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Sie hatte sich im Midway-Sternensystem aufgehalten und ihm eine Nachricht zukommen lassen. Und doch war ein Treffen unmöglich.

Heute Abend war er von der Besprechung geradewegs nach Hause gegangen. Doch obwohl er eine Strecke ganz ohne Umwege gewählt hatte, achtete er darauf, nicht etwa mit gleichmäßiger Geschwindigkeit einer schnurgeraden Linie zu folgen. Die auf dem Schlachtfeld erlernten Reflexe waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen, und so wurde er beim Gehen instinktiv mal langsamer, dann wieder schneller, mal hielt er sich mehr links, mal mehr rechts, und sorgte dafür, dass sich immer irgendwelche Objekte zwischen ihm und einem möglichen Schützen befanden, die dem das Zielen erschwerten. Auf dem Schlachtfeld war das von Nutzen, aber es machte jeden rasend, der mit ihm einen Spaziergang unternahm, weshalb er sich bei diesen Gelegenheiten regelrecht dazu zwingen musste, gerade und gleichmäßig zu gehen. War er dagegen allein unterwegs, übernahmen seine Instinkte wieder die Regie.

Als Folge einer dieser abrupten Bewegungen verfehlte ihn dann auch der abgefeuerte Schuss, der nur leicht seinen Hinterkopf streifte.

Er warf sich nach vorn, rollte sich hinter den nächsten Laternenmast und hielt bereits die Waffe in der Hand, während er die Dunkelheit nach seinem Attentäter absuchte. Die Straßenlampen schalteten sich ein, nicht wegen der fortgeschrittenen Dunkelheit, sondern weil die Sensoren den Schuss registriert hatten, durch die auch Sirenen ganz in der Nähe ausgelöst worden waren. Bald würde die Polizei eintreffen, und er würde Bericht erstatten, damit sie nach dem Schützen suchen konnten.

Rogero wusste, dass sie niemanden finden würden. Das hier sah zu sehr nach dem Werk eines Profis aus. Mit der freien Hand tastete er nach der Verletzung an seinem Hinterkopf. Jemand hatte ihn umbringen wollen, und dabei war es gar nicht so wichtig, wer dieser Jemand war. Was eigentlich zählte, war die Frage, wer ihm diesen Auftrag gegeben hatte. Oder war Rogero dieses Mal mit dem Leben davongekommen, weil es sich nur um einen Warnschuss gehandelt hatte? Falls dem so war, stellte sich immer noch die Frage, wer ihm diese Warnung mit auf den Weg geben wollte. Und war diese Warnung für ihn persönlich oder nicht viel eher für General Drakon bestimmt gewesen?

Fest stand nur eines: Der Schütze hatte von seinem Treffen mit Präsidentin Iceni gewusst, und ihm waren auch Ort und Uhrzeit bekannt gewesen. Nur so hatte er in der Lage sein können, Rogero auf dem anschließenden Weg nach Hause aufzulauern.

»Bombardement beginnen«, befahl Drakon. Er stand mitten in der Kommandozentrale der Freien Taroaner und hielt den Blick auf das große Kartendisplay gerichtet. Das war eigens gedreht und weiter nach oben verschoben worden, damit er das gesamte Geschehen überschauen konnte. Eigentlich wäre er auch da draußen gewesen, wo der Angriff ablief, doch zu viele Dinge spielten sich momentan gleichzeitig ab, weshalb er sich irgendwo aufhalten musste, von wo aus er den Überblick über die Ereignisse hatte und zugleich möglichst wenig abgelenkt werden konnte.

Die Flugbahnen der kinetischen Projektile, die von den im Orbit kreisenden Kriegsschiffen abgefeuert worden waren, tauchten auf dem Display auf: Ihre Flugbahnen stellten sich in Form makelloser Kurven dar. Es sah aus, als handele es sich bei den Geschossen um präzise gelenkte Regentropfen. Alle Projektile waren dabei so aufeinander abgestimmt, dass sie exakt zur gleichen Zeit einschlagen würden. Anstatt sie einfach querbeet in die drei anvisierten Täler hineinstürzen zu lassen, bewegten sie sich wie ein Vorhang nach unten, der die Verteidigungsanlagen an den Talrändern und entlang der Küstenlinie ausschalten sollte.

