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„Löwen!“ sagte Bree, ohne den Kopf zu wenden.

So galoppierten sie eine Zeitlang mit fliegenden Hufen dahin. Schließlich platschten sie durch einen breiten, seichten Bach, und Bree blieb stehen, als sie das andere Ufer erreicht hatten. Shasta merkte, daß das Pferd zitterte und am ganzen Leib mit Schweiß bedeckt war.

„Vielleicht hat das Vieh im Wasser unsere Spur verloren“, keuchte Bree, als er wieder etwas zu Atem gekommen war. „Jetzt können wir ein Stück im Schritt gehen.“

Unterwegs sagte Bree: „Shasta, ich schäme mich. Ich habe Angst wie ein gewöhnliches, stummes kalormenisches Pferd. Wirklich. Ich weiß, daß es eine Schande ist, aber diese – diese Biester kann ich nicht ertragen. Ich glaube, ich trabe jetzt ein Weilchen.“

Doch kurz darauf fiel er wieder in Galopp. Denn wieder erklang das Brüllen, aber diesmal zu ihrer Linken, vom Wald her.

„Es sind zwei“, stöhnte Bree.

Als sie ein paar Minuten lang galoppiert waren, ohne von den Löwen noch etwas zu hören, sagte Shasta: „Oje! Das andere Pferd galoppiert jetzt neben uns. Nur einen Steinwurf entfernt!“

„Um so b-besser!“ schnaufte Bree. „Der Tarkaan wird ein Schwert haben – er kann uns beschützen.“

„Aber Bree!“ sagte Shasta. „Da können wir uns genausogut von den Löwen auffressen lassen. Oder zumindest gilt das für mich. Sie werden mich wegen Pferdediebstahls aufhängen!“

Als Antwort schnaubte Bree nur, aber immerhin schwenkte er ein wenig nach rechts. Komischerweise schien das andere Pferd gleichzeitig nach links zu schwenken, und so hatte sich der Abstand zwischen den beiden in kürzester Zeit beträchtlich vergrößert. Aber im selben Augenblick brüllten kurz hintereinander wieder die beiden Löwen, einer von rechts und einer von links, und so schwenkten die beiden Pferde wieder aufeinander zu. Doch dasselbe schienen auch die zwei Löwen zu tun. Das schreckliche Brüllen zu beiden Seiten klang beängstigend nah, und sie schienen auch mühelos mit den galoppierenden Pferden mitzuhalten. Plötzlich trat der Mond wieder hinter der Wolke hervor. Er warf ein so helles Licht, daß man fast hätte meinen können, es sei hellichter Tag. Die beiden Pferde mit den beiden Reitern galoppierten Hals an Hals und Knie an Knie nebeneinander her, als ritten sie ein Rennen. Und tatsächlich sagte Bree später, ein schöneres Pferderennen hätte man in Kalormen noch nie zu sehen bekommen.

Shasta hatte inzwischen jegliche Hoffnung aufgegeben, ob so oder so mit dem Leben davonzukommen. Gleichzeitig nahm er alles um sich herum überdeutlich wahr, wie man das manchmal gerade in Augenblicken höchster Gefahr tut. Er sah, daß der andere Reiter sehr klein und schmal war, daß er eine Rüstung trug, die im Mondlicht funkelte, und daß er phantastisch reiten konnte. Bart hatte er keinen.

Vor ihnen tauchte plötzlich eine weite schimmernde Fläche auf. Bevor Shasta Zeit fand, sich zu fragen, was das wohl sein mochte, platschte es laut, und Salzwasser schlug ihm in den Mund. Die schimmernde Fläche war eine tief eingeschnittene Meeresbucht. Beide Pferde schwammen, und das Wasser reichte bis an Shastas Knie hinauf. Hinter ihnen erklang wütendes Brüllen. Als Shasta sich umwandte, sah er eine große zottige, schreckliche Gestalt am Ufer kauern. Wir müssen den zweiten Löwen abgeschüttelt haben, dachte er. Dem Löwen war es die Beute offensichtlich nicht wert, sich dafür naß zu machen. Auf jeden Fall traf er keine Anstalten, sich ins Wasser zu stürzen und die Verfolgung wieder aufzunehmen. Die beiden Seite an Seite schwimmenden Pferde waren inzwischen in der Mitte der Bucht angekommen. Das andere Ufer war schon klar zu sehen. Der Tarkaan hatte noch kein einziges Wort gesagt. Aber das wird er gleich tun, dachte Shasta. Sobald wir das andere Ufer erreicht haben. Was soll ich nur sagen? Ich muß mir rasch eine Geschichte ausdenken.

Dann erklangen plötzlich zwei Stimmen neben ihm.

„Oh, ich bin so müde“, sagte die eine.

„Halt den Mund, Hwin. Sei kein Narr“, sagte die andere.

Ich träume, dachte Shasta. Ich hätte schwören können, das andere Pferd habe gesprochen.

