»Ah, aber jetzt schmeichelst du mir«, entgegnete er.
Sie lachte leise, trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. »Wenn du wirklich Mebbekew bist, bringe ich dich ins Haus.«
Er wich einen Schritt vor ihr zurück. »Rühr mich nicht an! Ich bin schmutzig! Wenn man zwei Tage durch die Wüste reist, riecht man nicht gerade nach dem besten Parfüm, und wenn mein Körpergeruch dich nicht umbringt, wird mein Mundgeruch es bestimmt schaffen.«
»Ich habe nicht erwartet, daß du nach Blumen riechst«, sagte sie. »Ich gehe das Risiko ein, deine Hand zu nehmen und dich ins Haus zu führen.«
»Dann kommt dein Mut deiner Schönheit gleich«, sagte er und nahm ihre Hand. »Bei der Überseele«, flüsterte er, »deine Hand ist kühl und weich.«
Sie lachte erneut — eine Schauspielerin mit der Erfahrung, die Dol gehabt hatte, als sie damals berühmt gewesen war, würde sich von bloßer Schmeichelei niemals täuschen lassen. Doch Mebbekew nahm an, daß ein paar Jahre vergangen waren, seit jemand sich zum letzten Mal die Mühe gemacht hatte, ihr überhaupt zu schmeicheln, so daß schon allein die Tatsache, daß er es für einen Versuch wert hielt, eine Art Über-Schmeichelei war, gegen die sie sich nicht schützen konnte.
»Du mußt so etwas nicht sagen«, entgegnete sie. »Tante Rasa hat Anweisungen hinterlassen, dich einzulassen, sobald du — wie sie es ausgedrückt hat — sobald du >die Freundlichkeit hast, hier aufzutauchen«
»Hätte ich gewußt, daß ich dich hier finden würde, Herrin, wäre ich schon viel früher gekommen. Und wie du sagst, ich muß niemandem schmeicheln, um heute morgen in Rasas Haus eingelassen zu werden. Was ich dir jetzt also sage, ist keine Schmeichelei. Es kommt aus tiefstem Herzen. Als ich ein Junge war, habe ich mich in die Schauspielerin Dolja verliebt. Jetzt sehe ich dich mit den Augen eines Mannes. Ich sehe dich als Frau. Und ich weiß, daß deine Schönheit nur größer geworden ist. Ich habe nie gewußt, daß du eine von Rasas Nichten bist, oder ich wäre auf der Schule geblieben.«
»Ich war ihre Nichte. Jetzt bin ich hier Lehrerin. Ich unterrichte gutes Benehmen und so weiter. Insbesonders habe ich Eiadh ausgebildet. Du weißt schon, das Mädchen, das dein Bruder Elemak umwirbt.«
»Es sieht Elemak ähnlich, die schwache Kopie zu umwerben und das Original zu ignorieren.« Mebbekew hielt absichtlich die Blicke auf ihr Gesicht gerichtet, aber nicht auf die Augen — statt dessen betrachtete er ihre Lippen, das Haar, all ihre Züge, und wußte dabei genau, daß sie sah, wie sich seine Augen bewegten und er sie in sich aufnahm. »Elemak ist übrigens nur mein Halbbruder«, sagte Mebbekew. »Wenn ich mich gewaschen habe, wirst du feststellen, daß ich viel besser aussehe.«
Sie lachte, aber er wußte, daß er ihr Interesse gewonnen hatte — er hatte schon vor langer Zeit gelernt, daß Schmeicheleien immer funktionierten und auch dem ungeheuerlichsten, unehrlichsten Lob Glauben geschenkt wurde, wenn man es nur oft und beredtsam genug wiederholte. Doch in diesem Fall mußte er wirklich nicht lügen. Dol war wunderschön, obwohl natürlich nicht mehr annähernd so entzückend wie damals, als sie ein ätherisches Kind von dreizehn Jahren gewesen war. Doch sie hatte Anmut und Haltung und ein betörendes Lächeln, und nun, da er sie ein paar Minuten lang bearbeitet hatte, waren ihre Augen hell und groß, wann immer sie ihn ansah. Es war Begehren. Er hatte die Begierde in ihr entfacht. Es war natürlich nicht die Begierde nach Leidenschaft, sondern eher der Wunsch, mehr von seinem Lob für ihre Schönheit zu hören, mehr von seinen verbalen Streicheleinheiten. Und doch wußte er aus Erfahrung, daß es kein großes Problem sein würde, sie von dem einen zum anderen zu bringen, falls er nach dem Frühstück und einem Bad nicht zu müde war.
