Malin nahm sich einen Moment Zeit zum Nachdenken, dann sah er Drakon in die Augen. »Ich bitte um Klärung, was den zukünftigen Status von Colonel Morgan betrifft, General.«
»Unverändert.«
War das Erleichterung, die er Malin ansehen konnte?
Wieder eine Pause, dann eine sehr behutsam vorgetragene Äußerung. »General, mir ist bewusst, dass ich kein Recht habe, Sie das zu fragen …«
»Es wird nicht wieder vorkommen.« Diesmal war Malins Erleichterung nicht zu übersehen. Außerdem war Drakon froh darüber, es jemandem sagen zu können. »Ich war betrunken und hatte den Verstand abgeschaltet. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Malin sah vor sich und nickte. »General, sie verfolgt irgendwelche Absichten. Ich weiß nicht, was sie plant, aber auf jeden Fall geht es Morgan um mehr als … als darum, für eine Nacht Ihr Bett zu teilen.«
»Und welche Absichten verfolgen Sie, Colonel Malin?«
Erneut hielt der Mann inne. »Alles, was ich tue, General, geschieht nur in Ihrem besten Interesse.«
Drakon starrte noch eine Weile auf die Tür, die Malin beim Hinausgehen hinter sich zugezogen hatte, und wunderte sich darüber, dass er und Morgan auf seine Frage nach ihren Absichten identische Antworten geliefert hatten.
An diesem Nachmittag flog er mit einem Shuttle zur Orbitalwerft, da er nicht länger auf Taroa bleiben wollte. Er war es leid, mit Leuten zu tun zu haben, denen man nicht einfach sagen konnte, was zu tun war, sondern davon überzeugt werden mussten. Ein einzelner starker Führer konnte mehr bewirken als sie.
Aber bei Midway sah es nicht viel anders aus. Dort benötigte er Icenis Zustimmung, um die Dinge in die Tat umsetzen zu können. Was, wenn sie ihm widersprach? Wie sollte irgendetwas ordentlich funktionieren, wenn dauernd zwei Leute der gleichen Meinung sein mussten? Und was, wenn sie von der Sache mit Morgan erfuhr? Es sollte ihn eigentlich nicht kümmern, wie sie darauf reagieren würde, aber all diese Fragen machten ihm zu schaffen und ließen ihn nur noch mürrischer werden.
Sogar eine Inspektion des Schlachtschiffs konnte seine Laune nicht bessern, da er auf Schritt und Tritt damit konfrontiert wurde, was daran getan werden musste und wie leer diese Schiffshülle in Wahrheit noch war, wenn man sie mit dem Schiff verglich, das Iceni von Kane mitgebracht hatte.
Es dauerte eine Weile, die Soldaten aller drei Brigaden und ihre Ausrüstung zurück zur orbitalen Einrichtung zu transportieren und sie auf den umgebauten Frachtern unterzubringen. Der Interimskongress der Freien Taroaner zauderte und debattierte, aber dank der großzügigen Bestechungsgelder, die Colonel Malin unter die Leute gebracht hatte, und dank der Anstrengungen der für ihn tätigen Agenten nahm der Kongress dann endlich die Vereinbarungen zur Verteidigung und zum Handel an, die so lange Gültigkeit haben sollten, bis eine reguläre Regierung gewählt worden war.
