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Plod kniete vor ihm nieder und nahm Muuzh’ rechte Hand zwischen die seinen. »Ach, verzeih mir.«

Muuzh verzieh ihm natürlich sofort, denn sie waren Freunde. Später an diesem Morgen brach er auf und tötete die Vorsteher eines Dutzends Khlami-Dörfer. Augenblicklich schworen die Dörfler dem Imperator ihre ewige Liebe und Hingabe, und als General Vozmuzhalnoi Vozmozhno an diesem Abend ins heilige Tabernakel ging, um sich zu reinigen, verzieh der Fürsprecher ihm recht bereitwillig, denn er hatte an diesem Tag viel dazu beigetragen, die Ehre und Erhabenheit des Imperators zu vergrößern.

In Basilika und nicht in einem Traum

Sie kamen, um Kokor singen zu hören, kamen aus ganz Basilika zusammen, und Kokor erfreute sich daran, wie ihre Gesichter sich aufhellten, als sie — endlich — auf die Bühne trat und die Musiker sanft an den Saiten zupften oder in der leisen Unterströmung der Töne, die stets ihre Begleitung darstellten, Atem durch ihre Instrumente streichen ließen. Kokor wird endlich für uns singen, sagten ihre Gesichter. Sie mochte diesen Ausdruck auf ihren Gesichtern mehr als jeden anderen, den sie je gesehen hatte, mehr als den Ausdruck eines Mannes, den in den letzten Augenblicken vor der Befriedigung die Lust überwältigte. Denn sie wußte sehr wohl, daß es einem Mann ziemlich gleichgültig war, wer ihm das Vergnügen der Liebe schenkte, während das Publikum unbedingt wollte, daß Kokor auf die Bühne trat und den Mund öffnete, damit es die hohen, immer höher steigenden Töne ihrer unglaublich süßen Gesangsstimme vernehmen konnte, die wie Blütenblätter auf einem Bach über die Musik trieben.

Zumindest wollte sie, daß es so war, und stellte es sich genauso vor, bis sie dann tatsächlich auf die Bühne trat und sah, wie das Publikum sie betrachtete. Heute bestand es hauptsächlich aus Männern. Männer, die sie mit den Blicken geradezu verschlangen. Ich sollte mich weigern, in Komödien zu singen, sagte sie sich wieder. Ich sollte darauf bestehen, genauso ernst genommen zu werden, wie sie meine geliebte Schwester Sevet mit ihrer männlich tiefen, froschartigen, gekünstelten Stimme ernst nehmen. Oh, sie betrachten sie mit Gesichtern der ästhetischen Ekstase. Männer genau wie Frauen. Ihren Körper verschlingen sie nicht mit den Blicken, um zu sehen, wie er sich unter dem Stoff ihres Gewandes bewegt. Was natürlich zum Teil auch daran liegen mochte, daß ihr Körper dermaßen schlaff und weich war, daß es kein Vergnügen war, ihn zu beobachten, und daß er sich wie Kies unter ihrem Kostüm bewegte. Das arme Ding. Natürlich schließen sie die Augen und lauschen ihrer Stimme — das ist doch viel, viel schöner, als ihren Körper zu betrachten.

Was für eine Lüge. Was für eine Lügnerin bin ich doch, sogar, wenn ich nur mit mir selbst spreche!

Ich darf nicht so ungeduldig sein. Es ist nur eine Frage der Zeit. Sevet ist älter — ich bin gerade mal achtzehn Jahre alt.

Auch sie mußte in Komödien auftreten, eine Zeitlang, bis sie bekannt war.

Kokor erinnerte sich daran, was ihre Schwester in jenen frühen Tagen gesagt hatte — vor über zwei Jahren, als Sevets siebzehnter Geburtstag nahte. Ständig hatte sie die Leidenschaft ihrer Bewunderer dämpfen müssen, die die unangenehme Eigenschaft hatten, in Erwartung augenblicklicher Liebe ihre Garderobe zu betreten, bis sie schließlich einen Leibwächter anheuern mußte, der die leidenschaftlichsten von ihnen entmutigen sollte. »Es geht nur um Sex«, hatte Sevet damals gesagt. »Die Lieder, die Aufführungen, alles dreht sich nur um Sex, und nur davon träumt das Publikum. Man muß nur darauf achten, daß man es nicht zu gut träumen läßt — oder zu spezifisch!«

Ein guter Rat? Wohl kaum. Je mehr das Publikum von dir träumt, desto größer ist der Wert deines Namens auf den Handzetteln, mit denen für das Stück geworben wird. Bis du schließlich, falls du Glück hast, so gut bist, daß auf den Flugblättern der Titel des Stücks gar nicht mehr erscheint. Sondern nur dein Name und der Ort und der Tag und die Stunde … und wenn du auftrittst, sind sie alle da, Hunderte von ihnen, und wenn die Musik zu spielen beginnt, sehen sie dich nicht mehr an, als wärest du die letzte Hoffnung eines ausgehungerten Mannes, sondern der höchste Traum eines erhabenen Geistes.

