Выбрать главу

Erst die seltsamen Brücken, so stabil wie Häuser. Und nun dieses seltsame Gebäude, so hoch wie die Bäume. Lolla-Wossiky trat aus dem schützenden Wald hinaus auf die offene Weide, vor und zurück schwankend, weil der Boden nie eben blieb, wenn er Branntwein getrunken hatte. Als er das Gebäude erreicht hatte, stieg er auf den hölzernen Boden. Der Boden des weißen Mannes, die Wände des Mannes, doch es fühlte sich überhaupt nicht wie irgendein anderes Gebäude des weißen Mannes an, das Lolla-Wossiky jemals erblickt hatte. Großer, offener Raum im Inneren, ganz hohe Wände. Das erste Mal, daß der weiße Mann etwas erbaute, das nicht finster war. An diesem Ort mochte sich sogar ein roter Mann wohl fühlen.

»Wer ist da? Wer seid Ihr?«

Lolla-Wossiky drehte sich so schnell um, daß er beinahe gestürzt wäre. Ein großer weißer Mann stand am Rande des Gebäudes. Der Boden war so hoch, daß er dem Mann bis zur Hüfte reichte. Er trug keine Hirschlederkleidung wie ein Jäger und auch keine Uniform wie ein Soldat. Er war eher wie ein Farmer gekleidet, nur daß er sauber war. Tatsächlich hatte Lolla-Wossiky in Carthage City noch nie einen solchen Mann gesehen.

»Wer seid Ihr?« wollte der Mann wieder wissen.

»Roter Mann«, sagte Lolla-Wossiky.

»Es dämmert zwar langsam, aber Nacht ist es noch lange nicht. Ich müßte blind sein, um nicht zu sehen, daß Ihr ein Roter seid. Aber ich kenne die Roten in der Nähe, und Ihr seid nicht von hier.«

Lolla-Wossiky lachte. Wann hätte ein weißer Mann jemals einen Roten so genau vom anderen unterscheiden können, um zu sagen, wer aus der Nähe stammte und wer von weit her kam?

»Habt Ihr auch einen Namen, roter Mann?«

»Lolla-Wossiky.«

»Ihr habt Branntwein getrunken, nicht wahr? Ich kann es riechen, und Ihr seid auch nicht allzu gut zu Fuß.«

»Viel Branntwein. Whisky-Roter.«

»Wer hat Euch diesen Branntwein gegeben! Sagt es mir! Wo habt Ihr diesen Branntwein her?«

Lolla-Wossiky war verwirrt. Noch nie hatte ein weißer Mann ihn gefragt, wo er seinen Branntwein herbekam. »Vom weißen Mörder Harrison«, erwiderte er.

»Harrison befindet sich zweihundert Meilen südöstlich von hier. Wie habt Ihr ihn genannt?«

»Gouverneur Bill Harrison.«

»Ihr habt ihn weißer Mörder Harrison genannt.«

»Dieser Rote sehr betrunken.«

»Das sehe ich selbst. Aber Ihr habt Euch mit Sicherheit nicht in Fort Carthage betrunken, um die ganze Strecke hierher zu Fuß zu laufen, ohne dabei nüchtern zu werden. Also, woher habt Ihr den Branntwein?«

»Werdet Ihr mich einsperren?«

»Euch einsperren — wo sollte ich Euch denn nur einsperren, könnt Ihr mit das vielleicht mal sagen? Ihr seid wohl wirklich aus Fort Carthage, wie? Nun, ich kann Euch eins sagen, Mr. Lolla-Wossiky, wir haben hier nichts, worin wir trunkene Rote einsperren könnten, weil die Roten hier sich nicht betrinken. Und wenn sie es doch tun, dann suchen wir den weißen Mann, der ihnen den Branntwein gegeben hat, und dann wird dieser weiße Mann ausgepeitscht. Also sagt mir jetzt, woher Ihr den Branntwein habt.«

»Mein Whisky«, antwortete Lolla-Wossiky.

»Vielleicht solltet Ihr besser mit mir kommen.«

»Mich einsperren?«

»Ich habe Euch doch gesagt, daß wir nicht… Hört mal, habt Ihr Hunger?«

»Denke schon«, antwortete Lolla-Wossiky.

»Habt Ihr einen Ort, wo Ihr essen könnt?«

»Esse, wo ich bin.«

»Gut, dann kommt heute abend nach unten und eßt bei mir zu Hause.«

Lolla-Wossiky wußte nicht, was er sagen sollte. Machte der weiße Mann Witze? Die Scherze des weißen Mannes waren immer schwer zu verstehen.

»Habt Ihr doch keinen Hunger?«

»Denke doch«, wiederholte Lolla-Wossiky.

»Nun, dann kommt schon!«

Ein weiterer weißer Mann kam den Hügel empor.

