie könnte ich es deshalb wagen, Euch meine Meinung in einer Angelegenheit kundzutun, die das Leben dieses erhabenen Prinzen in Gefahr bringen könnte?“

„Du wirst es ohne Zweifel wagen“, entgegnete der Tisroc. „Denn du wirst feststellen, daß du mindestens genausoviel riskierst, wenn du es nicht wagst.“

„Euer Wille sei mir Befehl“, stöhnte der Unglückliche. „Wisset denn, o überaus verständiger Tisroc, daß die Gefahr, die dem Prinzen droht, nicht so groß ist, wie es vielleicht scheinen mag. Denn die Götter haben den Barbaren die Tugend der Besonnenheit vorenthalten. Deshalb wird ihnen nichts bewundernswerter erscheinen als dieses verrückte Unternehmen des – Autsch!“ Der Prinz hatte ihm bei dem Wort „verrückt“ wieder einen Tritt versetzt.

„Hör auf, mein Sohn“, befahl der Tisroc. „Und du, geschätzter Wesir, du solltest dich in deinem Wortfluß keinesfalls unterbrechen lassen, ob mein Sohn nun aufhört oder nicht. Denn nichts steht einem Mann von Anstand und Würde besser zu Gesicht, als kleinere Unannehmlichkeiten standhaft zu ertragen.“

„Euer Wille sei mir Befehl“, sagte der Wesir. Er rutschte ein wenig zur Seite, um sein Hinterteil aus der Reichweite von Prinz Rabadashs großem Zeh zu entfernen. „Nichts wird in ihren Augen so verzeihlich – ja vielleicht sogar ehrwürdig – erscheinen wie dieser – eh – waghalsige Versuch.

Vor allem, da er aus Liebe zu einer Frau unternommen wird. Wenn der Prinz deshalb das Pech haben sollte, in ihre Hände zu fallen, würden sie ihn ganz gewiß nicht töten. Nein, selbst wenn es ihm nicht gelänge, die Königin zu entführen, wäre es sogar möglich, daß sie ihm ihr Herz zuwendet, wenn sie seinen großen Mut und seine Leidenschaft sieht.“

„Ein gutes Argument, altes Schwatzmaul“, sagte Rabadash. „Sehr gut, wie es in deinem häßlichen Kopf auch immer entstanden sein mag.“

„Das Lob meiner Vorgesetzten ist mir eine große Freude“, sagte Ahoshta. „Zweitens, o Tisroc, dessen Herrschaft nie ein Ende nehmen darf und wird; ich glaube, daß es mit Hilfe der Götter sehr wahrscheinlich ist, daß Anvard in die Hände des Prinzen fallen wird. Und dann ist Narnia so gut wie unser.“

Lange Zeit sagte keiner etwas. Es war so still, daß die beiden Mädchen kaum zu atmen wagten. Schließlich sprach der Tisroc.

„Geh, mein Sohn“, sagte er. „Und tue, wie du gesagt hast. Aber von mir darfst du keine Hilfe und keine Unterstützung erwarten. Ich werde dich nicht rächen, falls du getötet wirst, und ich werde dich nicht befreien, falls dich die Barbaren in den Kerker sperren. Aber Mißerfolg oder Erfolg – solltest du einen Tropfen mehr des königlichen narnianischen Blutes vergießen, als unbedingt nötig, und sollte daraus ein offener Krieg erwachsen, dann wirst du meine Gunst für immer verlieren, und dein nächster Bruder wird deinen Platz in Kalormen einnehmen. Jetzt geh. Handle rasch, handle im geheimen und sei erfolgreich. Möge die Stärke Tashs, des Unerbittlichen und Unwiderstehlichen, in deinem Schwert und in deiner Lanze stecken.“

„Dein Wille sei mir Befehl“, rief Rabadash, und nachdem er sich rasch hingekniet und seines Vaters Hand geküßt hatte, eilte er aus dem Zimmer. Zum Schrecken von Aravis die inzwischen völlig steif geworden war, blieben der Tisroc und der Wesir zurück.

„O Wesir“, sagte der Tisroc. „Ist es gewiß, daß keine Seele von dieser Unterredung weiß, die wir drei heute abend hier abhielten?“

„O mein Herr“, entgegnete Ahoshta. „Es ist unmöglich daß jemand davon erfahren hat. Genau aus diesem Grunde habe ich den Vorschlag gemacht – dem Ihr in Eurer unfehlbaren Weisheit zugestimmt habt –, uns hier im alten Palast zu treffen, wo nie ein Rat abgehalten wird. Kein Mitglied Eures königlichen Hofes hätte je Grund hierherzukommen.“

„Das ist gut so“, sagte der Tisroc. „Wüßte irgend jemand davon, so sorgte ich dafür, daß er getötet wird, noch bevor eine Stunde verstrichen ist. Auch du, mein vorsichtiger Wesir, solltest diese Unterredung vergessen.“

„Euer Wille sei mir Befehl“, sagte Ahoshta.

„Deshalb wirst du nicht einmal im Innersten deines Herzens denken, ich sei der hartherzigste aller Väter, der seinem Erstgeborenen einen Auftrag erteilt, der ihn wahrscheinlich das Leben kosten wird, obwohl du natürlich darüber entzückt sein wirst, da du den Prinzen nicht liebst. Ich sehe nämlich bis ins Innerste deiner Seele.“

„O unfehlbarer Tisroc“, sagte der Wesir. „Im Vergleich zu Euch liebe ich weder den Prinzen noch mich selbst, noch Brot noch Wasser noch das Licht der Sonne.“

„Deine Gefühle“, entgegnete der Tisroc, „sind erhaben und richtig. Auch ich liebe diese Dinge längst nicht so sehr wie die Pracht und die Herrlichkeit meines Thrones. Wenn der Prinz Erfolg hat, bekommen wir Archenland und vielleicht auch noch Narnia. Mißlingt sein Vorhaben, so habe ich noch achtzehn weitere Söhne, und nach der Art der königlichen Erstgeborenen wurde Rabadash langsam gefährlich. Mehr als fünf Tisrocs in Tashbaan sind vor ihrer Zeit gestorben, weil ihre ältesten Söhne – erleuchtete Prinzen – es müde waren, auf den Thron zu warten. Soll er sich lieber in der Fremde das Blut kühlen, als hier in Untätigkeit zu verbrennen. Und nun, o ausgezeichneter Wesir, das Übermaß meiner väterlichen Sorge hat mich müde gemacht. Befiehl die Musiker zu meinem Zimmer. Aber bevor du dich zur Ruhe begibst, solltest du die Begnadigung aufheben, die wir für den dritten Koch erlassen haben. Ich fühle offenkundige Anzeichen einer Verdauungsstörung.“