»Gut«, sagte Drakon erleichtert und warf einen Blick auf die Liste der Verluste. Für einen Einsatz dieser Größenordnung war die Zahl der Toten und Verwundeten durchaus vertretbar, dennoch war jeder Tote immer einer zu viel.
Kamara unterhielt sich fröhlich mit anderen Kongressmitgliedern der Freien Taroaner, während sich Drakon dem Display widmete, auf dem die Fläche der von den Loyalisten kontrollierten Gebiete deutlich geschrumpft war. Draußen bahnte sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken aus Vulkanasche, die über den Himmel zogen.
Siebzehn
Nach nur einer Woche brach auch noch die restliche Opposition der Loyalisten zusammen. Angesichts der Drohung, die von Drakons Bodenstreitkräften und den Kriegsschiffen am Himmel ausging, unterwarfen sich schließlich auch die letzten noch verbliebenen Täler der Kontrolle durch die Freien Taroaner. Daran vermochten auch einige Drohgebärden und ein Selbstmordattentat vonseiten der Vereinten Arbeiter nichts mehr zu ändern.
Sub-CEO Kamara brachte die Loyalistensoldaten, die sich ergeben hatten, auf ihre Linie, führte sie mit ihren eigenen Streitkräften zusammen und ließ sie in die Regionen einmarschieren, die immer noch den Vereinten Arbeitern kontrolliert wurden. Drakon hielt seine eigenen Streitkräfte aus diesem Teil des Konflikts heraus und überließ es den Soldaten der Freien Taroaner, diese Gebiete zu erobern.
»Wir sollten dabei mitmachen«, grollte Morgan.
»Ich will dabei nicht mitmachen«, gab Drakon mürrisch zurück. »Für Leute, die sich über Grausamkeiten aufregen, kommen sie mir sehr darauf versessen vor, alles und jeden auszuradieren, der irgendwie mit den Vereinten Arbeitern zu tun hatte.«
»Wir könnten dazwischengehen«, schlug Malin vor. »Wenn wir die Kämpfe stoppen, steigt die Zahl der Toten nicht noch weiter an.«
»Dann würden sie weitermachen, sobald wir hier wieder weg sind«, antwortete Drakon. »Sollen sie es machen. Dann wachen sie eines Morgens auf und sehen vielleicht, was sie angerichtet haben. Womöglich wird das auf lange Sicht mehr Leben retten.«
»Haben wir schon irgendetwas vom Kongress gehört?«, wollte Malin wissen.
»Nein. Der Interimskongress wartet, bis die Vereinten Arbeiter erledigt sind. Ich werde morgen mit ihnen reden, ihnen sagen, was wir haben wollen, und dann können wir wieder von hier verschwinden.« Taroa war eine schöne Welt, aber er würde mit ihrem Anblick immer den Preis verbinden, den diese Kämpfe gefordert hatten.
»General«, sagte Malin. »Wir konnten so etwas wie das hier auf Midway verhindern, weil Sie und Präsidentin Iceni die Lage so gut im Griff hatten.«
»Oder weil wir viel mehr Waffen hatten und niemand sich mit General Drakon anlegen wollte«, warf Morgan sarkastisch ein. »Sagen wir diesen Freien Taroanern doch einfach, was wir haben wollen, und fordern sie auf, es uns zu geben. Wenn sie für unsere Hilfe nicht so dankbar sind, wie sie es sein sollten, dann können wir ihnen immer noch eine Ladung Steine auf den Kopf werfen.«
»Sie wissen, dass sie uns nicht mit einem einfachen Dankeschön abspeisen können«, gab Drakon zurück. »Sie brauchen uns und sind auf unseren guten Willen angewiesen, denn wir werden immer das Sternensystem gleich nebenan sein. Und auch das wird ihnen eines Morgens nach dem Aufwachen klar werden.«
»Ich mag es, wenn Sie gebieterisch sind«, sagte Morgan und lachte, als sie seinen missbilligenden Blick sah. »Ich kapier schon, was hier läuft. Wir haben diese Typen in der Hand, auch wenn die Freien Taroaner weiterhin so tun, als wären sie stark und unabhängig. Und uns gehören diese Orbitaldocks, was die dritte Sache ist, die den Freien Taroanern eines Morgens nach dem Aufwachen deutlich werden wird. Gut gemacht, General.«
Diesmal verkniff sich Malin jede Bemerkung, stattdessen sah er Morgan auf eine Weise an, als stünde er vor der Aufgabe, eine Bombe zu entschärfen.
