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»Weshalb wir auch mit den Roten arbeiten«, erklärte Frederic. »Schließlich können wir ja schlecht selbst herumgehen und unschuldige Bauernfamilien ermorden, oder?«

»Also bezahlt Ihr die Roten dafür, daß sie sie für Euch töten.«

»Ja. Es funktioniert recht gut«, bestätigte Frederic, »und wir hegen auch keine Absichten, etwas anderes zu tun.«

»Gut? Es funktioniert gut?« versetzte Bonaparte abfällig. »Vor zehn Jahren gab es westlich der Appalachee Mountains keine fünfhundert amerikanische Haushalte. Inzwischen gibt es zwischen den Appalachees und dem My-Ammy zehntausend Haushalte, und immer noch ziehen immer mehr gen Westen.«

La Fayette zwinkerte Frederic zu. Frederic haßte es, wenn er sich so gab. »Napoleon hat unsere Depeschen gelesen«, warf La Fayette fröhlich ein. »Er hat unsere Einschätzungen der amerikanischen Siedlertätigkeit im Reservat auswendig gelernt.«

»Der König wünscht, daß dieses amerikanische Eindringen auf französisches Gebiet aufhört, und zwar sofort«, sagte Bonaparte.

»Ach, tut er das?« konterte La Fayette. »Auf welch seltsame Weise er es dann doch zeigt!«

»Seltsam? Immerhin hat er mich geschickt«, antwortete Bonaparte. »Das bedeutet, daß er einen Sieg erwartet.«

»Aber Ihr seid doch ein General«, wandte La Fayette ein. »Generäle haben wir hier bereits.«

»Und außerdem«, warf Frederic ein, »führt nicht Ihr das Kommando. Ich führe das Kommando.«

»Die oberste militärische Verfügungsgewalt hat hier der Marquis«, wandte Bonaparte ein.

Frederic begriff ganz und gar: La Fayette besaß auch die Verfügungsgewalt, Frederic unter Bonapartes Befehl zu stellen, wenn er das wünschte. Er warf La Fayette einen besorgten Blick zu, doch der strich sich gerade in aller Ruhe Gänseleberpastete auf sein Brot. La Fayette lächelte gütig. »General Bonaparte steht unter Eurem Kommando, Frederic. Das wird sich nicht ändern. Niemals. Ich hoffe, daß das klar ist, mein lieber Napoleon.«

»Selbstverständlich«, erwiderte Napoleon. »Ich würde nicht im Traum daran denken, das zu ändern. Ihr müßt wissen, daß der König auch noch mehr als nur Generäle nach Kanada schickt. Im Frühling treffen tausend Soldaten hier ein.«

»Ja, schön, ich bin sehr beeindruckt zu erfahren, daß er versprochen hat, wieder zusätzliche Truppen zu schicken — haben wir solche Versprechen nicht schon Dutzende Male gehört, Frederic? Es ist mir stets ein Trost, wieder ein Versprechen des Königs zu vernehmen.« La Fayette leerte sein Weinglas. »Aber Tatsache ist, mein teurer Napoleon, daß wir bereits Soldaten haben, die nichts anderes tun, als in den Garnisonen von Fort Detroit und Fort Chicago herumzusitzen und mit Bourbon Skalps einzukaufen. Welch eine Verschwendung von Bourbon! Die Roten trinken ihn wie Wasser, und er bringt sie um.«

»Wenn wir keine Generäle brauchen und keine Soldaten«, fragte Bonaparte herablassend, »was brauchen wir denn dann Eurer Meinung nach, um diesen Krieg zu gewinnen?«

Frederic konnte sich nicht entscheiden, ob er Bonaparte dafür verabscheute, daß er in einem solch beleidigenden Ton mit einem Aristokraten sprach, oder ob er ihn dafür schätzte, daß er in einem solch ungehobelten Ton mit dem verabscheuungswürdigen Marquis de La Fayette redete.

»Um zu siegen? Zehntausend französische Siedler«, erwiderte La Fayette. »Den Amerikanern ein Gegengewicht schaffen, Mann um Mann, Frau um Frau, Kind um Kind. Wir müssen es in diesem Teil des Landes unmöglich machen, irgendwelche Geschäfte abzuwickeln, ohne Französisch zu sprechen. Wir müssen sie zahlenmäßig besiegen.«

»Niemand kommt hierher, um in einem derart wilden Land zu leben«, sagte Frederic, wie er es schon viele Male zuvor getan hatte.

»Bietet ihnen freien Grund und Boden an, und sie werden kommen«, widersprach La Fayette.

»Pöbel«, höhnte Frederic. »Noch mehr Pöbel brauchen wir ja hier wohl kaum.«

Bonaparte musterte La Fayettes Gesicht einen Augenblick, ohne etwas zu sagen. »Der wirtschaftliche Wert dieser Ländereien liegt im Pelzhandel«, sagte er dann ruhig. »Der König hat sich in diesem Punkt sehr deutlich ausgedrückt. Er wünscht keine europäischen Siedlungen außerhalb der Forts.«

»Dann wird der König diesen Krieg eben verlieren«, meinte La Fayette fröhlich, »egal, wie viele Generäle er uns schickt. Und damit, meine Herren, wäre dieses Essen wohl beendet.«

La Fayette erhob sich und verließ sofort den Tisch.