Sie führte ihn in ihr eigenes Schlafzimmer — ein gutes Zeichen —, während das Personal ein Bad für ihn einließ. Er lag noch immer im Wasser und genoß seine Sauberkeit, als sie mit einem Krug Wasser und einem Tablett mit Speisen hereinkam. Sie trug es selbst, und sie waren allein. Die ganze Zeit über plauderte sie vor sich hin — nicht nervös, sondern ziemlich gelassen. Das war Mebbekews größtes Talent — die Frauen fühlten sich in seiner Gegenwart so wohl, daß sie so offen sprachen wie normalerweise nur mit ihren Freundinnen.
Während sie sich unterhielten, erhob er sich in der Wanne; als sie sich umdrehte — sie hatte gerade das Tablett auf ihre Kommode gestellt —, stand er ganz nackt da und trocknete sich ab. Sie rang heftig nach Atem und wandte den Blick ab.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Mir ist nicht in den Sinn gekommen, daß ich dich erschrecken könnte. In deiner Zeit als Schauspielerin mußt du doch viele Männer gesehen haben — ich stand auch auf der Bühne, und hinter ihr ist niemand schüchtern oder sittsam.«
»Ich war jung«, sagte Dol. »Sie haben mich in jener Zeit stets beschützt.«
»Dann komme ich mir vor wie ein Tier«, sagte Mebbekew. »Ich wollte dich nicht schockieren.«
»Nein«, sagte sie. »Nein, ich bin nicht schockiert.«
»Das Problem ist nur, daß ich nichts zum Anziehen habe. Ich glaube kaum, daß es sehr hilf reich wäre, wenn ich meine alten Sachen wieder anziehen würde.«
»Die Dienstboten haben sie schon zum Waschen mitgenommen. Aber ich habe einen Bademantel für dich.«
»Einen von deinen? Ich bezweifle, daß er mir passen wird.« Die ganze Zeit über hatte er sich natürlich weiterhin abgetrocknet und nicht die geringsten Anstalten unternommen, sich zu bedecken. Und während ihres Gesprächs hatte sie sich wieder umgedreht und betrachtete ihn nun ziemlich offen. Da alles so glatt lief, und er vermutete, daß er ziemlich bald mit dieser Frau schlafen würde, war sein Körper ziemlich munter geworden. Als er sie das erstemal dabei ertappte, daß sie ihm zwischen die Beine sah, gab er vor, es erst jetzt zu bemerken, und hielt sich umständlich das Handtuch vor. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich war so lange allein in der Wüste, und du bist so schön — ich Wollte dich nicht beleidigen.«
»Du hast mich nicht beleidigt«, sagte sie. Und nun konnte er auch die Begierde in ihren Augen sehen. Jetzt wollte sie mehr als nur schöne Worte von ihm. Wie er vermutet hatte, war die Zahl ihrer Verehrer wohl nicht mehr so groß. Bei ihrer Schönheit hätte sie in der Puppenstadt keinen Mangel an Liebhabern gehabt, doch als Lehrerin in Rasas Haus boten sich wahrscheinlich nicht so viele Gelegenheiten. Also war sie mit großer Sicherheit genauso begierig wie er.
Deshalb war er nach Basilika gekommen. Nicht wegen dieser verängstigten, hungrigen Frauen in der Puppenstadt, die einen starken und zuverlässigen Mann suchten, sondern wegen dieser Frau, bei der er nur leidenschaftlich und schmeichelnd und lustig sein mußte. Dol fühlte sich in Rasas Haus noch immer so sicher und bequem, daß sie tun konnte, was man von den Frauen Basilikas eigentlich erwartete — die Männer aus eigener Kraft zu ernähren und von ihren Liebhabern lediglich etwas Vergnügen und Aufmerksamkeit zu verlangen.
Sie brachte ihm ihren Bademantel. Wahrscheinlich hätte er es schon getan, doch Mebbekew stieß die Arme so tief in die Ärmel, daß sie ihm gerade noch bis zu den Ellbogen reichten. »Oh, das klappt tatsächlich nicht«, sagte sie.
»Es spielt jetzt kaum noch eine Rolle«, sagte er. »Ich habe nicht mehr gerade viele Geheimnisse vor dir!«
Natürlich hatte er das Handtuch fallen lassen, als er den Bademantel anzuziehen versuchte. Noch während er den Bademantel auszog, bückte er sich, um es aufzuheben. Doch als er sich wieder erhoben hatte, nahm sie ihm sowohl den Bademantel als auch das Handtuch ab. »Du hast recht«, sagte sie. »Jetzt müssen wir uns auch nicht mehr um Sittsamkeit bemühen.« Sie warf den Bademantel und das Handtuch in eine Ecke und brachte ihm dann von dem Tablett auf der Kommode ein paar Trauben. »Hier«, sagte sie.