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„Sie müssen Monsieur Corry sein“, sagte er. „Meine Tochter hat mir schon von Ihnen erzählt. Sie sind doch Monsieur Corry?“

„Ja, der bin ich. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Sie haben eine sehr reizende Tochter.“

„Hm“, brummte der Mann und hielt dieses Thema damit für abgeschlossen. „Werden Sie lange bleiben? Ich meine: Wollen Sie das Schloß wieder verkaufen? In der Zeitung habe ich gelesen, daß Sie ein Rechtsanwalt aus Boston sind.“

„Ich weiß es noch nicht“, gestand William ehrlich. „Doch vermutlich werde ich den Besitz behalten. Ich möchte auch Sie behalten. Noch nie habe ich einen schöneren Garten gesehen.“

Jean Cranisse stemmte seine Arme in die Hüften und ließ seinen Blick über die Anlage schweifen, als gehörte sie ihm. In gewisser Hinsicht war es ja auch so. Er hatte jede Blume hier gepflanzt, von ihm stammten die geometrischen Muster der Rabatten, er hatte jeden einzelnen Stein der Begrenzungsmauern aufeinandergeschichtet. Dieser Garten war sein Leben.

„Er ist nicht schlecht“, sagte Cranisse.

„Machen Sie weiter wie bisher. Besser kann es niemand machen.“

„Ich hänge an dem Garten. Ich versorge ihn schon seit zwanzig Jahren.“

„Sie kannten meinen Vater?“

„Sie sollten mich fragen, ob ich ihn gesehen habe. Ja, gesehen habe ich ihn. Aber gekannt habe ich ihn nicht. Er kümmerte sich nicht um den Garten.“

„Mein Vater hatte kein sonderliches Interesse an der Natur.“

„Er war nicht glücklich. Sie mögen Blumen? Den Duft von Heu, das in kleinen Ballen auf den Wiesen trocknet? Den Regen, wenn er vom Himmel fällt und den Gräsern ihr saftiges Grün verleiht?“

„Ich bin in jeder freien Minute draußen“, sagte William Corry. Er wollte den Gärtner für sich gewinnen. Teils aus Berechnung, teils weil er ihm wirklich sympathisch war. „Ich habe nur leider viel zu selten Gelegenheit dazu. Wenn man von Boston, meiner Heimatstadt, nach Westen fährt, kommt man in die Green Mountains. Auch dort ist das Gras grün und saftig wie hier. Leider wächst bei uns kein Wein.“

„Ein Weinberg gehört auch zum Schloß.“

„Das wußte ich gar nicht. Sie müssen ihn mir bei Gelegenheit unbedingt einmal zeigen.“

„Sehr gerne, Monsieur.“

„Aber das geht jetzt noch nicht. Sie verstehen? Ich habe sehr vieles zu erledigen.“

„Verstehe ich.“

„Waren Sie nicht dabei, als man meinen Vater fand?“

Jean Cranisse nickte.

„Traurige Geschichte.“

„Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Raum zu zeigen? Mit Richard komme ich nicht zurecht.“

„Er ist stumm“, sagte Cranisse. „Auch eine traurige Geschichte. Früher konnte er reden wie ein Buch. Aber dann haben ihn die Nazis die Zunge herausgeschnitten. Oder war's die Resistance? Ich weiß es nicht. Waren ziemlich wirr, die Zeiten damals.“

„Zeigen Sie mir den Raum, in dem das mit meinem Vater passiert ist?“

Jean Cranisse zögerte.

„Ungern“, sagte er schließlich. „Ich gehe nicht gern in die Gewölbe. Ich bekomme Platzangst, wenn ich den Himmel nicht über mir sehe. Aber ich tu's, weil Sie es sind.“

Er legte die Harke beiseite, die er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. William wollte sich zum Schloß wenden.

„Wir brauchen nicht bis ins Schloß zurück“, sagte Jean Cranisse. „Der ganze Platz darunter ist durchlöchert wie ein Ameisenhaufen. Als ich vor fünf Jahren diese Treibhäuser angebaut und vergrößert habe, bin ich auf einen Gang gestoßen, der wahrscheinlich früher verschüttet wurde. Er führt genau in die Kammer mit der Guillotine. Wollen Sie wirklich hin, Monsieur?“

„Ja“, sagte William gepreßt. „Führen Sie mich bitte. Einmal muß ich diese Kammer sehen.“

„Dann folgen Sie mir.“

Jean Cranisse betrat das größere der beiden Treibhäuser. Er züchtete darin Rosenhybriden und eine Vielzahl von hochwüchsigen Lilienarten sowie andere Gewächse, die William nicht kannte.