Bonaparte drehte sich zu Frederic um, der sich ebenfalls gerade erheben wollte. Er streckte die Hand vor und berührte Frederics Handgelenk. »Bleibt, bitte«, sagte er. Nein, tatsächlich hatte er nur ›Bleibt‹ gesagt, doch für Frederic fühlte es sich so an, als würde er bitte sagen, als wollte er tatsächlich, daß Frederic bei ihm blieb, daß er Frederic schätzte und verehrte…

»Mein Herr de Maurepas«, murmelte der korsische Korporal. Oder sagte er lediglich Maurepas, während Frederic sich den Rest einfach einbildete? Was er auch sagte, seine Stimme klang voller Respekt, Vertrauen, Hoffnung…

Also blieb Frederic.

Bonaparte sagte fast nichts. Nur die üblichen Artigkeiten. Wir sollten gut zusammenarbeiten. Wir können dem König auf geeignete Weise dienen. Ich werde Euch helfen, wo ich nur kann.

Doch für Frederic waren es viel mehr als bloße Worte. Die Verheißung zukünftiger Ehrungen, der triumphalen Rückkehr nach Paris. Sieg über die Amerikaner, und vor allem die Zurechtweisung La Fayettes, ein Triumph über den demokratischen, verräterischen Marquis. Er und dieser Bonaparte würden es gemeinsam schaffen. Einige wenige Jahre Geduld, das Aufbauen einer solch großen Armee von Roten, daß es die Amerikaner provozierte, ebenfalls eine Armee zusammenzustellen; und dann könnten sie diese amerikanische Armee besiegen und nach Hause zurückkehren. Mehr brauchte es nicht. Es war fast ein Fieber der Hoffnung und des Vertrauens, das Frederics Herz erfüllte, bis…

Bis Bonaparte die Hand von Frederics Handgelenk nahm.

Es war, als hätte Bonapartes Hand die Verbindung zu einer gewaltigen Quelle der Lebenskraft und der Wärme hergestellt, sobald die Berührung endete, wurde ihm kalt und matt. Doch Bonaparte lächelte immer noch, und Frederic sah ihn an und erinnerte sich an dieses Gefühl der Verheißung, das er soeben empfunden hatte. Wie hatte er nur jemals glauben können, daß die Zusammenarbeit mit Bonaparte etwas anderes sein könnte als gedeihlich? Der Mann kannte seinen Platz, soviel war sicher. Frederic würde Bonapartes unbestreitbare militärische Fähigkeiten benutzen, und gemeinsam würden sie siegen und im Triumph nach Frankreich zurückkehren…

Bonapartes Lächeln verblaßte, und wieder empfand Frederic das vage Gefühl eines Verlusts.

»Ich wünsche Euch einen guten Abend«, sagte Bonaparte. »Wir werden uns am Morgen sehen, mein Herr.«

Der Korse verließ den Raum.

Hätte Frederic seine eigene Miene sehen können, so hätte er darin vielleicht etwas wiedererkannt: In seinem Gesicht spiegelte sich jener Ausdruck der Liebe und Hingabe, den alle jüngeren Offiziere Bonapartes aufwiesen. Doch er konnte sein eigenes Gesicht nicht sehen. In dieser Nacht legte er sich mit einem größeren Gefühl des Friedens und der Zuversicht, der Hoffnung und der Aufregung zu Bett als jemals zuvor in seinen langen Jahren in Kanada. Er fühlte sich sogar… Was, was für ein Gefühl ist das nur, fragte er sich — ah, ja. Intelligent. Er fühlte sich sogar intelligent.

Es war tiefe Nacht, aber die Kanalarbeiter waren fleißig, pumpten mit ihrer lärmenden Dampfmaschine Wasser in die Schleuse. Es war ein Wunderwerk der Ingenieurkunst, das steilste Schleusensystem aller Kanäle der Welt. Der Rest der Welt wußte nichts davon. Europa hielt Amerika noch immer für ein Land von Wilden. Doch der unternehmerische Geist der Vereinigten Staaten von Amerika, vom Beispiel des alten Zauberers Ben Franklin inspiriert, ermunterte Erfindungen und Fleiß. Gerüchten zufolge hatte ein Mann namens Fulton ein dampfgetriebenes Schiff gebaut, das den Hudson hinauf und hinunter fuhr — ein Dampfboot, das man König Charles angeboten und das zu finanzieren er sich geweigert hatte! In Suskwahenny und Appalachee bohrten sich Kohlenzechen ins Erdreich. Und hier im Staate Irrakwa übertrumpften die Roten die Weißen noch bei ihrem eigenen Spiel, indem sie Kanäle bauten, dampfgetriebene Wagen, die auf Schienenstraßen fuhren, dampfgetriebene Webstühle, die die Baumwolle der Kronkolonien ausspien und sie in feine Garne verwandelten, die allen Produkten Europas standhalten konnten — zum halben Preis. Diese Entwicklung stand erst an ihrem Beginn, doch schon jetzt steuerte bereits über die Hälfte aller Schiffe, die den St. Lawrence River hinaufkamen, Irrakwa an und nicht etwa Kanada.