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»Liegen Statusberichte von den übrigen mobilen Streitkräften vor?«, wollte Iceni wissen und nahm im Sessel neben dem Befehlshaber Platz, während ihr Leibwächter nahe der Tür in Stellung ging. Es waren enorme Anstrengungen erforderlich gewesen, um diese Flotte hier im System zusammenzubekommen, auch wenn sie nur ein Schatten jener Reserveflotte war, die früher das Gebiet beschützt hatte. Aber wenigstens hatte sie plausibel klingende Argumente vorgebracht, um die vorhandene Flotte nicht auch noch zu verlieren, und es war ihr gelungen, einige auf der Durchreise befindliche Streitkräfte davon zu überzeugen, hier im System zu bleiben. Außerdem hatte sie aufgehört, Jäger als Kurierschiffe nach Prime zu entsenden, da offensichtlich geworden war, dass die Zentralregierung kein einziges Schiff mehr abreisen ließ, das sich in ihr unmittelbares Einzugsgebiet begeben hatte.

Iceni hatte ihre Autorität unerbittlich ins Spiel gebracht, sie hatte massiv geblufft, und dann waren gelegentlich auch noch Befehle für die mobilen Streitkräfte »verloren gegangen«, die im System eintrafen. Aber als der Marschbefehl für die gesamte Flotte eingegangen war, den man im Gegensatz zu den anderen Aufforderungen nicht einfach verschwinden lassen konnte, da war ihr und Drakon endgültig klar geworden, dass sie in Aktion treten mussten, bevor Kolani von dieser Order erfuhr. Dass sie etwas tun mussten, war ihnen aber schon zuvor bewusst gewesen, als der Befehl betreffs der Überprüfung von CEOs für Hardrad eingetroffen war. Jene Order, die sie in der Warteschleife versteckt hatten, um Zeit zu gewinnen.

Der Lohn für ihre Arbeit waren sechs Schwere Kreuzer – zu denen auch der zählte, auf dem sie sich derzeit befand –, fünf Leichte Kreuzer und klägliche zwölf Jäger. Die gesamte Flotte wäre von Black Jacks Flotte aufgerieben worden, wenn er das gewollt hätte, als er vor Kurzem mit seinen Schiffen das System durchquert hatte. Doch gemessen an dem, was der Regierung der Syndikatwelten oder anderen lokalen Behörden in dieser Region zur Verfügung stand, konnte diese kleine Flotte durchaus genügen, um Midway zu beschützen.

Vorausgesetzt, sie konnte Kolani niederringen und verlor dabei nicht zu viele Kriegsschiffe.

Auf dem vor ihren Augen zum Leben erwachenden Display konnte Iceni die Position jeder Einheit der mobilen Streitkräfte sehen. Bislang hatte kein Schiff den ihm zugewiesenen Orbit verlassen. Die Einheiten in der unmittelbaren Nähe von Kolanis Flaggschiff waren zehn Lichtminuten vom Planeten entfernt, also konnten sie von der Entwicklung auf dem Planeten erst etwas erfahren, nachdem Drakons Angriff bereits zehn Minuten lang lief. Dass es bislang zu keiner Reaktion gekommen war, hieß aber auch, dass Kolani von niemandem einen Tipp erhalten hatte, welchen Plan Drakon und Iceni verfolgten. Kolani hatte eigentlich die gesamte Flotte an einem Punkt konzentrieren wollen, aber Iceni war es dank ihrer eigenen Autorität und einiger plausibel klingender Argumente gelungen, die Flotte in drei Gruppen aufzuteilen.

Eine Gruppe befand sich in einem Orbit nahe dem Planeten, weil Iceni darauf beharrt hatte, dass mögliche Rebellen abgeschreckt werden sollten und deshalb die Schiffe nötig waren. So befanden sich drei Schwere Kreuzer, ein Leichter Kreuzer und vier Jäger in unmittelbarer Nähe des Planeten. Eine zweite Gruppe, bestehend aus zwei Schweren Kreuzern – darunter die C-990 mit Kolani an Bord –, drei Leichten Kreuzern und weiteren vier Jägern, kreiste in einem Orbit, der zehn Minuten weiter vom Stern entfernt lag. Die dritte und letzte Gruppe umfasste nur einen Schweren Kreuzer, einen Leichten Kreuzer und die restlichen Jäger und befand sich bei der zentralen Einrichtung der mobilen Streitkräfte im System, einer immens großen Raumstation, die um einen eine Lichtstunde vom Stern entfernten Gasriesen kreiste. Am dem sternnächsten Punkt des Orbits betrug dessen Entfernung zur bewohnten Welt gut fünfzig Lichtminuten. Da sich aber der Gasriese derzeit fast genau am gegenüberliegenden Punkt des Orbits befand und somit seine maximale Distanz erreicht hatte, war er von Icenis Streitmacht nahezu eineinhalb Lichtstunden entfernt. Wenn diese letzte kleine Gruppe von den aktuellen Entwicklungen erfuhr, hatten Iceni und Kolani womöglich längst entschieden, wer von ihnen tatsächlich das Kommando über die Flotte innehatte.

