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Das gab ihnen zu denken; ja, sie hatte noch immer die Macht, ihnen eine Geschichte zu erzählen und sie, zumindest einen Augenblick lang, durch ihre Augen sehen zu lassen.

»Schwestern, wäre ich der Ansicht, daß ich der Grund für alles Böse bin, das Basilika heimgesucht hat, würde ich die Stadt sofort verlassen. Ich liebe Basilika zu sehr, um die Ursache für ihren Fall zu sein. Doch ich bin nicht die Ursache. Die erste Ursache war die Gier Gaballufix’ — und er hat mich als ersten Versuch geheiratet, einen Eingriff gegen unsere uralten Gesetze zu machen. War es mein Mann, der private Soldaten in diese Stadt gebracht hat? Nein. Es war ein Mann, den ich als Gatte nicht mehr haben wollte. Ich habe Gaballufix zurückgewiesen, während viele von euch in diesem Rat immer wieder dafür gestimmt haben, seinen Mißbrauch zu tolerieren. Vergeßt das nicht!«

Oh, sie vergaßen es nicht, als sie auf ihren Stühlen zurückschreckten.

»Nun sind die Gorajna mit meinem Brief gekommen. Aber ich habe diesen Brief geschrieben, um einem jungen Stadtwächter Basilikas zu helfen, bei den Gorajni Schutz zu finden. Ich wußte, daß Raschgallivaks Söldner ihn bedrohten, und er hatte meinem Sohn geholfen, und so gab ich ihm den geringen Schutz, den ich ihm geben konnte. Nun sehe ich ein, daß dies ein schrecklicher Fehler war. Mein Brief machte sie auf unsere Schwäche aufmerksam, und sie sind gekommen, um sie zu nutzen. Aber ich habe unsere Schwäche nicht geschaffen, und wären wir heute morgen in einem besseren Zustand, als wir es nun sind, wenn die Gorajni nicht gekommen wären? Könnten wir überhaupt noch diese Versammlung abhalten, oder wären wir alle Opfer der Vergewaltigungen und Plünderungen der Palwaschantu-Söldner? Würde unsere Stadt in Schutt und Asche liegen? Also sagt mir, Schwestern, was ist besser, in einer schlechten Situation zu sein, in der es aber noch etwas Hoffnung gibt, oder völlig vernichtet worden zu sein, machtlos und ohne jede Hoffnung?«

Erneut ein Murmeln, doch sie hatte sie auf ihre Seite gezogen. Nur selten hatte sie so lange oder so nachdrücklich gesprochen — sie hatte schon lange herausgefunden, daß sie ihre Macht erhalten konnte, indem sie sich niemals offen zu etwas verpflichtete, sondern hinter den Kulissen arbeitete. Dennoch hatte sie schon oft genug gesprochen, um zu wissen, wie man sie — zumindest ein wenig — dazu bewegte, sich ihrem Willen zu beugen. Je öfter sie diese Macht einsetzte, um so weniger konnte sie damit bewegen, doch nun mußte sie sie benutzen, oder sie würde alles verlieren.

»Was wird geschehen, wenn wir ihm trotzen? Selbst, wenn er Wort hält und geht, bedeutet das noch lange nicht, daß unsere Stadtwache danach so fügsam sein wird, wie sie es früher einmal war. Und ich glaube nicht, daß er Wort halten wird. Habt ihr jemals gehört, daß General Vozmuzhalnoi Vozmozhno ein Dorf, ein Feld, einen Kieselstein aufgibt, den er erobert hat?« Ein lauter werdendes Murmeln. »Ja, es ist General Muuzh — wir waren Närrinnen, auch nur einen Augenblick lang etwas anderes zu vermuten. Welcher andere Gorajni-General hätte die Dreistigkeit, so vorzugehen wie er? Begreift ihr nicht, wie kühn und brillant sein Plan war? Er kam mit nur eintausend Mann hierher, doch in den wenigen entscheidenden Stunden glaubten wir, er habe hundertmal so viele. Er war gehorsam und unterwürfig, und doch hat er seine Soldaten dort eingesetzt, wo er sie einsetzen wollte, hat er unsere Stadtwache verführt und sich die Vorräte verschaff t, die er benötigte. Ständig entschuldigt er sich und bietet uns Erklärungen. Doch er lügt mit jedem Atemzug, den er macht, und nichts von dem, was er gesagt hat, war die Wahrheit. Er will Basilika dem Gorajni-Reich angliedern. Er wird uns niemals loslassen.«

Lautes Murmeln erfüllte den Raum, als sie eine Pause einlegte. Einige Frauen weinten. »Dann trotzt ihm!« rief eine Ratsherrin.

