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»Warum sollten Sie mir glauben, wenn ich behaupte, ich werde keine weiteren Tötungen befehlen?«, wollte Drakon wissen.

»Weil ich glaube, dass Sie sich verdammt noch mal etwas wert sind, General Drakon.«

Warum zum Teufel musste ich das jetzt sagen?

Aber gleich darauf lächelte er sie an. »Dann schlage ich Ihnen etwas vor. Ich werde mich einverstanden erklären, ohne Ihre Zustimmung keine Hinrichtungen oder Attentate anzuordnen, und ich werde meine Leute noch einmal eindringlich darauf hinweisen, dass sie auch nicht eigenmächtig tätig werden dürfen. Im Gegenzug …«

»Ja?«

»… nennen Sie mich Artur anstatt General Drakon. Zumindest wenn wir allein sind.«

»Ich weiß nicht. Das ist ein großer Schritt«, gab Iceni zurück. »Wer nennt Sie sonst noch Artur?«

»Niemand. Schon lange nicht mehr.«

»Dann bin ich einverstanden.« Aber wenn du noch einmal mit dieser Frau schläfst, dann wirst du für mich bis zum Ende aller Zeiten »General Drakon« bleiben.

Ehe sie weiterreden konnte, begann ihre Komm-Einheit eilig zu pulsieren. Sie hörte, dass Drakons Einheit gleichzeitig anschlug. »Was ist jetzt los?«, knurrte sie gereizt. »Ich hoffe, das ist was Wichtiges.«

»Das ist es«, erwiderte Togo. »Aktualisieren Sie Ihr Systemdisplay.«

Das über dem Tisch schwebende Bild des Midway-Sternensystems flackerte kurz.

»Verdammt«, murmelte Drakon.

Am Hypernet-Portal wurden Schiffe angezeigt, die ins System gekommen waren. Iceni warf einen Blick auf die Identifizierungen gleich neben den Schiffen. »Eine Syndikat-Flotte.«

»Und sie haben ein Schlachtschiff«, ergänzte Drakon.

»So was haben wir auch.«

»Ja, aber wahrscheinlich ist deren Schlachtschiff voll einsatzfähig.«

Darauf wusste Iceni keine Antwort. »Und sechs Schwere Kreuzer. Wie viele Leichte Kreuzer? Ah, vier. Dazu zehn Jäger.« Selbst ohne das Schlachtschiff hätte diese Flotte ein Problem für Icenis Kriegsschiffe dargestellt, da denen ein einsatzbereites Schlachtschiff fehlte. »Die wollen das System unbedingt zurückerobern.«

»Wir erhalten eine Nachricht von der Flotte.« Drakon betätigte eine Taste.

Ein Fenster öffnete sich vor ihnen, darin tauchte das vertraute Gesicht eines Mannes in CEO-Kleidung auf. »Hier spricht CEO Boyens. An die ehemaligen CEOs Iceni und Drakon. Ich wurde hergeschickt, um dieses Sternensystem wieder der Kontrolle durch die Syndikatwelten zu unterstellen. Sie haben sich beide des Verrats schuldig gemacht. Wenn Sie an einem Deal interessiert sind, dann rate ich Ihnen, mir umgehend ein sehr gutes Angebot zu machen.« Boyens lächelte auf die typische CEO-Weise, die immer eine Spur Überheblichkeit erkennen ließ, dann endete die kurze Nachricht.

Nach längerem Schweigen sah Drakon Iceni an. »Irgendwelche Vorschläge?«

Sie schüttelte den Kopf. »An CEO Boyens’ Mitgefühl zu appellieren dürfte wohl sinnlos sein. Er ist zwar längst nicht der schlimmste Syndikat-Offizier, den ich kenne, aber er ist sehr ehrgeizig. Was können wir ihm anbieten?«

»Als Bestechung?«, fragte er. »Das Wertvollste in diesem System sind momentan wir beide. Wenn Sie wollen, werfe ich eine Münze, damit wir bestimmen können, wer hier wen opfert.«

»Er muss sich nicht mit einem von uns begnügen«, sagte Iceni. »Nicht, wenn er eine so große Streitmacht mitgebracht hat. Was wir brauchen …« Sie brach ab, da ein weiterer Alarm ertönte, diesmal in einer Tonlage, die ihr so vertraut war, dass sie sie niemals würde vergessen können. »Nein!«

Drakon sah sich das Display an, dabei nahm sein Gesicht einen noch düstereren Ausdruck an. »Doch. Die Enigmas sind zurück.«

Die Syndikat-Flotte war vor Stunden durch das Hypernet-Portal ins System gekommen, aber die Enigmas, die durch den Sprungpunkt von Pele eingetroffen waren, hielten sich ebenfalls seit einigen Stunden im System auf. Es war bloß das Licht ihrer Ankunft, das den Planeten erst jetzt erreichte. Boyens würde sie ungefähr zur gleichen Zeit sehen und sich damit abfinden müssen, dass er seine Rückeroberungspläne an die aktuelle Situation anpassen musste.

