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„Mr. Corry?“

„Treten Sie ein. Wir kennen uns ja. Was führt Sie hierher?“

„Ich habe in den Zeitungen davon gelesen, was mit meinem Chef passiert ist. Ich sollte in Paris auf ihn warten. Aus den Nachrichten habe ich auch erfahren, daß Sie heute vormittag die Leiche Ihres Vaters identifiziert haben. Da bin ich vorbeigekommen.“

„Treten Sie doch näher. Wollen Sie einen Drink?“

„Ich kann einen vertragen. Die Geschichte mit dem Chef hat mich doch einige Nerven gekostet.“

William schenkte ihm einen Bourbon ein. Mike Nagenguest stürzte ihn in einem Zug hinunter.

„Ich könnte nicht behaupten, daß mir jetzt schon wesentlich wohler wäre.“

William drückte ihm die Flasche in die Hand. „Bedienen Sie sich, bis Sie sich wohler fühlen.“

„Nein, danke. Mehr als ein Glas trinke ich nie. In meinem Beruf muß man fit bleiben.“

„Ihr Beruf war es doch, meinen Vater - na, sagen wir mal - abzuschirmen. Warum waren Sie vor drei Tagen nicht bei ihm?“

Mike Nagenguest setzte sich. Er verschränkte seine starken Arme vor der Brust.

„Ihr Vater wollte es nicht. Wenn er ein amouröses Abenteuer vorhatte, verzichtete er auf uns.“

„Was heißt, uns?“

„Ich habe noch einen Kollegen. Randall Scott. Er hat Urlaub bekommen. Drüben in Cincinnati ist seine Mutter gestorben.“

„Wissen Sie, mit wem er dieses amouröse Abenteuer erleben wollte?“

„Natürlich. Wir haben die Frau vorher überprüft. Sie heißt Chantal Valet.“

„Sie war hier, als mein Vater ermordet wurde?“

„Ob sie zu diesem Zeitpunkt noch hier war, weiß ich nicht. Aber ich habe sie hier abgeliefert. Sie ist eine Edelnutte aus Paris.“

„Was wissen Sie noch von ihr?“

„Ihr Vater hat sie auf einer dieser langweiligen Partys kennengelernt. Er war sehr beeindruckt von ihr. Sie ist durch und durch Französin, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

„Hat Chantal einen Louis, einen…? Na, Sie wissen schon!“

Mike Nagenguest räusperte sich. „Einen Zuhälter, meinen Sie? Sie hat einen. Wir haben auch ihn überprüft. Aber nur oberflächlich. Er heißt Pierre Margent und hat in der Pariser Unterwelt einiges zu sagen. Genau weiß ich es ja nicht, aber alles deutet darauf hin, daß er seine Kohlen mit Falschgeld macht.“

„In eigener Produktion?“

Mike Nagenguest Schaute ihn verwundert an. „Dasselbe hat Ihr Vater mich auch gefragt. Ich finde überhaupt, daß Sie eine verdammte Ähnlichkeit mit ihm haben. Wenn Sie einen Zentner mehr hätten, Sie wären ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie sind auch genauso hartnäckig. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Pierre Margent ist nur Zwischenhändler für die Blüten. Aber ich habe da einiges läuten gehört, als würde er selbst eine Fabrik gründen.“

„Wäre das Schloß ein geeigneter Standort?“

„Dieses hier? Ich habe es noch nicht genau betrachtet. Aber es ist ziemlich abgelegen, nicht wahr? Hat es auch irgendwelche unterirdische Gewölbe mit Geheimzugängen und so?“

„Es sieht so aus.“

„Dann wäre Chateau Brumbeau mit Sicherheit ein geeigneter Standort.“

„Wollen Sie für mich arbeiten, Mr. Nagenguest?“

„Ihr Vater zahlte zweitausend Dollar im Monat.“

„Den Preis halte ich.“

„Was habe ich zu tun? Mord ist nicht mein Metier. Das habe ich Ihrem Vater auch schon gesagt.“

„Das meine ich auch nicht. Sie sollten jemand für mich beschatten. Er heißt Alan Grenouille und ist der Sohn des alten Butlers. Ich möchte über jeden seiner Schritte informiert sein. Vor allem interessiert mich, ob eine Beziehung zwischen ihm und diesem Pierre Margent besteht.“

„Geritzt, Boß. Wo finde ich ihn jetzt?“

„Ich nehme an, er ist irgendwo im Haus.“

Inspektor Truffaut hatte eine Pechfackel aus dem Regal am Eingang zum Keller genommen und sie entzündet. William war seinem Beispiel gefolgt.

