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Diese Argumente waren so überzeugend, dass Iceni sie nicht ignorieren konnte, auch wenn sie ihre Zweifel hatte, was Malins Erklärung für das »Missverständnis« betraf, bei dem er angeblich nicht auf Morgan geschossen hatte. Da war noch irgendwas anderes, aber sie konnte es nicht näher bestimmen. »Und der dritte Grund?«, hakte sie nach.

Malins Miene zeigte keine Regung, als er antwortete: »Das ist eine private Angelegenheit.«

»Ich möchte es aber erfahren.«

»Da muss ich Sie leider enttäuschen.«

Verärgert schob sie das Kinn vor und fragte sich, ob sie ihn stärker unter Druck setzen und ihm damit drohen sollte, ihn an Drakon zu verraten, wenn er ihr Ansinnen ablehnte. Ihr war nach wie vor nicht klar, wieso Malin sie überhaupt mit Informationen versorgte, aber bislang hatte er ihr noch nie etwas gesagt, das sich rückblickend als unzutreffend entpuppt hatte. Eine Quelle so dicht an Drakon war unbezahlbar. Malin musste so gut wie sie selbst wissen, dass sie einen solchen Informanten nicht verlieren wollte, solange er für sie weiterhin von Nutzen sein konnte. Also würde er die Drohung, ihn an Drakon zu verraten, auch sofort als Bluff erkennen. »Sie haben keine Ahnung, welchen Plan Morgan verfolgt?«

»Ich kann nur das sagen, was ich über sie weiß. Sie ist ehrgeizig, sie hat keine moralischen Bedenken, und sie scheitert kaum einmal mit einem Vorhaben.«

Iceni lachte leise auf. »Wieso ist sie bloß keine CEO geworden?« Die Frage brachte sie auf einen anderen Gedanken. »Glauben Sie, sie will mich ersetzen?«

»Es wäre möglich. Und vielleicht ist Drakon das Werkzeug, mit dem sie das erreichen will.«

»Wer von uns schwebt dann in größerer Gefahr? Sie oder ich? Oder etwa Drakon selbst?«

»Ich glaube, Drakon ist vor ihr sicher, aber ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß es schlichtweg nicht«, fuhr Malin fort. »Wenn ich ums Leben komme, dann versuchen Sie hinter die Kulissen der sich abspielenden Geschehnisse zu schauen. Ich habe nichts darüber herausfinden können, wer Colonel Rogero töten wollte. Vielleicht hatte sie damit auch irgendwas zu tun. Rogero und Gaiene stehen Drakon sehr nahe, Kai ein kleines bisschen weniger. Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird Morgan versuchen, Drakon auf lange Sicht von jedem außer ihr selbst zu isolieren, damit niemand mehr da ist, der ihn auf Ideen bringen kann, die ihren Absichten zuwiderlaufen.« Malin blickte Iceni unmittelbar in die Augen. »Dazu gehören Sie auch. Ich bin mir nicht sicher, was General Drakons Gefühle Ihnen gegenüber angeht, aber zumindest respektiert er Sie.«

»Aber er vertraut mir nicht«, räumte Iceni ein.

»Richtig. Er vertraut mir und Morgan, außerdem Rogero, Gaiene und Kai.«

»Ihnen vertraut er, und Sie verraten mir seine Geheimnisse«, wandte sie ein.

Wieder hielt Malin inne. »Ich stehe loyal zu General Drakon.«

Tatsächlich? Welche langfristigen Pläne verfolgen Sie, Colonel Malin? Natürlich werden Sie sie mir nicht verraten, aber wie viel von dem, was Sie mir soeben gesagt haben, ist die Wahrheit, wie Sie sie kennen, und wie viel davon zielt darauf ab, mich davon zu überzeugen, das zu tun, was Sie wollen? »Loyal zu General Drakon? Das müssen Sie mir erst noch beweisen.«

»Es ist wahrscheinlich unmöglich, Ihnen einen überzeugenden Beweis zu liefern.«

»Ganz im Gegenteil«, sagte Iceni. »Töten Sie sie.«

»Morgan? Nein.«

»Behalten Sie sie dann wenigstens im Auge?«, wollte sie wissen.

