»… dann werden wir einen wirklich gehörigen Tritt in den Hintern bekommen«, erwiderte Drakon gelassen. »Ich dachte mir, dass das so kommen würde. Wenn wir jetzt umkehren oder auch nur zögern, wird es nur noch riskanter werden.«
Sie lächelte ihn ironisch an. »Da wir beide den Kopf werden hinhalten müssen, will ich hoffen, dass Sie recht haben.«
Ich auch. »Malin wird das Hauptquartier der Schlangen ausschalten.«
Die Hauptgruppen der Brigaden trafen an ihren Zielen ein. Shuttles setzten hart auf, Soldaten in Gefechtsrüstung quollen in Massen aus den Fahrzeugen. Die Verteidiger, die schwer getroffen und ins Chaos gestürzt worden waren, was den im Kommandonetz der Schlangen platzierten Fehlinformationen aussendenden Einrichtungen zu verdanken war, leisteten an einigen Positionen Widerstand, während andere Einheiten sich ergaben.
»Die Kommandoverbindungen in diesem Tal sind unterbrochen«, meldete Colonel Kai, der selbst im schlimmsten Kampfgetümmel völlig gefasst wirkte.
»Wie können Sie sich sicher sein, dass Sie alle Kommandoverbindungen erwischt haben?«, wollte Kamara wissen.
»Weil wir mit Ausnahme unserer eigenen alle Komm-Verbindungen in diesem Tal unterbrochen haben. Dieser Teil Ihrer Infrastruktur lässt sich leichter wiederherstellen, als wenn das ganze Gebiet nur noch ein einziger großer Krater wäre«, gab Kai zurück.
Ehe Kamara etwas dazu sagen konnte, wurden sie durch eine weitere eingehende Mitteilung abgelenkt.
»Verdammt noch mal!«, brüllte Colonel Gaiene.
Drakon richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf Gaienes Einheit und entdeckte eine Fülle von roten Markierungen mitten zwischen Gaienes Soldaten. »Con, soll ich Ihnen die Reserve schicken?«
»Verdammt nein! Aber die haben uns genau auf der Schlangenkaserne für dieses Tal abgesetzt statt eine Straße weiter! Wie immer taugt dieser Geheimdienst für gar nichts!« Während Gaiene redete, feuerte er auf den Gegner und drehte sich dabei um sich selbst, um in alle Richtungen zu schießen, aus denen ihm die Feinde entgegenkamen.
Es war den Schlangen gelungen, lokale Störsender auszulösen. Dies und das wilde Durcheinander aus Soldaten und Schlangen sorgten dafür, dass Drakon Mühe hatte, das Geschehen auf dem Display nachzuvollziehen, wo Markierungen hin und her sprangen, erloschen und dann doch wieder aufleuchteten. »Ich schicke Ihnen die Reserve, Con«, entschied er. Er hatte nur zwei Züge zur Verfügung, aber womöglich genügte das ja auch. Dummerweise würde es einige Zeit dauern, bis diese Züge am Ziel eintrafen, selbst wenn die Shuttles mit Höchstgeschwindigkeit im Einsatz waren.
»Das können Sie sich sparen«, wehrte Gaiene ab. »Ich habe Munition in Massen und genügend Soldaten. Das Einzige, was hier allmählich knapp wird, sind unsere lebenden Zielscheiben!«
Kamara starrte auf das Display, auf dem die roten Markierungen sich rasend schnell in Luft auflösten, als würden Seifenblasen zerplatzen. »Und ich dachte, er ist nur ein betrunkener Lustmolch.«
»Ist er auch«, bestätigte Drakon. »Aber im Gefecht ist er auch ein verdammt guter Soldat.«
»Unterbrecht alles!«, befahl Gaiene seinen Truppen. »Trennen Sie jede Komm-Verbindung, die Sie finden können. Wohin die verlaufen, darüber können wir uns später immer noch den Kopf zerbrechen.«
Drakon betrachtete die Situation in Gaienes Tal, dann befasste er sich mit der Lage, in der sich Kai und Morgan befanden. Den Loyalisten und den Schlangen wurde zügig ein Ende bereitet. Aber da die Komm-Leitungen unterbrochen waren, verloren auch die Vorrichtungen ihren Sinn, deren verwirrende und falsche Meldungen nicht mehr an die Schlangen übermittelt wurden. Malin, Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit, bis die Befehlshaber der Schlangen merken, wie hoffnungslos ihre Situation längst ist.
