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Doch seit diesem Augenblick war der Index nicht mehr als ein Führer zu einer riesigen Speicherbank. Vater und Issib studierten ihn, Nafai ebenfalls, doch die ganze Zeit über wartete Nafai auf irgendeine Nachricht — für sie alle oder vielleicht auch nur für ihn allein. Vielleicht auf eine besondere Nachricht nur für ihn, ein Wort der Ermutigung. Etwas, das das Versprechen erfüllen würde, daß die Überseele gemacht hatte, als sie durch Issibs Stuhl sprach und erklärt hatte, sie habe Nafai auserwählt, seine Brüder zu führen.

Bin ich auserwählt, Überseele? Warum sehe ich dann keine Auswirkungen deiner Gunst? Ich bin für dich zum Mörder geworden, und doch schickst du Elemak deine Vision von unseren Frauen. Und was hat er gesehen! Daß du Eiadh für ihn ausgewählt hast! Was hat deine Gunst mir also gebracht? Jetzt sprichst du zu Elemak, der gemeinsam mit Gaballufix Ränke geschmiedet hat, der versucht hat, mich zu töten; jetzt gibst du ihm die Frau, die ich so begehre — warum hat er diesen Traum empfangen und nicht ich? Ich wurde vor allen anderen erniedrigt. Ich werde Staub fressen müssen, ich werde mich Eljas Befehlen unterwerfen und ihm zu Diensten sein, zusehen müssen, wie Elja dieses liebe und wunderschöne Mädchen bekommt, das schon so lange meine Träume beseelt. Warum haßt du mich, Überseele? Was habe ich getan, abgesehen davon, dir zu dienen und gehorchen?

Die Kamele erklommen mit ihrer gemächlichen Kraft einen Hang, und Elemak führte sie am Rand eines Abgrunds entlang. Nafai sah über die Wüste hinaus und machte die wilden, messerscharfen Felsen und Klippen aus, zwischen denen nur hier und da spärliches, graugrünes Wüstenlaub wuchs. Die Überseele hat mir Leben versprochen, Größe und Ruhm und Freude, und nun bin ich hier, in dieser Wüste, folge meinen Brüdern, die sich mit Vaters Feind zusammengetan und, ob nun wissentlich oder nicht, Vaters Tod geplant haben. Ich habe der Überseele geholfen, Vaters Leben zu retten, und jetzt bin ich hier.

Ja, da bist du.

Nafai begriff nicht sofort, daß dies die Stimme der Überseele war, denn sie sprach in seinem Kopf, als wären es seine eigenen Gedanken. Doch er wußte aufgrund seiner geringen Erfahrungen, daß dieser Gedanke von außerhalb kam, wenn auch nur, weil er ihm zu antworten schien.

Er hingegen antwortete nun der Überseele — und das mit keinem besonderen Respekt. Oh, da bist du, sagte er stumm und sarkastisch. Hast du wieder mal an mich gedacht? Hoffentlich bemühe ich dich nicht.

Du bist mir sehr viele Mühen wert.

Zum Beispiel die, daß du Eiadh für meinen Bruder statt für mich ausgewählt hast.

Eiadh ist nicht für dich bestimmt.

Danke für deine Hilfe, sagte Nafai stumm. Danke, daß du mir in diesem Spiel mit meinen Brüdern ein so miserables Blatt gegeben hast.”

Ich habe es doch nicht allzu schlecht für dich eingerichtet, Nafai.

Vielleicht gebe ich dir nicht die guten Schulnoten, die du mir gibst. Ich habe für dich einen Menschen getötet.

Und in jedem Augenblick dieser Reise rette ich dein Leben.

Dieser Gedanke verblüffte Nafai. Unabsichtlich setzte er sich auf und sah sich um.

In jedem Augenblick dieser Reise lenke ich ihre Gedanken von ihrem Entschluß ab, dich zu töten.

Furcht und Haß nagten sich gleichzeitig den Weg durch Nafais Hals und tief in seinen Bauch hinab. Er spürte, wie die Regungen dort wühlten, wie kleine Tiere, die sich in ihm eingenistet hatten.

Es ist gut, daß du geschwiegen hast, sagte die Überseele. Es ist gut, daß du sie nicht provoziert oder auch nur daran erinnert hast, daß du sie auf dieser Reise begleitest. Denn mein Einfluß in ihrem Geist ist zwar stark, aber nicht unwiderstehlich. Wie könnte ich sie aufhalten, wenn ihr Zorn gegen dich heiß in ihnen aufwallen würde? Ich kann jetzt nicht durch Issibs Stuhl handeln.