Malin verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich tue kaum etwas anderes, als sie zu beobachten. Und ich drehe ihr nie den Rücken zu.«

»Wenn Sie schon nicht das tun wollen, was mit Blick auf Morgan getan werden müsste, dann behalten Sie zumindest auch General Drakon im Auge. Vielleicht können wir ihn ja so von einer Dummheit abhalten.«

»Ich beobachte ihn auch. Zugegeben, bei Taroa bin ich einmal nicht aufmerksam gewesen, aber sie wird sich ihm so nicht noch einmal nähern können. Und falls sie es versucht, wird General Drakon sie diesmal abweisen.«

»Sie mögen Ihre Zweifel haben, aber ich habe meine eigenen Zweifel«, sagte Iceni. Männer! Wenn man sich bei ihnen doch bloß darauf verlassen könnte, dass sie Entscheidungen mit ihrem Gehirn treffen.

Diese verdammte männliche Fehlbarkeit machte es für Frauen viel leichter, sie wie Werkzeuge für ihre Zwecke zu benutzen.

Frauen wie Morgan.

Frauen wie sie selbst. Sie werden Drakon nicht bekommen, Colonel Morgan. Vielleicht will ich ihn gar nicht haben, aber Sie bekommen ihn ganz sicher nicht. »Und ich werde Sie im Auge behalten, Colonel Malin.«

»Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass man mich aufmerksam beobachtet«, gab er lächelnd zurück.

»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, beendete sie die Unterhaltung und wandte sich zum Gehen. Sie wusste, dass Malin hinter ihr in die Menge eintauchte und verschwand. Er war da, aber die Überwachungssysteme, die nahezu alles aufzeichneten, was irgendwo in der Stadt gesagt und getan wurde, konnten ihn nicht wahrnehmen.

Während sie weiterging, hielt Iceni die Ohren offen. Man konnte wichtige Dinge herausfinden, wenn man sich inmitten der Bürger aufhielt, ohne von ihnen erkannt zu werden. Die Leute sprachen Dinge aus, die man anderswo niemals zu hören bekommen würde. Dinge, die hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurden, sodass die allgegenwärtigen Überwachungsanlagen es nicht von der allgemeinen Geräuschkulisse unterscheiden konnten.

Viel wurde über Taroa erzählt, das meiste davon zeugte von guter Stimmung. Die Schlangen waren unschädlich gemacht worden, wir hatten unseren Nachbarn geholfen und keine Gegenleistung gefordert. Drakon war ein guter General. Es gibt ein neues Handelsabkommen. Bald werden wieder Schiffe herkommen. Gute Neuigkeiten, wirklich gute Neuigkeiten.

Haben Sie das von Präsidentin Iceni gehört? Das, was Buthol sagt? Ich kann das nicht glauben. Aber bevor sie unsere Präsidentin war, war sie unsere CEO gewesen. Jeder weiß über CEOs Bescheid. Aber ist sie nicht anders? Warum findet dann keine Wahl statt?

Iceni ging mit gesenktem Kopf weiter, bis sie den geheimen Zugang zu ihrem Büro erreicht hatte. Erst nachdem sie ein Dutzend Schlösser und Sicherungen unterschiedlichster Bauart geöffnet und wieder hinter sich geschlossen hatte, fühlte sie sich sicher genug, frustriert seufzend ihren Mantel auszuziehen. Wer war dieser Buthol? Warum waren die Leute so voll des Lobes, was Drakon anging, und warum stellten sie so viele Fragen, wenn es um Iceni ging? War das Drakons Werk? Betrieb er zu seinen Gunsten Propaganda?

Es war schon spät, sie war müde und musste in Ruhe nachdenken. Sie brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten, was sie von Malin erfahren hatte. Und sie brauchte Zeit, um ihr Unterbewusstsein über Malins Mimik und Gestik nachdenken zu lassen.

Es war spät, und Präsidentin Iceni begab sich zur Nachtruhe.

Am nächsten Morgen kam sie sich vor, als hätte sie einen Kater, ohne am Abend zuvor auch nur einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben. Sie fühlte sich bestraft, ohne dass sie etwas getan hatte, was eine Bestrafung rechtfertigte. Um dem abzuhelfen, schluckte sie schnell ein paar Schmerztabletten.

Als sie an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, fragte sie sich, wo sie anfangen sollte. Das Schlachtschiff. Die jüngsten Berichte von Kommodor Marphissa waren vor achtundvierzig Stunden eingegangen. Es gab natürlich auch einen ständigen Datenstrom, aber …

Im letzten Moment konnte sie sich davon abhalten, Marphissa eine verärgerte Nachricht zukommen zu lassen. Die Kommodor hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, was eine solche Maßnahme rechtfertigte.