Jetzt war das nicht mehr so. Nun besaßen sie gemeinsam keine einzige Waffe mehr. Nun hing ihnen vor Gier nach Branntwein die Zunge aus dem Mund. Und bald würden sie trinken und trinken und trinken und trinken und Whed-haw! Noch bevor sie mit dem Trinken aufgehört hatten, würden sie tot umfallen, was ohnehin das beste war. Nur ein toter Roter war ein guter Roter, pflegte Hooch immer zu sagen. Und so, wie er und Bill Harrison den Laden inzwischen im Griff hatten, starben ordentliche Mengen Roter am Branntwein und bezahlten sogar noch für dieses Privileg.
Daher war Hooch der glücklichste Mensch der Welt, als sie an der Anlegestelle von Carthage City festmachten. Ja, der Sergeant salutierte ihm sogar! Das war wirklich etwas anderes als die Behandlung, die ihm die U. S. Marshals in Suskwahenny hatte angedeihen lassen, die hatten sich benommen, als wäre er irgendein Dreck, den sie gerade vom Klositz abgekratzt hatten. Hier draußen in diesem neuen Land behandelte man freisinnige Männer wie Hooch noch wie Gentlemen, und das gefiel Hooch. Sollten die Pioniere doch mit ihren zähen, häßlichen Weibern und den drahtigen kleinen Bälgern losziehen, um Bäume zu fällen und Furchen in den Erdboden zu ziehen und Mais und Schweine zu züchten, um ihr karges Leben zu fristen. Das war nichts für Hooch. Er kam später, nachdem die Felder alle wohlbestellt waren und ordentlich aussahen, wenn die Häuser alle in prächtigen Reihen an gewinkelten Straßen standen, dann würde er mit seinem Geld das größte Haus in der Stadt kaufen, und der Bankbesitzer würde vom Gehsteig springen und in den Schlamm ausweichen, um ihm den Weg freizumachen.
»Wir werden das Boot hier entladen, Mr. Hooch«, sagte der Sergeant.
»Ich habe eine Inventarliste dabei«, erwiderte Hooch, »also laßt Eure Jungs hier nicht plündern. Obwohl es sein könnte, daß es da ein Faß guten Rye-Whisky geben könnte, das irgendwie nicht mitgezählt worden ist. Ich möchte wetten, daß es niemandem auffallen würde, sollte dieses Faß plötzlich fehlen.«
»Wir werden so vorsichtig sein wie möglich, Sir«, sagte der Sergeant, doch sein Lächeln war so breit, daß sogar seine Backenzähne zu sehen waren. Und Hooch wußte, daß der Mann schon eine Möglichkeit finden würde, um mindestens die Hälfte dieses Fasses für sich zu behalten. Wenn er dumm sein sollte, würde er sein halbes Faß an die Roten verkaufen. Doch von einem halben Faß Whisky wurde man nicht reich. Nein, wenn dieser Sergeant klug war, würde er dieses halbe Faß Schluck um Schluck mit jenen Offizieren teilen, die ihn am wahrscheinlichsten zu einer Beförderung vorschlagen würden, und wenn er dabeiblieb, würde dieser Sergeant eines Tages nicht mehr draußen irgendwelche Flachboote in Empfang nehmen, nein, dann würde er im Offiziersquartier sitzen, mit einer hübschen Frau im Schlafzimmer und einem guten Stahlschwert an der Hüfte.
»Gouverneur Harrison möchte Euch sprechen«, sagte der Sergeant.
»Und ich möchte ihn sprechen«, erwiderte Hooch. »Aber zuerst einmal brauche ich ein Bad und muß mich rasieren und die Kleider wechseln.«
»Der Gouverneur sagt, Ihr sollt im alten Haus wohnen.«
»Im alten Haus?« fragte Hooch. Harrison hatte das Amtsgebäude erst vor vier Jahren bauen lassen. Hooch fiel nur ein einziger Grund ein, weshalb Bill schon so bald ein neues Gebäude hätte errichten können. »Ach, hat Gouverneur Bill sich jetzt eine neue Frau besorgt?«
»Hat er«, bestätigte der Sergeant. »So hübsch, wie man sich nur denken kann, und erst fünfzehn Jahre alt, was meint Ihr dazu! Aber sie stammt aus Manhattan, daher spricht sie nicht sehr viel Englisch. Jedenfalls klingt es nicht nach Englisch, wenn sie den Mund aufmacht.«
Das war Hooch nur recht. Er sprach sehr gut Holländisch, fast so gut wie Englisch und sehr viel besser als Shaw-Nee. Er würde sich schon bald mit Bill Harrisons Frau anfreunden. Ob Bill Harrison wohl seine Kinder hierher bringen würde, jetzt, da er eine zweite Frau hatte? Hooch wußte nicht mehr genau, wie alt diese Jungen jetzt sein mochten, aber wohl alt genug, um das Pionierleben zu genießen.
