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Das war also ihr Gatte: ihrer Hände Werk. Ihre Schöpfungen waren ein Gatte, der sie niemals betrügen würde, wie Rasas arme, kleine Tochter Kokor betrogen worden war. Ihre Forschungen waren ein Gatte, der niemals vergewaltigend und plündernd, mordend und brandschatzend durch die Stadt ziehen würde, wie Palwaschantus Männer es getan hatten, bis die Gorajni die Ordnung wiederhergestellt hatten. Ihre Forschungen würden eine Frau niemals dazu zwingen, sich in ihrem Haus zu verstecken, alle Lichter ausgeschaltet, einen Pulsator in den Händen, obwohl sie wahrscheinlich gar nicht wußte, wie sie ihn gegen einen Eindringling benutzen sollte. Niemand war gekommen, obwohl die Krawalle zweimal ihre Straße zu erreichen schienen. Aber sie hätte gekämpft, um ihre Keimlinge und Embryos zu schützen. Hätte gekämpft und, wenn sie herausgefunden hätte, wie es ging, getötet, um ihre Lebensarbeit zu schützen.

Doch nun war dieser Traum gekommen. Ein verwirrender Traum. Ein mächtiger Traum. Und sie konnte keine Ruhe finden, bis sie diesen Traum jemandem erzählt hatte.

Rasa. Wem sonst konnte sie ihn erzählen, wenn nicht Tante Rasa?

Also stand Schedemei auf, unternahm eine halbherzige Bemühung, ihr Haar vom Schlaf zu glätten, und ging auf die Straße hinaus. Ihr kam nicht in den Sinn, sich umzuziehen, obwohl sie in ihren Kleidern geschlafen hatte; sie schlief oft in ihren Kleidern und zog sich nur um, wenn sie zufällig einmal daran dachte, ein Bad zu nehmen.

Es waren schon zahlreiche Menschen auf den Straßen, so viele wie lange nicht mehr; die Furcht und das Mißtrauen, das Gaballufix in die Stadt gebracht hatte, hatte viele Leute dazu bewogen, in ihren Häusern zu bleiben. Es war fast eine Erleichterung, den turbulenten Strom der Fußgänger hierhin und dorthin wogen zu sehen. Fast ein Vergnügen, sich anrempeln zu lassen. Die Leichen der Söldner hingen nicht mehr von den Balkonen hinab, lagen nicht mehr einfach auf den Straßen. Nur der gelegentliche Anblick zweier gemeinsam Streife gehender Männer in den Uniformen der Wache Basilikas erinnerte Schedemei daran, daß die Stadt noch unter Militärherrschaft stand. Und der Rat würde heute entscheiden, wie die Gorajni-Soldaten zu entlohnen seien, und sie aus der Stadt schicken und die Stadtwache wieder in den Tordienst einsetzen. Dann würden keine Soldaten mehr auf den Straßen sein, außer sie reagierten auf einen Notruf. Dann war alles wieder in Ordnung. Alles wäre wie zuvor.

Als Beweis der Wiederherstellung des Friedens nahm sie die Tatsache, daß auf der Veranda von Rasas Haus zwei Klassen junger Mädchen unterrichtet wurden; sie lauschten den Lehrerinnen und stellten gelegentlich Fragen. Schedemei blieb einen Augenblick lang stehen, wie sie es so oft tat, um den Unterricht zu verfolgen und sich an ihre eigene, schon so lange zurückliegende Zeit als Schülerin auf genau dieser Veranda zu erinnern, oder in den Klassenzimmern oder Gärten von Rasas Haus. Hier wurden viele Mädchen aristokratischer Herkunft unterrichtet, doch Rasas Haus war keins für Snobs. Der Lehrplan war streng, und es gab immer Platz für viele Mädchen aus ganz gewöhnlichen Familien oder aus überhaupt keinen. Schedemeis Eltern waren Bauern gewesen, nicht einmal Bürger; nur aufgrund der entfernten Verwandtschaft ihrer Mutter mit einer Dienstmagd aus Basilika hatte Schedemei die Stadt überhaupt betreten dürfen. Und doch hatte Rasa sie aufgenommen, allein aufgrund eines Vorstellungsgesprächs, als Schedemei sieben Jahre alt gewesen war. Schedemei hatte damals noch nicht einmal lesen können, weil ihre Eltern auch nicht lesen konnten … aber ihre Mutter hatte ehrgeizige Pläne für sie gehabt, und dank Rasa hatte Schedemei sie alle verwirklichen können. Ihre Mutter hatte noch erlebt, daß sie ihre eigenen Räume bezogen hatte, und von dem ersten Geld für die scharfäugige, ungeziefervertilgende Spitzmaus, die sie entwickelt hatte, konnte Schedemei den Hof ihrer Eltern dem Großgrundbesitzer abkaufen, so daß sie ihre letzten Jahre als Grundeigentümer und nicht nur als Pächter verbringen konnten.

Und all das, weil Tanta Rasa eine arme, ungebildete Siebenjährige aufnahm, nur weil ihr gefallen hatte, wie der Verstand dieses Mädchens arbeitete, als sie mit ihm gesprochen hatte. Allein dafür hatte sie verdient, eine der großen Frauen Basilikas zu sein. Und aus diesem Grund unterrichtete Schedemei auch lediglich hier, in Rasas Haus, statt in den höheren Schulen. Zweimal jährlich übernahm sie eine Klasse von Tante Rasas besten Schülerinnen mit naturwissenschaftlicher Fachrichtung. Offiziell war Schedemei noch immer in Rasas Haus gemeldet — sie hatte sogar noch ein eigenes Zimmer hier, obwohl sie es seit ihrer letzten Unterrichtsstaffel nicht mehr benutzt hatte, und rechnete immer halbwegs damit, feststellen zu müssen, daß es von einer anderen Person bewohnt wurde. Aber das war nie der Fall gewesen, ganz gleich, wie beharrlich Schedemei auf der Pritsche in ihren Zimmern schlief. Rasa hielt immer ein Bett für sie frei.

Als Schedemei das Haus betreten hatte, mußte sie schnell herausfinden, daß Rasas Größe auch bedingte, sie erst am Nachmittag sprechen zu können. Obwohl Rasa zur Zeit kein Mitglied des Stadtrats war, hatte man sie gebeten, an der Sitzung heute morgen teilzunehmen. Damit hatte Schedemei nicht gerechnet. Sie kam sich verloren vor. Denn der Traum brannte noch immer in ihr und mußte erzählt werden.

»Vielleicht«, sagte das Mädchen, das sie bemerkt und angesprochen hatte, »kann ich dir irgendwie helfen.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Schedemei und lächelte freundlich. »Es war sowieso töricht.«

»Dummheit ist meine Spezialität«, sagte das Mädchen. »Ich kenne dich. Du bist Schedemei.« Sie sprach den Namen so ehrfürchtig aus, daß Schedemei ziemlich peinlich berührt war.

»Die bin ich. Verzeih mir, daß mir dein Name nicht einfällt. Aber ich habe dich schon oft hier gesehen.«

»Ich bin Luet«, sagte das Mädchen.

»Ach«, sagte Schedemei. Der Name brachte gewisse Assoziationen mit sich. »Die Wasserseherin«, sagte sie. »Die Herrin des Sees.«

Das Mädchen fühlte sich eindeutig geschmeichelt, daß Schedemei sie kannte. Aber welche Frau in Basilika hatte noch nicht von ihr gehört? »Noch nicht«, sagte Luet. »Vielleicht niemals. Ich bin erst dreizehn.«