Von einer geschützten Position auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus betrachtete Bran Malin das völlig unscheinbare Gebäude, über das sein Tarnanzug ihm meldete, dass es mit Verteidigungsanlagen vollgestopft war. Durch die Fenster hatte er im Inneren Gestalten in gepanzerter Rüstung hin und her eilen sehen, so schnell sogar, dass er sie fast nicht bemerkt hätte. Obwohl von allen Seiten Gefechtslärm zu hören war, da der größte Teil von Colonel Senskis Brigade im Tal gelandet war, hatte bislang niemand das Gebäude verlassen. Das lag zum Teil natürlich auch an den Vorrichtungen, die die Schlangen im Unklaren darüber ließen, was nun wirklich los war. Doch da die eindeutige Geräuschkulisse inzwischen so nahe gerückt war, dass man sie hier deutlich hören konnte, hätte man annehmen sollen, dass man zumindest jemanden nach draußen auf die Straße geschickt hätte, um sich ein Bild von dem zu machen, was hier im Tal los war. Das alles konnte nur bedeuten, dass diejenigen, die sich im Inneren befanden, vor allem eines nicht tun wollten: sich vor der Tür blicken lassen.
Zahlreiche über Land verlaufende Leitungen mit umfassender Sicherheitsabschirmung hatten ihn vom Krater des ursprünglichen Hauptquartiers zu diesem Bauwerk hier geführt. Malin war der Spur gefolgt, und nun bewertete er das Gebäude. In den höheren Etagen befanden sich Wohnungen, was von oben betrachtet eine gute Tarnung darstellte. Zu dieser Täuschung gehörte auch die Tatsache, dass Bürger zu jeder Tagesund Nachtzeit kamen und gingen. Allerdings bedeutete das auch, dass sich jetzt wahrscheinlich Zivilisten in den Wohnungen aufhielten, selbst wenn Malin niemanden sehen konnte.
Sollte er ein weiteres Orbitalbombardement anfordern und so sicherstellen, dass die Schlangen nicht noch in letzter Sekunde den Weltuntergang auslösten, um alle anderen mit sich in den Tod zu reißen? Malin musterte die Fenster der Wohnungen und wusste, ihm blieben nur noch Sekunden.
Man tut, was getan werden muss. Manchmal muss der eine oder andere geopfert werden. Die Entscheidung liegt in meinen Händen, und wenn ich mich geirrt haben sollte, lastet die Schuld auf mir.
Er rief den Kreuzer, dann zog er sich in der kurzen Zeit bis zum Auftauchen von drei Projektilen auf ihrem Weg durch die Atmosphäre weit genug zurück und begab sich in einen anscheinend verstärkten Luftschutzbunker. Dort legte er sich flach auf den Boden, gleich darauf wurde durch die Stoßwellen vom Einschlag der Projektile alles aus den Regalen auf den Fußboden geschleudert. Dabei versuchte er, seine Gedanken nicht auf die Leute zu konzentrieren, die beim Bombardement umgekommen waren, sondern stattdessen auf den höheren Zweck, den er mit seiner Arbeit verfolgte.
Ein blinkender Alarm ließ ihn wissen, dass nicht länger auch nur ein einziger aktiver Befehlsknotenpunkt der Schlangen feststellbar war. Dann verdrängte er das Triumphgefühl hinter jene Barrieren, hinter denen schon sein Bedauern so gut versteckt war, und schickte das Signal mitsamt dem Bericht ab, dass er seinen Auftrag erledigt hatte.
Drakon spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel, als die Markierung von Malins Missionsstatus plötzlich auf Grün umschlug. »Also gut, wir bringen das jetzt zu Ende«, teilte er seinen Colonels mit.
»Wir sind fertig«, meldete Colonel Gaiene auf einem privaten Kanal außerhalb des Kommandonetzes. »Hier gibt’s keine Schlangen mehr, die wir töten könnten. Die Bürger verhalten sich durchweg exzellent. Und uns haben sich so viele Loyalisten ergeben, dass gut eine Kompanie zusammenkommt. Die stammen aus verschiedenen Einheiten, allerdings sind das alles Einheiten, die auf der Liste der Freien Taroaner den Vermerk ›Töten, nicht gefangen nehmen‹ tragen.«
Drakon blickte Sub-CEO Kamara an, die mit einigen ihrer Befehlshaber darüber redete, in die Täler einzumarschieren, die von Drakons Leuten eingenommen worden waren. »Ich nehme an«, erwiderte er, »dass alle, die sich ergeben haben, behaupten, sie hätten mit den begangenen Grausamkeiten nichts zu tun.«