Am Tor des Stakets blieb Hooch stehen. Also das war wirklich nett: Zusammen mit den üblichen Zaubern und Talismanen, mit denen Feinde und Feuersbrünste und ähnliches abgewehrt werden sollten, hatte Gouverneur Bill ein Schild aufhängen lassen, das so breit war wie das Tor. Darauf stand in großen Lettern:
CARTHAGE CITY
und darunter in kleineren Buchstaben:
HAUPTSTADT DES STAATES WOBBISH
Genau das also, was man vom alten Bill erwartete. In gewisser Weise war dieses Schild wahrscheinlich mächtiger als jeder Zauber. So wußte Hooch als Funke beispielsweise, daß der Zauber gegen das Feuer ihn nicht aufhalten konnte. Er würde es ihm nur schwerer machen, in seiner unmittelbaren Nähe ein Feuer zu entfachen. Doch wenn er irgendwoanders einen guten Brand entfachte, würde dieser Zauber genauso verbrennen wie alles andere. Aber dieses Schild, auf dem Wobbish als Staat und Carthage als seine Hauptstadt bezeichnet wurden, mochte tatsächlich seine eigene Macht haben, nämlich die Macht über das Denken der Leute. Wenn man etwas nur oft genug sagte, rechneten die Leute damit, daß es wahr war, so daß es schon sehr bald wahr würde. Nein, keine Sachen wie: »Heute macht der Mond kehrt und läuft rückwärts über den Himmel«, denn damit so etwas funktionierte, mußte schon der Mond selbst die Worte hören. Aber wenn man Dinge sagte wie ›Das ist ein leichtes Mädchen« oder ›Dieser Mann ist ein Dieb‹, dann spielte es keine große Rolle, ob die betroffene Person einem glaubte oder nicht — dann begannen alle anderen es zu glauben, und dann würden sie sie so behandeln, als wäre es wahr.
Tatsächlich aber war es Hooch ziemlich gleichgültig, wer nun Gouverneur wurde und seine Stadt zur Hauptstadt machte, ob Harrison oder dieser selbstgerechte Pharisäer Brustwehr Weaver oben im Norden, wo der Tippy-Canoe Creek in den Wobbish River mündete. Sollten die beiden es doch unter sich ausmachen; gleichgültig, wer siegte, Hooch jedenfalls hatte vor, ein reicher Mann zu werden und zu tun, was ihm beliebte. Entweder er bekäme das, was er wollte, oder er würde dafür sorgen, daß der ganze Ort in Flammen aufging. Sollte Hooch jemals völlig in die Knie gezwungen und gebrochen werden, dann sollte jedenfalls kein anderer davon profitieren. Wenn ein Funke keinen Hoffnungsschimmer mehr hatte, gab es immer noch eine Möglichkeit, es den anderen heimzuzahlen, und das war auch so ziemlich das einzig Gute, was Hooch an seinem Dasein als Funke sah.
Na schön, als Funke sorgte er natürlich auch dafür, daß sein Badewasser immer heiß war, also war die Sache doch nicht ganz umsonst. Jedenfalls war es eine hübsche Abwechslung, den Fluß endlich mal verlassen und wieder ins zivilisierte Leben zurückzukehren. Die Kleider, die man für ihn ausgelegt hatte, waren sauber, und es war ein schönes Gefühl, sich den borstigen Bart aus dem Gesicht zu rasieren. Ganz zu schweigen davon, daß die Squaw, die ihn badete, nur zu begierig auf eine Extraportion Branntwein war; hätte Harrison nicht einen Soldaten nach ihm geschickt, der an die Tür klopfte, um ihn zur Eile aufzufordern, so hätte Hooch vielleicht den ersten Teil ihrer Tauschware gleich in Empfang nehmen können. Statt dessen jedoch trocknete er sich ab und kleidete sich an.
Harrison hatte nicht nur ein neues Haus gebaut — er hatte zugleich das ganze Fort erheblich vergrößert. Und eine Brustwehr zog sich das ganze Staket entlang. Harrison war bereit für einen Krieg. Das beunruhigte Hooch ziemlich. In Kriegszeiten gedieh das Branntweingeschäft nicht sonderlich. Die Sorte Rote, die Schlachten schlugen, waren nicht jene Sorte Rote, die Branntwein tranken. Von der zweiten Sorte bekam Hooch so viele zu sehen, daß er schon beinahe vergessen hatte, daß es auch die erste gab. Sogar eine Kanone stand hier. Nein, zwei Kanonen. Das gefiel ihm überhaupt nicht.