Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist Ihre Rebellion, Sie müssen tun, was Sie für richtig halten. Ich werde die Angriffsvorbereitungen überprüfen und die Truppen dazu anhalten, dass sie sich wie geplant in Bewegung setzen.«
»Geben Sie Bescheid, wenn sich irgendwelche Probleme abzeichnen«, erwiderte Drakon. »Ich weiß Ihre Unterstützung in dieser Sache zu schätzen.«
»Diese Unterstützung war immer zugesichert«, warf Morgan ein und machte sich daran, den Raum zu verlassen, wobei sie von Malin nun gar keine Notiz mehr nahm.
»Und, Morgan …«
Sie blieb an der Tür stehen.
»Niemand wird die Wachposten töten«, stellte er mit Nachdruck ihr gegenüber klar.
»Das hatte ich schon beim ersten Mal so verstanden«, gab sie zurück und ging nach draußen.
Als die Tür hinter ihr zugefallen war, drehte sich Malin zu Drakon um. »Sir, wenn Morgan die Schlangen davon in Kenntnis setzt, was wir hier planen, dann bekommt sie das Kommando, und Sie werden tot sein.«
Drakon schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das würde sie nicht tun.«
»Sie können ihr nicht trauen, das muss Ihnen doch klar sein.«
»Ich weiß, dass sie mir gegenüber loyal ist«, erklärte Drakon mit ruhiger Stimme.
»Morgan weiß nicht mal, was Loyalität bedeutet. Sie benutzt Sie nur für ihre eigenen Zwecke, über die sie sich natürlich ausschweigt. Sobald Sie für Morgan keinen Nutzen mehr haben, wird sie Sie vermutlich von hinten erschießen oder Ihnen ein Messer in den Rücken jagen.« Demonstrativ hielt Malin sein eigenes Messer hoch, ehe er es in einer fließenden Bewegung wegsteckte.
Morgan hat mir das Gleiche über dich erzählt, ging es Drakon durch den Kopf, während er sich eine Antwort überlegte. »Morgan ist klar, dass sie von den Schlangen keine Belohnung erwarten kann, wenn sie uns ans Messer liefert. Sehr wahrscheinlich würde man sie sogar ebenfalls erschießen, ganz gleich, welche Vereinbarung getroffen wurde. Sie weiß das so gut wie ich. Trotzdem werde ich sie im Auge behalten. So wie ich jeden im Auge behalte.«
»Und deshalb leben Sie auch noch«, meinte Malin und schüttelte den Kopf. »Ich will nicht dazu raten, dass Sie sie aus dem Weg räumen sollen. Aber solange sie lebt, müssen Sie dafür sorgen, dass sie immer irgendwo ist, wo Sie sie im Auge behalten können.«
Schweigend betrachtete er Malin, dann fragte er: »Wollen Sie damit andeuten, dass ich daran, dass sie lebt, etwas ändern sollte?«
»Nein, Sir.«
»Dann sollten Sie auch nicht mit dem Gedanken spielen, das an meiner Stelle zu erledigen. Ich weiß, das gehört zum üblichen Verhalten mancher CEOs gegenüber ihren Untergebenen, aber solche Spiele toleriere ich nicht bei den Angehörigen meines Stabs. Das schadet der Disziplin, und es verwandelt das Arbeitsumfeld in einen Hexenkessel.«
Malin grinste ihn an. »Ich werde Morgan nicht umbringen.« Dann wurde er ernst und sah besorgt auf. »Wir können den ISD auf Planeten ausschalten, und das werden wir auch machen. Aber solange die mobilen Streitkräfte im System nicht auch unschädlich gemacht werden, sitzen wir hier auf dem Präsentierteller. CEO Kolani wird sich auf die Seite der Syndikat-Regierung und der Schlangen stellen.«
»Wenn es uns gelingt, die ISD-Schlangen auf dem Planeten unschädlich zu machen, wird sich CEO Iceni um CEO Kolani und die mobilen Streitkräfte kümmern.« Das will ich jedenfalls hoffen.