»Es ist gar nicht möglich, unsere Dankbarkeit in Worte zu fassen«, betonte das worthabende Mitglied des Interimskongresses. »Jetzt, da Taroa wieder geeint und frei ist, werden wir niemals die Hilfe vergessen, die Midway geleistet hat, um das zu erreichen.«
Etwas nicht vergessen zu wollen, kostete einen nicht mehr als diesen Spruch, und bislang hatte niemand vorgeschlagen, sich in einer materiellen, greifbaren Weise für die Hilfe zu bedanken. Drakon nickte und lächelte den Kongressmitgliedern flüchtig zu. »Es war Präsidentin Iceni und mir ein Vergnügen, Ihnen zur Seite zu stehen. Wir möchten gern den Handel wieder in Schwung bringen. Ihre Schiffe sind bei Midway immer willkommen, und wir werden unsere Kriegsschiffe nicht einsetzen, um irgendjemanden daran zu hindern, nach Taroa zu gelangen.«
Ein paar Kongressmitglieder begriffen, was er damit eigentlich sagen wollte – dass Midway durchaus in der Lage war, den Weg nach Taroa zu blockieren, falls das Sternensystem dafür einen Anlass bieten sollte. Natürlich ließ sich das System auch über andere Sprungpunkte erreichen, aber das würde deutlich zeitraubender ausfallen, da der Vorteil des Hypernet-Portals bei Midway wegfiel.
Ein anderes Kongressmitglied warf Drako einen skeptischen Blick zu. »Was wird aus den Gebühren für die Benutzung des Hypernet-Portals durch Handelsschiffe? Diese Gebühren werden ja nun nicht mehr von der Syndikat-Regierung vorgegeben.«
Eigentlich hätte er darauf gar keine Antwort gewusst, aber zum Glück hatte Iceni besonderen Wert darauf gelegt, ihm vor der Abreise noch von ihrem Vorhaben zu berichten. »Diese Gebühren werden wir senken. Es ist zwar nicht so, dass wir auf das Geld verzichten könnten, aber wir müssen jetzt nicht länger den größten Teil an Prime abgeben. Wir können die Gebühren für Handelsschiffe senken und haben immer noch mehr übrig als bislang. Mit den Einnahmen können wir dazu beitragen, Midway als starkes und unabhängiges Sternensystem zu festigen.«
»Warum verlangen Sie nicht einfach noch weniger, wenn Sie mit Ihren neuen Gebühren doch mehr einbehalten als zuvor?«, warf irgendjemand ein.
Drakon sah den Redner mit leicht zusammengekniffenen Augen an. »Sind Sie der Meinung, dass Sie benachteiligt werden? Ich habe bislang von keinem hier auch nur ein Wort über die Soldaten gehört, die wir verloren haben, um Ihnen zu helfen, die Kontrolle über Ihren Planeten und Ihr Sternensystem zu erlangen.«
Die meisten setzten daraufhin eine schuldbewusste, zugleich aber trotzige Miene auf.
»Unsere Streitkräfte stehen nicht kostenlos zur Verfügung, und sie sind auch nicht billig«, redete er weiter. »Ich benötige einen ausreichenden Anteil am Steueraufkommen, um Sold, Wartungen, Einsätze und viele andere Dinge zu bezahlen. Prime ist nicht länger für die Verteidigung von Midway zuständig, und Prime wird auch Taroa nicht beschützen. Sie helfen uns, die Verteidigung zu finanzieren, und wir werden Ihnen bei der Verteidigung helfen. Wenn Ihnen das nicht gefällt, werden wir womöglich nicht genug Streitkräfte erübrigen können, sobald die Syndikat-Regierung sich hier blicken lässt.«
Ohne sich dessen bewusst zu sein, war er wieder in die Redegewohnheiten eines CEO verfallen. Er redete wie jemand, über dessen Äußerungen nicht diskutiert wurde und den man auch nicht infrage stellte. Die Freien Taroaner reagierten prompt mit dem ein Leben lang eingeimpften Gehorsam eines Bürgers der Syndikatwelten und setzten sich etwas gerader hin.
Colonel Malin trat einen Schritt nach vorn und lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich, während er in verständnisvollem, aber nachdrücklichem Tonfall sagte: »Wie General Drakon bereits erwähnte, können wir nicht länger darauf zählen, dass Prime unsere Verteidigung finanziert. Stattdessen ist Prime für uns zur Bedrohung geworden. Und dann haben wir es ja auch noch mit den Enigmas zu tun. Sie staunen? Nun, wir räumen hiermit erstmals offiziell ein, dass die Enigmas existieren und dass sie eine Gefahr für die Menschheit darstellen. Wollen sie nach Taroa gelangen, müssen sie von Pele kommen und Midway durchqueren. Wir müssen aus eigener Tasche die mobilen Streitkräfte bezahlen, um all die Sternensysteme in dieser Region zu beschützen. Diese mobilen Streitkräfte werden auch Ihnen bei der Verteidigung behilflich sein, wenn wir die notwendigen Vereinbarungen treffen können.«