Iceni beobachtete skeptisch die Symbole der fremden Kriegsschiffe, die in raschem Tempo immer zahlreicher wurden. »Das ist eine große Streitmacht«, sagte sie schließlich und wunderte sich darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. »Die sind nicht hier, um im Vorbeiflug auf uns zu schießen und dann gleich wieder abzuhauen.«

»Das sind genug Kriegsschiffe, um alles menschliche Leben hier im System auszulöschen«, stimmte Drakon ihr zu. »Wenigstens können wir sie jetzt sehen, da unsere Sensoren von den Würmern gereinigt worden sind. Aber wo zum Teufel steckt Black Jack? Was hat er angestellt? Hat er bei ihnen für Unruhe gesorgt und sich dann aus dem Staub gemacht? Und weil er weg ist, wollen die sich jetzt an uns rächen?«

Eine sonderbare kalte Leere überkam Iceni, während sie weiter das Display betrachtete. »Oder die Enigmas haben sich als eine Herausforderung erwiesen, der nicht einmal Black Jack gewachsen war. Falls die seine Flotte ausgelöscht haben, welche Chancen sollen wir denn dann noch haben?«

Drakon überraschte sie mit einem Lächeln, doch dann erkannte sie, dass es mehr wie das Zähnefletschen eines Wolfs aussah, das mit Humor gar nichts zu tun hatte. »Rufen wir Boyens und sagen wir ihm, dass er sich mit uns verbünden soll, wenn er ein Held sein will.«

»Und wenn er gar kein Held sein will? Wenn er lieber die Flucht ergreift, weil er nicht hier sterben will?«

»Die Enigmas werden uns abschlachten«, stellte Drakon fest, dann hob er beiläufig die Schultern. »Bei diesem Kräfteverhältnis werden wir sowieso alle sterben, völlig ohne Rücksicht darauf, was Boyens macht. Aber wenn er uns hilft, könnten wir noch etwas Zeit gewinnen.«

»Und was sollen wir damit anfangen?«, gab sie zurück. »Oder erwarten Sie, dass uns irgendwer helfen wird?«

»Ich weiß nicht«, räumte er ein. »Vielleicht taucht ja in letzter Sekunde Ihr Ritter in strahlender Rüstung auf, um uns zu retten.«

»Ich habe keine Ritter, General Drakon. Eine kluge Frau verlässt sich nie darauf, dass jemand kommt, um sie zu retten.«

»Und worauf verlässt sie sich stattdessen?«, hakte Drakon nach, der das Display betrachtete, als würde er soeben die wenigen Optionen durchrechnen, die ihnen zur Verfügung standen.

Auch Iceni hatte ihren Blick auf die im Angriffsflug befindlichen Enigma-Schiffe gerichtet, denen sich nur die eben erst eingetroffene Syndikat-Flotte sowie die viel zu kleine eigene Flotte entgegenstellen konnten. »Sie verlässt sich auf ihre eigene Urteilsfähigkeit, um herauszufinden, wem sie wirklich vertrauen kann, General Drakon.«

Er lachte zynisch auf. »Und warum sind Sie dann immer noch hier bei mir?«

»Warum haben Sie nicht längst Ihre Waffe auf mich gerichtet?«

Diesmal grinste er sie amüsiert an. »Weil ich nie ein richtig guter CEO gewesen bin. Rufen Sie schon mal Boyens, während ich die Bodenstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetze.«

Vielleicht habe ich ja einen Ritter, überlegte Iceni. Keinen Ritter in strahlender Rüstung, sondern einen aus Dunkelheit und Schatten. Aber vielleicht ist ja auch nur die Rüstung angelaufen. Vielleicht steckt unter dieser Rüstung jemand, der immer noch fähig ist, etwas zu tun, was ihm nicht nur persönliche Vorteile einbringt. Jemand, der – so wie er es mir einmal sagte – wirklich etwas haben will, für das es sich zu sterben lohnt. Oder ist er unter der Rüstung auch mit Makeln behaftet und sieht bloß ein, dass unsere minimalen Chancen restlos schwinden, wenn wir uns gegeneinander wenden, anstatt uns gemeinsam den Enigmas in den Weg zu stellen?