»Die Datenflüsse der anderen mobilen Streitkräfte zeigen an, dass sie alle in Bereitschaft sind«, erklärte Akiri. »Gewöhnliche Bereitschaft, keine Gefechtsbereitschaft«, ergänzte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Natürlich wäre es möglich, dass sie falsche Daten übermitteln, um uns in die Irre zu führen – so wie wir derzeit auch einen manipulierten Bereitschaftsstatus senden.«

Iceni lächelte humorlos. »Es ist nicht verkehrt, das in Erwägung zu ziehen. Haben Sie in die Datenströme an die anderen Schiffe die Information gegeben, dass ich mich an Bord dieser Einheit hier befinde?«

»Ja, Madam CEO.«

Alle Einheiten, die ihre Autorität anerkannten, sollten sich demzufolge bei ihr melden, sobald sie das Problem der Schlangen an Bord gelöst hatten. Ihr Blick kehrte zum Display zurück. Wenn all diese Befehlshaber letztlich auch Wort hielten, dann hatte sie die Hälfte der Schweren Kreuzer, zwei Leichte Kreuzer und fünf Jäger auf ihrer Seite. Bedauerlicherweise verharrten gerade einer dieser Leichten Kreuzer und auch einer der Jäger eineinhalb Lichtstunden von ihrer Position entfernt.

Akiri betrachtete mit finsterer Miene sein eigenes Display. »C-818 will CEO Kolani folgen. Sie benutzt immer noch die C-990 als ihr Flaggschiff, und ich glaube, der Befehlshaber dieser Einheit steht loyal zu ihr.«

»Das war zu erwarten«, erwiderte Iceni. »Kolani hat die beiden Kreuzer bei sich behalten, bei denen sie sich am sichersten ist, dass sie zu ihr stehen.«

»C-555 und C-413 …«, begann Akiri und benannte damit die beiden anderen Schweren Kreuzer in dieser Gruppe.

»… stehen loyal zu mir«, führte Iceni den Satz zu Ende und bewegte einen Finger auf ihr Display zu. »Aber die C-625 … da draußen am Gasriesen. Das ist noch ein fraglicher Punkt.«

»Ich … kann keine Einschätzung geben«, erklärte Akiri.

»Ich auch nicht. Aber ich vermute, die befehlshabende Offizierin der C-625 wird alles tun, um zu vermeiden, sich für eine von beiden Seiten zu entscheiden, solange sie nicht sieht, wer von uns gewinnt. Der Leichte Kreuzer bei C-625 würde mich unterstützen, wenn er allein wäre, aber wenn er von mobilen Streitkräften umgeben ist, die Kolani treu ergeben sind, dann ist sein Status auch ungewiss. Zwei Jäger aus der Gruppe beim Gasriesen sind erst vor Kurzem ins System gekommen, daher habe ich keine Ahnung, zu wem sie halten werden.«

Marphissa nickte. »Ich habe bislang nicht mal mit jemandem an Bord dieser Jäger gesprochen. Sie haben sich nach der Ankunft bei CEO Kolani gemeldet, aber wir hatten noch nicht mit ihnen zu tun.«

»Aber, Madam CEO«, warf Akiri zögerlich ein. »Wenn Sie daran zweifeln, wie sich diese mobilen Streitkräfte entscheiden werden, warum haben Sie dann zugelassen, dass sie so weit entfernt sind, dass Sie keinen Einfluss auf sie nehmen können? Ich frage das nur, weil ich verstehen und lernen möchte«, fügte er dann hastig hinzu.

Iceni antwortete nicht direkt auf seine Frage. »Haben Sie die Berichte gelesen, die wir über die Kämpfe bei Prime erhalten haben, Sub-CEO Akiri?«

Erneut zögerte er, diesmal war ihm anzusehen, dass er die fragliche Information aus seinem Gedächtnis hervorzuholen versuchte. Bevor ihm das aber gelang, erklärte Marphissa von ihrem Platz auf der Brücke: »Als der neue Rat verkündete, dass er sich konstituiert habe, versuchten einige mobile Streitkräfte, sich ihm anzuschließen. Da aber alle Einheiten dicht beisammen angeordnet waren, konnten die alten Loyalisten alle Überläufer vernichten.«