»Er macht mir Sorgen.«
»Mir nicht«, widersprach Harrison. »Ich habe seinen Bruder. Ta-Kumsaw wird überhaupt nichts tun.«
»Als er auf mich gezeigt hat, da hatte ich ein Gefühl, als würde mich sein Finger quer durch den Raum hinweg berühren. Ich glaube, vielleicht hat er einen Anziehungszauber. Oder er beherrscht die Fernberührung. Ich glaube, er ist gefährlich.«
»Ihr glaubt doch wohl nicht an diesen ganzen Zauberkram, Hooch? Ihr seid so ein gebildeter Mann; ich hätte gedacht, daß Ihr über einen solchen Aberglauben erhaben seid.«
»Das bin ich nicht, und Ihr seid es auch nicht, Bill Harrison. Ihr habt Euch doch auch von einem Rutengeher sagen lassen, wo der Boden fest genug war, um dieses Staket hier zu erbauen. Und als Eure erste Frau ihre Kinder gebar, da habt Ihr eine Fackel geholt, um festzustellen, wie das Kind im Mutterleib lag.«
»Ich warne Euch«, sagte Harrison, »macht keine Bemerkungen mehr über meine Frau!«
»Über welche, Bill? Über die heiße oder die kalte?«
Nun geriet Harrison wirklich außer sich. Hooch war entzückt. Jawohl, er hatte ein ordentliches Talent, die Dinge anzuheizen, und es machte noch sehr viel mehr Spaß, der Laune eines Menschen Feuer zu geben, weil es dann keine Flamme gab, sondern nur sehr viel heiße Luft.
Nun, Hooch ließ den alten Bill Harrison noch eine Weile toben. Dann lächelte er und hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Na, Ihr wißt doch, daß ich es nicht böse gemeint habe, Bill. Ich wußte nur nicht, wie prüde Ihr dieser Tage geworden seid. Ich hatte nur gedacht, daß wir doch beide wissen, wo die Babys wachsen, wie sie dort hineingelangen und heraus, und das tun Eure Frauen nicht anderes als meine. Und wenn sie dann schreiend daliegt, dann wißt Ihr auch, daß eine Hebamme dabei ist, die einen Schlafzauber über sie verhängen kann oder auch einen Schmerzzauber. Und wenn das Baby sich zuviel Zeit läßt, um zu kommen, dann holt Ihr eine Fackel, die feststellen soll, wie es liegt. Also hört mir zu, Bill Harrison. Dieser Ta-Kumsaw besitzt irgendeine Fähigkeit, irgendeine Macht. Hinter dem steckt mehr, als es den Anschein hat.«
»Tatsächlich, Hooch? Nun, vielleicht ist es so, vielleicht aber auch nicht. Aber er hat gesagt, daß Lolla-Wossiky mit seinem anderen Auge sehen würde, bevor ich Hand an ihn legte, und da wird es nicht lange dauern, bis ich bewiesen habe, daß er kein guter Prophet ist.«
»Da wir schon gerade von dem alten Einauge hier reden: Der fängt langsam an, fürchterlich zu furzen.«
Harrison rief nach seinem Adjutanten. »Schicken Sie Korporal Withers und vier Soldaten herein, und zwar sofort.«
Hooch bewunderte es, wie Harrison die Militärdisziplin aufrechterhielt. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis die Soldaten eingetroffen waren. Korporal Withers salutierte und sagte: »Jawohl, Sir, General Harrison.«
»Laßt dieses Tier von dreien Eurer Leute hinaus in den Stall schaffen.«
Korporal Withers gehorchte sofort, nur kurz hielt er inne, um zu sagen: »Jawohl, Sir, General Harrison.«
General Harrison. Hooch lächelte. Er wußte, daß Harrison lediglich ein Patent als Oberst unter General Wayne im letzten Französischen Krieg gehabt hatte, und selbst damals war er keine Leuchte gewesen. General. Gouverneur. Was für ein pompöser…
Doch inzwischen sprach Harrison wieder zu Withers und blickte dabei Hooch an. »Und nun werdet Ihr und der Gefreite Dickey so freundlich sein, Mr. Palmer hier festzunehmen und einzusperren.«
»Mich festnehmen!« rief Hooch. »Wovon redet Ihr da!«
»Er trägt mehrere Waffen bei sich, deshalb werdet Ihr ihn gründlich durchsuchen müssen«, sagte Harrison. »Ich empfehle, ihn hier zu entkleiden, bevor Ihr ihn in die Zelle bringt, und ihn auch entkleidet zu lassen. Wir wollen doch nicht, daß dieser gewandte alte Knabe uns noch entkommt.«
»Weshalb nehmt Ihr mich fest?«
»Oh, wir haben doch einen Haftbefehl gegen Euch wegen unbezahlter Schulden vorliegen«, sagte Harrison. »Und außerdem seid Ihr beschuldigt worden, Whisky an die Roten zu verkaufen. Da werden wir natürlich Eure gesamte Habe beschlagnahmen müssen — diese verdächtig aussehenden Fässer, die meine Jungs schon den ganzen Tag ins Staket schleppen — und sie verkaufen, um für Eure Schulden aufzukommen. Wenn wir dafür genug bekommen und Ihr die häßlichen Vorwürfe widerlegen könnt, die Roten mit Fusel zu vergiften, nun, dann werden wir Euch auch wieder freilassen.«