»Major Lyr.« Drakon winkte Colonel Gaienes Stellvertreter zu sich und bedeutete ihm, sich zu ihm zu setzen. »Wie würde es Ihnen gefallen, Colonel zu werden?«
Lyr musterte ihn mit der Skepsis eines erfahrenen Veteranen. »Wo ist der Haken, Sir?«
»Ein eigenständiges Kommando.«
Er brauchte nur einen Moment, um zu verstehen. »Hier, Sir?«
»Genau.« Drakon beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch auf. »Sie sind ein guter Soldat und ein guter Administrator. Ich weiß, wie viel Sie leisten, um Ihre Brigade in erstklassiger Verfassung zu halten.« Dabei ließ er unerwähnt, dass dies vor allem für Colonel Gaienes allzu häufige Aussetzer galt, die sich immer dann ereigneten, wenn es keine Gefechte auszutragen gab. Lyr wusste, dass Drakon das bekannt war, aber Drakon würde niemals schlecht über einen Offizier reden, wenn er einen von dessen Untergebenen vor sich hatte. »Sie bekommen zwei Kompanien, die aus Gaienes Brigade zusammengestellt werden, sowie eine Kompanie aus Taroanern, die von allen am zuverlässigsten eingestuft worden sind. Dieser Posten erfordert jemanden, der eigenständig denken kann und der in der Lage ist, mit den Taroanern zusammenzuarbeiten. Dieser Teil wird schwierig werden. Sie dürfen ihnen gegenüber nicht zu bestimmend auftreten, denn wir wollen, dass sie in uns Partner sehen. Andererseits sollten die Freien Taroaner auch nicht dem Irrglauben erliegen, dass sie uns Vorschriften machen können. Ich glaube, das bekommen Sie hin.«
Lyr nickte. »Ja, Sir.«
»Es wird auch ein Zivilist hierbleiben, einer von Präsidentin Icenis Repräsentanten, der sich um Angelegenheiten kümmern wird, die den Handel und die diplomatischen Dinge betreffen, die nichts mit dem Militär oder der Sicherheit zu tun haben. Es dürften regelmäßig Frachter zwischen Taroa und Midway pendeln, also wird es keine Probleme geben, mir Informationen zukommen zu lassen. Regeln Sie die kleinen Probleme, und versuchen Sie, größere Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen, damit ich mich darum kümmern kann.«
»Also nichts allzu Schwieriges oder allzu Anspruchsvolles.«
Drakon lächelte, da er wusste, Lyr meinte das Gegenteil. »Ganz genau.«
»Ich werde mein Bestes geben, General.«
»Das weiß ich, Colonel. Deshalb werden Sie auch befördert und erhalten diesen Posten.« Lyrs Arbeit würde vermutlich nicht so schwierig werden wie die Suche nach einem neuen Stellvertreter für Lyr. Aber ich muss mir nun mal mehr Senioroffiziere heranziehen. Dass mein Job ein Kinderspiel sein soll, hat auch noch nie jemand behauptet.
Eine Woche, nachdem Drakon mit dem Shuttle zur Orbitalwerft geflogen war, hatten seine Brigaden den Planeten verlassen, die Vereinbarungen waren getroffen worden, und Frachter und Kriegsschiffe verließen den Orbit, um Kurs auf den Sprungpunkt nach Midway zu nehmen. Nachdem er fast die ganze Woche über schlechte Laune gehabt hatte, fragte sich Drakon, wer sich mehr darauf freute, nach Midway zurückkehren zu dürfen: er oder Kommodor Marphissa und die Crew des Schweren Kreuzers, die sich bei der Ankunft im System endlich von ihm würden verabschieden können.
Achtzehn
Drakons Laune passte nicht zu den Informationen, die er überbrachte.
»Sie scheinen in allen Punkten erfolgreich gewesen zu sein, bezüglich derer wir beide der Ansicht waren, dass Sie dafür nach Taroa reisen sollten«, sagte Iceni.
»Nicht in allen. Als wir abgereist sind, gab es nicht mal den Ansatz einer stabilen Regierung.«
»Sie wollten wohl nicht ernsthaft so lange warten, bis sie eine Regierung haben. Nach allem, was ich von meinen Repräsentanten gehört habe, tendiert Taroa bereits zu einer formalen Allianz mit uns. Das ist doch schon ein Anfang, und für andere Sternensysteme wird das ein Ansporn sein, so etwas ebenfalls in Erwägung zu ziehen.« Iceni rieb sich mit einer Hand die Augen. »Was die weniger erfreulichen Dinge angeht … ich nehme an, Sie haben bereits von Colonel Rogero gehört, was vorgefallen ist.«
»Und ich nehme an, Sie hatten bislang keinen Erfolg bei der Suche nach dem Attentäter.«
Sie nahm die Hand herunter und sah ihm in die Augen. »Ich hatte den Befehl ausgegeben, Colonel Rogero nichts anzutun. Falls jemand aus meinen Kreisen diesen Versuch unternommen hat, dann geschah das entgegen meinen ausdrücklichen Anweisungen. In dem Fall werde ich dafür sorgen, dass derjenige sein Verhalten bitter bereut.«
Drakon musterte sie einen Moment lang, ehe er erwiderte: »Wollen Sie damit andeuten, jemand aus meinen Kreisen könnte den Anschlag verübt haben?«
»Mir liegen keinerlei Informationen vor, General, daher deute ich so etwas auch nicht an.« Sie fragte sich, wieso Drakon so schnell zu dieser Schlussfolgerung gelangt war. Bereitete ihm jemand aus seinem Umfeld Sorgen? Lief ihre eigene Quelle Gefahr, enttarnt zu werden?
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendein Bürger auf ihn geschossen haben sollte. Aber wenn sich noch irgendwo Schlangen verborgen halten …«