Ranken griffen wie Fangarme bis zur Mitte des Ganges. Dann bückte sich der Gärtner.

„Einen Augenblick noch“, sagte er. „Ich muß noch einige Töpfe beiseite stellen.“

William Corry wartete, bis Jean Cranisse eine Falltür freigeräumt hatte.

„Die Falltür habe ich angelegt“, meinte der Gärtner dazu. „Ich habe gedacht, daß man den Gang darunter benutzen könnte, um darin die Gladiolenzwiebeln überwintern zu lassen. Die Temperatur ist genau richtig. Sie müssen aufpassen, daß Sie nicht in die Kästen treten. Einige habe ich dort aufbewahrt. Jetzt sind sie leer. Aber Sie könnten sich verletzen.“

„Ist kein Licht dort unten?“

„Ich habe eine Taschenlampe.“

Jean Cranisse öffnete die Falltür und verschwand in der Öffnung. „Sie müssen den Kopf einziehen. Am Anfang ist es ein wenig eng. Aber das dauert nicht lange.“

William Corry folgte dem Mann. Er leuchtete ihm mit einer starken Stablampe den Weg aus. Der Lichtkreis zeigte sechs Stufen, die in das Dunkel hinabführten. William Corry konnte es nicht verhindern, daß ihn die Aufregung überfiel wie der Schatten einer düsteren Wolke an einem sonnenbeschienenen, Tag.

Cranisse schien den Gang sehr gut zu kennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit bahnte er sich einen Weg zwischen den Holzkästen hindurch, die an den Wänden des Ganges aufgestapelt waren. William hatte Mühe, ihm zu folgen.

Dann verschwanden die Kisten an den Wänden. Der Gang war durch den gewachsenen Fels gehauen worden und führte leicht abwärts.

„Existieren Pläne über die unterirdische Anlage des Schlosses?“ fragte William den vor ihm gehenden Gärtner.

„Es gibt bestimmt welche. Ich habe sie einmal durch Zufall gesehen. Marquis de Lavorne hatte einmal Pläne vor sich ausgebreitet gehabt, als ich in sein Schreibzimmer kam. Er hat mir gesagt, daß es sich um alte Pläne des Kellers handelte.“

„Wissen Sie, wo er diese Pläne aufbewahrte?“

„In seinem Schreibzimmer, nehme ich an. Genau weiß ich es nicht. Sie könnten auch in der Bibliothek liegen. Die befindet sich im linken Turm, wenn Sie vor dem Schloß stehen.“

„Und wo ist das Schreibzimmer des Marquis?“

„Ihr Vater hat es vollkommen neu eingerichtet, wie mir meine Tochter erzählte.“

William Corry schwieg. Sie waren vor einer mächtigen Holztür stehengeblieben.

„Helfen Sie mir?“ bat Jean Cranisse. „Der Riegel geht so schwer. Ich war vor Jahren das letztemal auf dieser Seite der Tür - damals war ich jünger.“

William zog mit an der schweren Eichenbohle. Sie bewegte sich nur widerwillig in den angerosteten gußeisernen Halteschienen. Doch mit der Kraft Williams war das Hindernis schnell beseitigt. Cranisse legte den Balken in die Ecke hinter der Tür und machte sie auf. Sie quietschte in den Angeln. Das Geräusch hallte dumpf wieder.

„Warum ist das Echo so dumpf hier?“ fragte William Corry.

„Das habe ich mich auch schon gefragt“, meinte Cranisse. „Wahrscheinlich gibt es hier irgendwo ein unterirdisches Wasserreservoir. Der Brunnenschacht ist auch nicht weit von hier entfernt. Chateau Brumbeau ist unabhängig von der kommunalen Wasserversorgung.“

Sie kamen in einen größeren Raum. Auf den ersten Blick schien er leer.

Während seiner Erklärung hatte Cranisse sich gedreht. Der Strahl seiner Taschenlampe streifte dabei eine Kiste. Sie war groß und mit Eisen beschlagen.

„Was ist mit dieser Kiste?“ fragte William.

„Welche Kiste?“

„Hier. Rechts von mir.“

William Corry war neben sie getreten.

Cranisse richtete den Strahl seiner Taschenlampe in die Richtung Williams.