»Und welchen Sinn hätte Widerstand?« fragte Rasa. »Wie viele von uns würden sterben? Und was würden wir damit erreichen? Ein Fünftel unserer Stadt liegt schon in Schutt und Asche. Wir haben uns bereits entsetzt verkrochen, als betrunkene Männer durch unsere Stadt zogen. Was würde passieren, wenn die Plünderer nun nüchtern wären? Wenn es sich bei ihnen um dieselben disziplinierten Mörder handelte, die die Randalierer mit ihren eigenen Messern an die Mauern genagelt haben? Dann gäbe es keine Zuflucht mehr für uns!«

»Was … schlägst du also vor, Herrin Rasa?«

»Gebt ihm, was er verlangt. Die Erlaubnis zu bleiben. Doch stellt die Bedingung, daß seine Soldaten ihre Lager außerhalb der Stadtmauern aufschlagen. Laßt sie dieselben Eide ablegen, die Männer ablegen müssen, wenn sie die Ehe mit uns eingehen — daß sie die verbotenen Teile der Stadt nicht betreten, keinen Grundbesitz erwerben und die Stadt verlassen, wenn der Ehevertrag abgelaufen ist.«

Ein Gemurmel der Zustimmung.

»Aber wird er das auch akzeptieren, Herrin Rasa?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte sie. »Doch bislang hat er zumindest immer so getan, als wolle er sich unseren Wünschen fügen. Verkünden wir unser Angebot so öffentlich wie möglich und hoffen wir, daß es für ihn bequemer ist, die Bedingungen zu akzeptieren, als gegen sie vorgehen zu müssen.«

Rasas Ermahnungen schössen weit über das Ziel hinaus. Ja, sie nahmen ihren Vorschlag fast einstimmig an. Aber sie ernannten sie auch zu der Botschafterin, die General Muuzh ihre »Einladung« überbringen sollte. Sie freute sich nicht gerade auf dieses Gespräch, und ihr blieb noch nicht einmal Zeit für Überlegungen, was sie sagen oder wie sie sich verhalten sollte. Die Einladung mußte persönlich und augenblicklich übergeben werden; sie wurde auf der Stelle ausgedruckt, unterschrieben und mit dem Siegel versehen, und der Stadtrat sah ihr nach, als sie mit dem Dokument in der Hand die Kammer verließ, nur wenige Minuten vor Ablauf der Frist, die sie selbst gesetzt hatten.

Es war nicht Mebbekews bester Morgen. Er war pflichtgemäß über die verbotenen Hänge Basilikas gestapft, während Nafai vorausging, genau, wie er Elemak den ganzen Weg durch die Wüste und dann um die Stadt herum zum Wald in Basilikas Norden gefolgt war. Doch als sie dann in Sichtweite von Rasas Haus waren, war er davongeschlüpft. Er hatte nicht die Absicht, eine Schachfigur in ihrem Spiel zu sein. Wenn sie hier Frauen besorgen wollten, würde Mebbekew sich die seine selbst aussuchen, besten Dank. Er würde auf keinen Fall hinter seinem älteren Bruder hertrotten und auf ewig nur die zweite Wahl bekommen; noch würde er die Erniedrigung schlucken, ins Haus der Mutter seines kleinen Bruders zu gehen und sie zu bitten, ihm eine ihrer kostbaren Nichten zu geben. Elemak hatte sein Herz an diese Porzellanpuppe Eiadh verloren … nun ja, das war sein gutes Recht. Mebbekew hingegen zog Frauen mit Blut in den Adern vor, Frauen, die beim Liebesspiel stöhnten und knurrten, Frauen voller Vitalität und Kraft. Frauen, die Mebbekew liebten.

Nun ja, er fand schnell heraus, wie nötig Vitalität und Kraft waren! Die Brände hatten am schlimmsten in der Puppenstadt und in Dauberville gewütet, und so wohnten nur noch wenige seiner alten Freundinnen in den Häusern, die er noch gekannt hatte. Die wenigen, die er fand, freuten sich, ihn zu sehen. Sie bedeckten ihn mit Tränen und Küssen und waren bereit, ihn sofort aufzunehmen. Aber wo sollte er mit ihnen wohnen? In einem halb niedergebrannten Haus ohne fließendes Wasser? Und warum wollten sie ihn aufnehmen? Damit er die harte Männerarbeit leisten konnte, die für den Neuaufbau und die Reparaturen erforderlich war; und damit er sie beschützen konnte. Was für ein Witz! Mebbekew, der ein armes, verängstigtes Mädchen beschützte! Zweifellos würden sie ihn großzügig mit ihren Körpern belohnen, wenn er die Rolle spielte, die sie ihm zugedacht hatten, doch das war es nicht wert — keine Frau war dies im Augenblick wert, solange ihre Bedürfnisse noch größer waren als die seinen. Er war nicht hier, um jemanden zu beschützen oder zu versorgen, sondern um Schutz und Fürsorge zu finden.