Truffaut kannte den Weg. Eine Wendeltreppe wand sich vom Weinkeller hinab in das nächstuntere Stockwerk. Sie hatte kein Geländer. William malte sich aus, daß man hier jederzeit einen Mann hinunterstoßen konnte. Oben im Haus würde man den Todesschrei nicht einmal hören.

Nach der Wendeltreppe verengte sich der Gang immer mehr. Sie mußten hintereinandergehen.

„Was haben Sie über Chantal Valet herausgefunden?“ fragte William.

Inspektor Truffaut wandte sich nicht um. „Bei der Polizei ist sie nicht registriert. Ich habe gar nichts herausgefunden.“

„Und bei der Sitte?“

„Ich habe überall gefragt. Warum interessieren Sie sich für die Dame?“

„Hauptsächlich privat“, log William. „Aber sie war auch eine Freundin meines Vaters.“

Inspektor Truffaut blieb abrupt stehen.

„Hat diese Dame etwas mit dem Mord an Ihrem Vater zu tun?“

„Nicht, daß ich wüßte“, antwortete William. „War nur so 'ne Idee von mir, Sie nach dieser Dame zu fragen. Es wäre nicht nötig gewesen. Mein Vater hatte viele Freundinnen.“

Truffaut ging weiter. „Wir sind gleich da.“

Der Gang verbreitete sich wieder und mündete in die Kammer mit der Guillotine. Im tanzenden Schein der Fackeln konnte man sehen, daß noch drei weitere Gänge in der Kammer mündeten.

„Haben Sie die Pläne für die unterirdischen Gewölbe des Schlosses?“ fragte William Corry beiläufig.

„Gibt es welche?“ fragte der Inspektor.

„Hätte ja sein können“, meinte William.

Truffaut wurde nicht mißtrauisch. Seine Aufmerksamkeit wurde von der Guillotine gefangengenommen.

„Tatsächlich“, sagte er. „Das Fallbeil hängt wieder. Meine Beamten haben das mit Sicherheit nicht gemacht. Ich habe diesen Raum als letzter verlassen.“

„Das Fallbeil hängt.“

„Das sehe ich. Sehr undurchsichtig. Wo ist die Tür zum Geheimgang, von dem Sie mir am Telefon erzählt haben?“

William trat neben den Polizeibeamten. „Hier irgendwo müßte sie sein. Von dieser Seite aus weiß ich nicht, wie man sie öffnet. Aber es muß eine Möglichkeit geben.“

Der Amerikaner klopfte mit den Knöcheln seiner Hand die Wand ab. Überall waren quaderförmige Steine. Doch an einer Stelle klangen sie hohl.

„Hier müßte es sein. Ich erinnere mich. Hier ist es auch.“

Corry dachte nach, wie die Tür von dieser Seite zu öffnen sei. Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit. Er tastete die Wand nach Fugen ab, und er fand auch einen haardünnen Riß. Danach tastete er sich weiter nach rechts. Er versuchte die Quaderattrappen zu lockern. Bei einem Quader gelang es ihm. Er gab nach. Er ließ sich ein kleines Stück herausziehen. Auf der anderen Seite war ein gußeiserner Stift, nur ein Teil der Halterung, die den Schließbalken hielt. Der Balken fiel nach unten. Man hörte ihn deutlich zu Boden poltern.

William riß an den imitierten Quadern. Die Tür schwang auf.

„Das war es.“

William Corry atmete zufrieden auf.

„Das war es“, sagte auch Inspektor Truffaut. Doch dann erschrak er.

Ein Kopf rollte ihm vor die Füße.

Es war der von Alan Grenouille.

Inspektor Truffaut bekam fast einen Anfall. Sein Atem pfiff keuchend aus den Lungen. Seine Brust hob und senkte sich. Schweiß perlte glänzend auf seiner Stirn.

„Ich kenne den Mann“, sagte er.

„Ich auch“, meinte William. „Es ist der Sohn vom Butler.“

„Aber was für einen Sinn hat es denn, wenn jemand ihn umbrachte.“

„Das weiß ich auch noch nicht. Aber sehen Sie! Dort!“

William Corry gefror das Blut in den Adern. Aus dem Raum mit der Guillotine drang Licht. Ein bläuliches gespenstisches Licht. Zögernd trat er einen Schritt in die Kammer hinein.

Die Gestalt war überlebensgroß. Sie schien knapp über dem Boden zu schweben. Eine Hand mit geisterhaft weißen Fingern hielt den Strick umfaßt, der das Fallbeil löste.