Kokor schritt zu ihrem Platz auf der Bühne — und es gab Applaus, als sie auftrat. Sie drehte sich zum Publikum um und stieß einen hohen Triller aus.

»Was soll das?« fragte Gulja, der Schauspieler, der den Wüstling darstellte. »Schreist du schon? Ich habe dich doch noch nicht mal angefaßt.«

Das Publikum lachte — aber nicht laut genug. Dieses Stück steckte in Schwierigkeiten. Sie hatte genau gewußt, daß dieses Stück von Anfang an seine Schwächen gehabt hatte, aber bei einem so oberflächlichen Gelächter wie diesem war es nicht mehr zu retten. In ein paar Tagen würde sie also wieder mit neuen Proben anfangen müssen. Ein anderes Stück.

Andere dumme Texte und dumme Melodien, die sie sich einprägen mußte.

Sevet konnte selbst entscheiden, was sie sang. Die Komponisten kamen zu ihr und baten sie zu singen, was sie geschrieben hatten. Sevet mußte ihre Stimme nicht mißbrauchen, nur, um die Leute zum Lachen zu bringen.

»Ich habe nicht geschrien«, sang Kokor.

»Aber jetzt schreist du!« sang Gulja, während er sich an sie heranmachte und sie zu befummeln begann. Sein tiefer Baß war immer gut für einen Lacher, wenn er ihn auf diese Weise einsetzte, und er hatte das Publikum im Griff. Vielleicht konnten sie das Stück ja doch noch aus dem Dreck ziehen.

»Aber jetzt faßt du mich an!« Und ihre Stimme hob sich zu ihrem höchsten Ton und hing in der Luft …

Wie ein Vogel, wie ein sich aufschwingender Vogel, falls sie die Schönheit des Tons nur zu schätzen wußten.

Gulja zog eine schreckliche Grimasse und nahm die Hand von ihrer Brust. Augenblicklich ließ sie den Ton um zwei Oktaven fallen. Sie bekam den Lacher. Den besten Lacher der Szene bis jetzt. Aber sie wußte, daß die Hälfte des Publikums lachte, weil Gulja so eine komische Miene zog, als er die Hand von ihrer Brust nahm. Er war ein Meister, ein wirklicher Meister des Fachs. Schade, daß seine Art der Komik in letzter Zeit etwas aus der Mode gekommen war. Er war mit dem Alter nur besser geworden, und doch entglitt ihm das Publikum. Es bevorzugte die verbitterteren, garstigeren, körperbezogenen Komödien der jungen Satiriker. Die brutalen, gewalttätigen Komödien, die zumindest immer die Illusion vermittelten, jemanden zu verletzen.

Die Szene ging weiter. Die Lacher kamen. Die Szene endete. Applaus. Kokor hastete erleichtert von der Bühne — und enttäuscht. Niemand im Publikum intonierte ihren Namen; noch nicht einmal einer hatte auch nur gepfiffen. Wie lange würde sie noch warten müssen?

»Zu nett«, sagte Tumannu, die Bühnenbesitzerin, mit verdrossenem Gesicht. »Der Ton soll klingen, als würdest du den sexuellen Höhepunkt erreichen. Und nicht wie ein Vogelschrei.«

»Ja, ja«, sagte Kokor. »Es tut mir leid.« Sie pflichtete immer allen bei und tat dann, was sie wollte. Diese Komödie war ihrer nicht würdig, wenn sie nicht zumindest dann und wann ihre Stimme in ihrem besten Licht präsentieren konnte. Und mit ihrem Triller hatte sie doch die Lacher bekommen, oder etwa nicht? Also konnte niemand behaupten, sie habe etwas falsch gemacht. Tumannu wollte nur, daß sie gehorsam war. Gehorsam war etwas für Kinder und Ehemänner und Haustiere.

»Nicht wie ein Vogel«, sagte Tumannu erneut.

»Wie wäre es denn mit einem Vogel, der den sexuellen Höhepunkt erreicht?« sagte Gulja, der direkt nach ihr die Bühne verlassen hatte.