Nafai wurde von Angst erfüllt und sehnte sich danach, zu Vaters Zelt zurückzukehren. Gleichzeitig war er verletzt und auf seine Brüder wütend. Warum hassen sie mich noch immer? Was habe ich ihnen getan?

Törichter Junge. Noch vor einem Augenblick hast du dir gewünscht, ich sollte deine Loyalität für mich belohnen, indem ich dir Macht über deine Brüder gebe. Glaubst du etwa, sie würden deinen Ehrgeiz nicht bemerken? Jedesmal, wenn ich mit dir spreche, hassen sie dich mehr. Jedesmal, wenn sich auf dem Gesicht deines Vaters Freude über deine schnelle Auffassungsgabe zeigt, über deine Herzensgüte, hassen sie dich mehr. Und wenn sie erfahren, daß du dir die Privilegien des ältesten Sohnes wünschst …

Die wünsche ich mir nicht! rief Nafai stumm. Ich will Elemak nicht verdrängen … ich will, daß er mich liebt, ich will, daß er mir ein wahrer älterer Bruder ist und nicht dieses Ungeheuer, das mich tot sehen will.

Ja, du willst, daß er dich liebt … und du willst, daß er dich respektiert … und du willst seine Stelle einnehmen. Glaubst du, du wärest immun gegen die Primateninstinkte in dir? Du wurdest geboren, um ein Alphamännchen in einem Stamm kluger Tiere zu sein, doch das gilt auch für ihn. Er wird von dieser Gier beherrscht. Aber kannst du, Nafai, nicht zivilisiert sein, kannst du den tierischen Teil von dir nicht unterdrücken und mir helfen, ein weit höheres Ziel zu erreichen, als es die Entscheidung darüber ist, wer das Leitmännchen einer Herde aufrecht gehender Paviane ist?

Nafai kam sich vor, als stünde er nackt vor seinen Feinden. Warum hast du mich erwählt, wenn ich nicht besser als Elemak bin, nicht besser als irgendein Männchen der Pavianherde bachabwärts von Vaters Zelt?

Weil du doch besser bist, weil du noch besser werden willst.

Dann hilf mir. Hilf mir, meine dunklen Begehren zu zügeln. Und wenn du schon einmal dabei bist, hilf auch Elemak. Ich weiß noch, wie er war, als er jünger war. Verspielt, liebevoll, freundlich. Er ist mehr als ein ehrgeiziges Tier, ich weiß es, auch wenn er selbst es vergessen hat.

Ich weiß es auch, antwortete die Überseele. Was glaubst du, weshalb ich Elemak diesen Traum gegeben habe? Damit er Gelegenheit bekommt, für meine Stimme empfänglich zu werden. Er hat fast dieselbe Empfänglichkeit wie du. Aber er hat sich vor langer Zeit entschlossen, mich zu hassen, meine Pläne zu vereiteln, wo er nur kann. Also hat meine Stimme ihm nichts bedeutet. Diesmal jedoch konnte ich ihm etwas sagen, das er hören wollte. Meine Absichten waren im Einklang mit den seinen. Was glaubst du, was wäre dein Leben noch wert, wenn ich dir gezeigt hätte, wer seine Frau sein soll? Glaubst du, er hätte Eiadh aus deiner Hand genommen?

Ich hätte ihm Eiadh auch nicht gegeben.

So. Du hättest mich ignoriert. Du hättest dich gegen mich aufgelehnt. Du redest dir ein, du hättest Gaballufix nur getötet, um mir und meinem erhabenen Zweck zu dienen … doch andererseits bist du bereit, gegen mich zu rebellieren und meine Absichten zu durchkreuzen, weil du eine Frau haben willst, die dein Leben ruinieren würde.

Das weißt du nicht. Du magst ein sehr kluger Computer sein, Überseele, aber du kennst nicht die Zukunft.

Ich kenne Eiadh, wie ich dich kenne. Und würdest du sie kennen, würdest du begreifen, daß sie niemals deine Frau sein kann.

Behauptest du, sie sei im Grunde ihres Herzens schlecht?

Ich behaupte, daß sie in einer Welt lebt, deren Schwerezentrum sie selbst ist. Ihre eigenen Wünsche sind ihr höchstes Ziel. Du hingegen, Nafai, wirst niemals zufrieden sein, bis du etwas erreicht hast, das die Welt verändern wird. Ich gebe dir dies, wenn du nur die Geduld hast, mir zu vertrauen, bis es soweit ist. Ich werde dir auch eine Frau geben, die dieselben Träume hat, die dir helfen wird, anstatt dich abzulenken.