»Sir, wenn Sie gestatten«, sagte Malin übertrieben bedächtig. »Soweit ich weiß, haben Sie und CEO Iceni sich darauf geeinigt, gemeinsam die Führung zu übernehmen. Ihre Ansicht ist gerechtfertigt, dass es in CEO Icenis eigenem Interesse ist, sich an diese Vereinbarung zu halten. Aber wie wollen Sie diese Welt führen, Sir? Ich meine, ich weiß, dass Sie genug haben von der Syndikat-Regierung …«
»Die Syndikat-Regierung steht mir bis hier!«, fiel Drakon ihm ins Wort und hielt eine Hand über Kopfhöhe. »Ich habe genug davon, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden.« Es war ein seltsames Gefühl, so etwas auf einmal laut aussprechen zu können, nachdem sie die Spionageausrüstung der Schlangen abgeschaltet hatten. »Ich habe genug von Bürokraten, die hundert Lichtjahre entfernt sind und Anweisungen erteilen, die hier bei uns über Leben und Tod entscheiden.«
Malin nickte zustimmend. »Viele denken genauso, aber das haben die meisten für sich behalten, selbst im engsten Familienkreis. Doch mir ist nicht klar, durch welches System das des Syndikats ersetzt werden soll.«
»Ach, wirklich?«, gab Drakon ironisch zurück. »Mir ist es auch nicht klar. Iceni und ich konnten bislang nicht darüber reden, solange wir belauscht wurden. Das Risiko, vom ISD erwischt zu werden, war einfach zu groß. Wir sind der gleichen Meinung, dass wir uns nicht länger vom Syndikat unterdrücken lassen wollen, weil die Syndikat-Regierung ihre Unfähigkeit zweifelsfrei unter Beweis gestellt hat. Wir können auch nicht länger davon ausgehen, dass diese Regierung unser Sternensystem beschützen wird und wir damit sicher aufgehoben sind. Das war ja immer das Argument: Wir müssen diese rigorose Kontrolle in Kauf nehmen, damit wir im Gegenzug ein Leben in Sicherheit führen können. Sie und ich, wir beide wissen, was für ein Irrglaube das war. Und inzwischen ist uns auch bekannt, dass die Syndikat-Regierung versucht, die Kontrolle zu behalten, indem sie alle CEOs austauscht und jeden hinrichten lässt, dessen Loyalität in irgendeiner Weise angezweifelt wird. Entweder man probt den Aufstand oder man stirbt. Bei allem anderen … nun, Iceni und ich werden uns ausgiebig unterhalten, wenn die Schlangen tot sind.«
»Das System des Syndikats ist gescheitert, Sir«, pflichtete Malin ihm bei. »Die Kontrolle hat immer existiert, aber den versprochenen Schutz hatten wir nie bekommen. Ich möchte Ihnen dringend raten, einen anderen Regierungsansatz in Erwägung zu ziehen.«
Drakon musterte den Mann und wusste, warum der dieses Thema nicht in Morgans Gegenwart zur Sprache gebracht hatte. Sie hätte zweifellos voller Verachtung auf jede Überlegung reagiert, bei der nicht mindestens von einer Diktatur der stählernen Faust die Rede war. »Ihr Ratschlag ist zur Kenntnis genommen. Für den Augenblick allerdings steht das Überleben an erster Stelle. Wenn uns das gelingt, werden wir uns überlegen, wie man regieren kann, ohne die Fehler des Syndikats zu wiederholen. Ich möchte nicht, dass jemand wie die Schlangen für mich arbeitet, um die Bürger im Zaum zu halten. Aber ich weiß auch, dass wir Ordnung brauchen, und das setzt wiederum ein Mindestmaß an Kontrolle voraus. Ich werde jetzt erst mal mit Iceni reden. Sie muss wissen, dass der Geheimdienst nichts mehr sieht und hört, damit wir uns beide auf den nächsten Schritt vorbereiten können.«
»Erledigen Sie das persönlich, Sir. Auch wenn wir davon ausgehen dürften, dass ISD nichts mehr mitbekommt, kann es immer noch irgendwelche Überwachungsanlagen geben, die uns bislang nicht aufgefallen sind.«
»Ich will so etwas nicht hoffen«, sagte Drakon und nickte Malin zu, bevor er den auf zahlreichen, längst nicht mehr aktiven Ebenen gesicherten Raum verließ. Die Sensoren beobachteten ihn, aber sie sahen nichts, also schickten sie routinemäßige Bilder von leeren Gängen und versiegelten Türen zu ihren Herren und Meistern des ISD; zu den Männern und Frauen, die verantwortlich waren für die äußerst große Bandbreite an Maßnahmen, die man auf den Planeten der Syndikatwelten als der Inneren Sicherheit dienend eingestuft hatte. Er ging an dem gepanzerten Raum vorbei, wo zwei der übergelaufenen Wachen standen und so taten, als wäre ihnen nichts aufgefallen. Ein Stück weiter erreichte er den neuen, geheimen Zugang zum Gebäude, den man vom benachbarten Bauwerk aus in mühevoller Kleinarbeit gegraben hatte. Diese Operation war eine äußerst komplizierte Angelegenheit gewesen, da nicht nur Alarmanlagen und Sensoren umgangen und überlistet werden mussten, sondern auch das Stillschweigen der übergelaufenen Wachleute zu gewährleisten war. Durch den grobschlächtig ins Fundament gehauenen Gang gelangte Drakon in das Untergeschoss eines Einkaufszentrums. Die dortigen Überwachungskameras konnte er getrost ignorieren, da auch sie inzwischen abgeschaltet waren. Dann ging es eine Treppe hinauf und durch eine Tür mit der Aufschrift Nur für Personal, deren Kombinationsschloss schon vor langer Zeit unbrauchbar gemacht worden war.