Worauf Harrison aus seinem Office stolzierte. Hooch fluchte und spuckte und machte einige deftige Bemerkungen über Harrisons Frau und seine Mutter, doch der Gefreite Dickey hielt eine Muskete in der Hand. Daher ergab sich Hooch der Entkleidung und Durchsuchung. Schlimmer wurde es allerdings, und da fluchte er auch wieder mächtig, als Withers ihn splitternackt durch das Fort führte, ohne ihm auch nur eine einzige Decke zu geben, und ihn in einem Lagerraum einsperrte. Ein Lagerraum, der noch mit den leeren Fässern der letzten Branntweinlieferung gefüllt war. Zwei Tage lang saß er in diesem verriegelten Lagerraum, bevor sein Prozeß begann, und die erste Zeit bewegten ihn Mordgedanken. O ja, er hatte viele Racheeinfälle. Er dachte daran, die Spitzenvorhänge in Harrisons Haus in Brand zu setzen oder den Schuppen, wo der Whisky gelagert wurde, daran, alle nur erdenklichen Feuer zu entzünden. Denn was nützte es schon, ein Funke zu sein, wenn man seine Fähigkeit nicht dazu einsetzen konnte, um es Leuten heimzuzahlen, die sich erst als Freunde ausgaben und einen dann ins Gefängnis sperrten?
Doch Hooch legte keine Feuer, weil er kein Narr war. Zum einen wußte er, daß jedes Feuer im Staket sich höchstwahrscheinlich binnen einer halben Stunde über die ganze Befestigungsanlage ausgebreitet hätte. Und da hätte es gut passieren können, daß man in dem allgemeinen Durcheinander zwar Frauen, Kinder, Branntwein und Schießpulver rettete, dabei aber einen gewissen Whiskyhändler vergaß, der in einem Lagerraum eingesperrt war. Hooch war nicht begierig darauf, in einem Feuer zu enden, das er selbst gelegt hatte — so etwas war doch keine richtige Rache! Zum Feuerlegen blieb noch Zeit genug, wenn sich ihm eines Tages eine Schlinge um den Hals legen sollte, doch würde er nicht das Risiko eines Feuertods eingehen, nur um wegen einer Angelegenheit wie dieser Genugtuung zu bekommen.
Der eigentliche Grund aber, weshalb er kein Feuer legte, war nicht die Furcht, sondern der blanke Geschäftssinn. Harrison war so verfahren, wie er es getan hatte, um Hooch zu zeigen, daß ihm die Art und Weise nicht gefiel, in der Hooch die Branntweinlieferungen verzögert hatte. Harrison zeigte ihm damit, daß der Macht besaß, Hooch dagegen nur Geld. Nun gut, sollte Harrison doch den mächtigen Mann spielen. Hooch wußte auch einige Dinge. Er wußte beispielsweise, daß das Wobbish-Land eines Tages den US-Kongreß in Philadelphia um den Staatsstatus angehen würde. Und wenn es das tat, würde ein gewisser William Henry Harrison es darauf abgesehen haben, Gouverneur zu werden. Und Hooch hatte in Suskwahenny, Pennsylvania und Appalachee schon genügend Wahlen miterlebt, um zu wissen, daß man keine Stimmen bekam, wenn man nicht auch Silberdollar in Umlauf brachte. Hooch würde diese Silberdollar haben. Und wenn die Zeit gekommen war, mochte er diese Silberdollar vielleicht an Harrisons Wähler verteilen; vielleicht aber auch nicht. Vielleicht half er dann nämlich einem anderen Mann auf den Gouverneurssitz, eines Tages, wenn Carthage zu einer richtigen Stadt und Wobbish zu einem richtigen Staat geworden waren. Dann würde Harrison den Rest seines Lebens dort hocken bleiben und sich daran erinnern müssen, wie es gewesen war, als er noch Leute einsperren konnte, und er würde vor Wut mit den Zähnen knirschen, wenn er daran dachte, wie Männer wie Hooch ihm all dies weggenommen hatten.
So unterhielt Hooch sich, während er zwei lange Tage und Nächte in dem Lagerraum saß.
Dann holte man ihn heraus und führte ihn vor Gericht — unrasiert und schmutzig, mit wirrem Haar und völlig zerknitterter Kleidung. General Harrison war der Richter, sämtliche Geschworenen trugen Uniform, und der Verteidiger war — ausgerechnet Andrew Jackson! Offenbar hatte Gouverneur Bill vor, Hooch auf die Palme zu bringen, aber Hooch war auch nicht von gestern. Egal, was Harrison vorhaben mochte, soviel war klar, daß es Hooch nichts nützen würde, lauthals dagegen zu protestieren. Also war es besser, stillzusitzen und die Sache über sich ergehen zu lassen.