»Brustwehr-Gottes!« rief er. »Eure gute Frau hat sich schon gefragt, wo Ihr seid.«

»Nur noch einen Augenblick, Reverend Thrower. Ich denke, daß wir heute zum Abendessen einen Gast haben werden.«

»Wer ist das? Oh, Brustwehr-Gottes, das ist ja ein Roter.«

»Sein Name ist Lolla-Wossiky. Er ist ein Shaw-Nee. Und außerdem ist er betrunken wie ein Stinktier.«

Lolla-Wossiky war sehr überrascht. Dieser weiße Mann wußte, daß er ein Shaw-Nee war, ohne ihn danach gefragt zu haben. Woher? Hatte er es an seinem Haar erkannt, das bis auf den hohen Streifen in der Mitte ausgerissen war? Nein, das taten andere Rote auch. Am Rand seines Lendenschurzes? Aber weiße Männer bemerkten solche Dinge doch nie.

»Ein Shaw-Nee«, sagte der andere weiße Mann. »Ist das nicht ein besonders wilder Stamm?«

»Ach, ich weiß nicht, Reverend Thrower«, meinte Brustwehr-Gottes. »Vor allem ist es ein ganz besonders nüchterner Stamm. Damit meine ich, daß sie sich nicht ganz so stark betrinken wie einige der anderen. Manche Leute glauben, daß der einzig harmlose Rote ein Whisky-Roter ist, und wenn sie dann alle diese nüchternen Shaw-Nee sehen, glauben sie, daß sie gefährlich wären.«

»Dieses Problem scheint der hier nicht zu haben.«

»Ich weiß. Ich versuchte gerade herauszubekommen, wer ihm seinen Whisky gegeben hat, aber er will es mir nicht sagen.«

Reverend Thrower wandte sich an Lolla-Wossiky. »Wißt Ihr denn nicht, daß der Whisky ein Werkzeug des Teufel ist und der Untergang des roten Mannes?«

»Ich glaube kaum, daß er genug Englisch spricht, um zu verstehen, was Ihr sagt, Reverend.«

»Whisky sehr schlecht für roten Mann«, bemerkte Lolla-Wossiky.

»Hm, vielleicht versteht er es doch«, meinte Brustwehr-Gottes lachend. »Lolla-Wossiky, wenn Ihr doch genau wißt, wie schlimm der Branntwein ist, wie kommt es dann, daß Ihr nach billigem Whisky stinkt wie eine irische Bar?«

»Branntwein sehr schlimm für roten Mann«, bemerkte Lolla-Wossiky, »aber roter Mann ständig durstig.«

»Dafür gibt es eine ganz einfache, wissenschaftliche Erklärung«, warf Reverend Thrower ein. »Die Europäer kennen alkoholische Getränke schon so lange, daß sie eine gewisse Widerstandsfähigkeit dagegen aufgebaut haben. Europäer, die verzweifelt nach Alkohol gieren, sterben in der Regel jünger, bekommen weniger Kinder, sorgen schlechter für die Kinder, die sie haben. Deshalb haben die meisten Europäer einen Widerstand gegen Alkohol entwickelt. Aber ihr Roten habt diese Toleranz nie aufgebaut.«

»Verdammt, das stimmt«, sagte Lolla-Wossiky. »Weißer Mann sagt Wahrheit. Wie kommt es, daß weißer Mörder Harrison Euch noch nicht getötet hat?«

»Also hör sich das mal einer an«, kommentierte Brustwehr-Gottes. »Das ist schon das zweite Mal, daß er Harrison einen Mörder nennt!«

»Geflucht hat er dabei aber auch, was ich nicht sonderlich schätze.«

»Wenn er aus Carthage stammt, dann hat er sein Englisch von einer Klasse Weißer gelernt, die Ausdrücke wie ›verdammt‹ für eine Art Zeichensetzung halten, falls Ihr versteht, was ich meine, Reverend. Aber hört mal, Lolla-Wossiky. Dieser Mann hier, das ist der Reverend Philadelphia Thrower, und er ist ein Geistlicher des Herrn Jesus Christus, also solltet Ihr in seiner Gegenwart schlechte Ausdrücke vermeiden.«

Lolla-Wossiky hatte nicht die leiseste Vorstellung, was ein Geistlicher war — in Carthage City gab es so etwas nicht. Er konnte sich nur vorstellen, daß ein Geistlicher eine Art Gouverneur war, nur netter.

»Werdet Ihr in diesem großen Haus wohnen?«

»Hier wohnen?« fragte Thrower. »Oh, nein. Das ist das Haus des Herrn.«

»Wessen Haus?«

»Des Herrn Jesus Christus.«

Lolla-Wossiky hatte von Jesus Christus gehört. Weiße Männer sprachen den Namen ständig aus, vor allem dann, wenn sie wütend waren oder logen. »Sehr zorniger Mann«, meinte Lolla-Wossiky. »Er wohnt hier?«