An den gegenüberliegenden Hängen dieser Gebirgsketten warteten Drakons Brigaden, die von einem Teil der Streitkräfte der Freien Taroaner unterstützt wurden. Drei Brigaden, drei Täler, jedes Tal verteidigt von einem unterbesetzten Bataillon – eine überwältigende Streitmacht, die gegen den harten Kern der Loyalisten vorrücken sollte. An einem Sieg gab es nicht den geringsten Zweifel, doch das reichte nicht: Wenn sie es nicht auf die Sekunde genau abstimmten und den Schlangen noch genug Zeit blieb, um alles in die Luft zu sprengen, dann würde der militärische Sieg einen schalen Beigeschmack haben. Ganz zu schweigen davon, dass er dann noch viel mehr Verluste in seinen Reihen zu beklagen hätte.

Drakons Blick blieb auf die herabstürzenden Projektile gerichtet. Nichts weiter als gezielt abgeworfene Metallblöcke, die mit jedem Meter, die sie in die Tiefe fielen, an Energie zulegten. Die Strecke vom Orbit bis zur Planetenoberfläche betrug sehr viele dieser Meter, und die Geschosse waren schon mit einer beträchtlichen Geschwindigkeit abgefeuert worden. Die Sekunden bis zum Aufprall vergingen rasend schnell, und dann schlugen die Projektile auch schon ein.

Es sah aus, als wären entlang der Hänge zahllose kleine Vulkane ausgebrochen. Felsbrocken und Staub wurden aufgewirbelt und der Grund erschüttert. Das Ganze wurde von einem anhaltenden Grollen begleitet, in dem der Lärm der aufprallenden Einzelprojektile unterging. Alle Verteidigungsanlagen entlang der Hänge wurden ausgelöscht, nichts als Geröll blieb dort, wo sie eingegraben gewesen waren.

Drakon hatte sich bereits ganz in der Nähe solcher Bombardements aufgehalten. Wenn er die Augen schloss, konnte er sehen, was passierte, wenn die Steine einschlugen. Manchmal waren sie von Syndikat-Kriegsschiffen abgeworfen worden, um die Verteidigung der Allianz zu zermalmen, ehe er und seine Soldaten zum Einsatz kamen und ein Gebiet einnahmen. Andere Male kamen sie aber auch von Allianz-Schiffen, die es auf ihn und seine Leuten abgesehen hatten. Männer und Frauen wurden von diesen Geschossen genauso ausgelöscht wie ganze Gebäude, sodass verlassene Schlachtfelder zurückblieben, die den trügerischen Anschein vermittelten, als hätte der Konflikt gar keine Opfer gefordert, gab es doch keine Toten zu sehen. Das ist die wahre Hölle. Nicht dieser Ort, an dem man von Feuer und Dämonen in Empfang genommen wird, sondern ein Ort, den der Tod besucht hat. Ein Ort, von dem nichts übrig ist, weil die Leute ausgelöscht worden und alle Hinweise verschwunden sind, dass hier je ein Mensch gelebt hat.

Ich weiß, wie Colonel Gaiene sich fühlt. Ich bin es leid, irgendwelche Orte in die Hölle zu verwandeln.

Allerdings wüsste ich nicht, wie ich das anders lösen sollte, ohne dass dabei noch viel mehr Menschen dabei ihr Leben verlieren.

Der Wachposten, der ungläubig mit ansah, wie die gewaltigen Detonationen alles auslöschten, lebte nicht lange genug, um zu verstehen, dass sich Roh Morgan in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt. Nur einen Moment später wurde das von ihm bewachte Fahrzeug von einer Haftmine zerfetzt, die auch den Fahrer tötete. Während das Bombardement für Ablenkung sorgte, führten getarnte Kommandosoldaten, die im Verlauf der letzten Tagen unbemerkt in die ausgewählten Regionen eingedrungen waren, gezielte Anschläge aus, um mobile Verteidigungsanlagen unschädlich zu machen. Die waren dort positioniert worden, wo es von Zivilbevölkerung nur so wimmelte, weil sie wussten, dass die Gegenseite sich unter diesen Umständen wohl eher gegen ein Bombardement entscheiden würde.