Schon bald hatten die Pferde wieder festen Boden unter den Füßen, und an ihrem Körper floß rauschend das Wasser herab. Unter ihren Hufen knirschte der Kies. Sie hatten die andere Seite der Bucht erreicht. Der Tarkaan machte zu Shastas Überraschung keinerlei Anstalten, Fragen zu stellen. Er schaute Shasta nicht einmal an und mühte sich statt dessen, sein Pferd anzutreiben. Doch Bree schob sich mit der Schulter dem anderen Roß in den Weg.

„Broo-hoo-hah!“ schnaubte er. „Nur keine Aufregung. Ich hab’ dich gehört. Du brauchst dich nicht zu verstellen, meine Dame. Du bist ein sprechendes Pferd aus Narnia, genau wie ich.“

„Was geht denn das dich an, ob das ein sprechendes Pferd ist?“ fragte der Fremde aufgebracht und griff nach seinem Schwert. Aber die Stimme hatte Shasta etwas verraten.

„Herrje, es ist nur ein Mädchen!“ rief er.

„Was kümmert es dich, ob ich nur ein Mädchen bin?“ gab die Fremde unwirsch zurück. „Du bist nur ein Junge: ein ungeschlachter, gewöhnlicher Junge – ein Sklave vermutlich, der das Pferd seines Herrn gestohlen hat.“

„Da irrst du dich aber gewaltig“, sagte Shasta.

„Er ist kein Dieb, kleine Tarkheena“, sagte Bree. „Wenn hier jemand gestohlen hat, dann könnte man genausogut sagen, ich hätte ihn gestohlen. Und im übrigen wirst du doch wohl nicht von mir erwarten, daß ich in diesem fremden Land an einer Dame meiner eigenen Rasse vorüberlaufe, ohne mit ihr zu reden! Das wäre ganz und gar unnatürlich.“

„Das finde ich auch“, sagte die Stute.

„Ich wollte, du hättest den Mund gehalten, Hwin“, sagte das Mädchen. „Schau nur, in welch unangenehme Lage du uns gebracht hast.“

„Nun übertreib doch nicht so“, sagte Shasta. „Du kannst jederzeit verschwinden. Wir werden dich nicht aufhalten.“

„Das werdet ihr auch nicht!“ entgegnete das Mädchen.

„Was für streitsüchtige Geschöpfe die Menschen doch sind“, sagte Bree zu der Stute. „Sie sind genauso schlimm wie die Maulesel. Wir sollten versuchen, uns vernünftig zu unterhalten. Ich nehme an, meine Dame, daß deine Geschichte die gleiche ist wie die meine, oder? Du wurdest in frühester Jugend gefangengenommen – und hast jahrelang als Sklavin in Kalormen gelebt, wie?“

„Ganz recht, mein Freund“, sagte die Stute mit einem betrübten Wiehern.

„Und jetzt wollt ihr vermutlich fliehen?“

„Sag ihm, er soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern!“ befahl das Mädchen.

„Nein, das werde ich nicht tun, Aravis“, widersprach die Stute und legte die Ohren zurück. „Das ist genausogut meine Flucht wie deine. Und ich bin sicher, daß uns ein so edles Streitroß nicht verraten wird. Wir wollen versuchen, nach Narnia zu fliehen.“

„Genau das haben wir auch vor“, sagte Bree. „Das habt ihr sicher sofort erraten. Ein kleiner Junge in Lumpen, der mitten in der Nacht auf einem Streitroß reitet – oder zumindest zu reiten versucht –, das kann natürlich nur bedeuten, daß da eine Flucht im Gange ist. Und, mit Verlaub zu sagen, wenn eine Tarkheena von hoher Geburt, mit der Rüstung ihres Bruders bekleidet, nachts allein herumreitet – und auch noch ängstlich darauf bedacht ist, daß man ihr keine Fragen stellt und sich nicht in ihre Angelegenheiten mischt –, also dann muß da etwas faul sein, oder ich will tot umfallen.“

„Na gut“, bekannte Aravis. „Du hast es erraten. Hwin und ich sind auf der Flucht. Wir wollen versuchen, Narnia zu erreichen. So, und was sagst du jetzt?“

„Nun – was sollte uns in diesem Fall daran hindern, gemeinsam zu reisen?“ fragte Bree. „Ich nehme doch an, verehrte Dame Hwin, daß du die Hilfe und den Schutz annehmen wirst, die ich dir gewähren kann?“

„Warum redest du eigentlich dauernd mit meinem Pferd und nicht mit mir?“ fragte das Mädchen.

„Verzeih, Tarkheena“, sagte Bree und legte fast unmerklich die Ohren zurück. „Aber das ist Kalormenengeschwätz. Wir beide, Hwin und ich, sind freie Narnianen. Und wenn du nach Narnia fliehst, dann steht dir doch wohl ebenso der Sinn danach, ein freier Narniane zu werden. In diesem Fall ist Hwin nicht mehr dein Pferd. Man könnte genausogut sagen, du wärst Hwins Mensch.“