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Nein, das war es ganz und gar nicht. Muuzh hat einfach darauf vertraut, mich überzeugen zu können, klug und zum Besten Basilikas vorzugehen. Und deshalb werde ich Kandidaten für ihn suchen, falls es möglich ist, mir jemanden vorzustellen, der als Konsul dienen könnte, weil die Gorajni es so wollen, und dem trotzdem das Volk, der Rat und die Wache treu ergeben sind. Falls es möglich ist, werde ich dem General solch einen Namen nennen.

»Ich muß mit meinen Kindern sprechen«, sagte Rasa. »Mit ihnen allen.«

Luet musterte sie einen Augenblick lang und wußte nicht, was sie tun sollte. So verhielt sich vielleicht eine Herrin gegenüber ihren Dienstboten: sie gab Befehle, ohne daß es diesen Anschein hatte. Doch Luet war kein Dienstmädchen in diesem Haus, war nie eins gewesen, und deshalb erwartete man von ihr, solche Äußerungen von Wünschen zu ignorieren. Doch Rasa schien nicht zu begreifen, daß sie wie zu einem Dienstmädchen gesprochen hatte, während doch gar keins anwesend war. »Herrin«, sagte sie, »schickst du mich auf diesen Botengang?«

Rasa sah sie fast überrascht an. »Es tut mir leid, Luet. Ich vergaß, wer bei mir ist. Ich habe nicht meinen besten Tag. Würdest du bitte meine Kinder und die meines Mannes suchen und ihnen sagen, daß ich sie jetzt sprechen möchte?«

Nun war es ein Ersuchen, eine Bitte, die sie ihr persönlich gestellt hatte, und so verbeugte Luet sich natürlich und ging, um das Personal zu bitten, ihr zu helfen. Nicht, daß Luet die Aufgabe nicht bereitwillig persönlich ausgeführt hätte, aber Rasas Haus war groß, und wenn Rasas Bitte dringend war — wie es den Anschein hatte —, machten sich besser mehrere Leute auf die Suche. Außerdem würde das Personal wahrscheinlich sowieso wissen, wo die Gesuchten sich aufhielten.

Es war kein Problem, herauszufinden, wo sich Nafai, Elemak, Sevet und Kokor aufhielten, und Dienstboten auszuschicken, sie zu holen. Mebbekew jedoch hatte man seit einigen Stunden nicht mehr gesehen, nicht mehr, seitdem er das Haus betreten hatte. Schließlich erwähnte Izdavat, ein junges Dienstmädchen, dessen Eifer größer war als sein Verstand, zögernd, es habe Mebbekews Frühstück in Dols Zimmer gebracht. »Aber das war schon vor geraumer Zeit, Herrin.«

»Ich bin nur Schwester oder Luet, bitte.«

»Soll ich nachsehen, ob er noch dort ist, Schwester?«

»Nein, danke«, sagte Luet. »Es wäre unschicklich für ihn, sich noch dort aufzuhalten, und deshalb werde ich Dolja fragen, wo er ist.«

Luet war nicht überrascht, daß es Mebbekew bereits gelungen war, eine Frau für sich einzunehmen, selbst in diesem Haus, in dem man die Frauen lehrte, oberflächliche Männer zu durchschauen. Doch es überraschte sie wirklich, daß Dolja dem Jungen ein gemütliches Nest bot. In ihrer Zeit beim Theater war sie von zahlreichen erfahrenen Schmeichlern und Speichelleckern bearbeitet worden; sie hätte Mebbekew nicht die geringste Beachtung schenken sollen, außer, um insgeheim über ihn zu lachen.

Andererseits jedoch wußte Luet ganz genau, daß sie Schmeicheleien leichter durchschaute als die meisten Frauen, denn die Schmeichler versuchten niemals ernsthaft, sie mit ihrer verführerischen Magie zu umgarnen. Wasserseherinnen standen im Ruf, Lügen zu durchschauen — doch um die Wahrheit zu sagen, konnte Luet nur sehen, was die Überseele ihr zeigte, und die Überseele war nicht gerade bekannt dafür, einer Tochter bei derem Liebesleben zu helfen. Als ob ich ein Liebesleben hätte, dachte Luet. Als ob ich eins brauchte. Die Überseele hat mir meinen Weg gezeigt. Und wo mein Weg das Leben anderer Menschen berührt, wird die Überseele ihnen ihren Willen kundtun. Darauf vertraue ich. Mein Gatte wird mich als seine Ehefrau entdecken, wenn die Überseele es für richtig hält. Und damit bin ich zufrieden.

Zufrieden … sie hätte fast über sich gelacht. All meine Träume sind mit diesem Jungen verknüpft, wir standen gemeinsam auf der Schwelle des Todes, und doch verzehrt er sich in seiner Sehnsucht nach Eiadh. Besteht das Leben eines Mannes lediglich aus den Absonderungen überaktiver Drüsen? Können sie die Welt, die sie umgibt, nicht analysieren und verstehen, wie die Frauen es tun? Kann Nafai nicht einsehen, daß Eiadhs Liebe so beständig sein wird wie Regen, daß sie verdunsten wird, sobald der Sturm vorbeigezogen ist? Edhja braucht einen Mann wie Elemak, der ihr streunendes Herz nicht dulden wird. Während Nafais Herz wegen ihrer Untreue brechen würde, wäre Elemak brutal wütend, und Eiadh, das arme, törichte Geschöpf, würde sich nur wieder von vorn in ihn verlieben.

Nicht, daß Luet das alles selbst gesehen hätte. Huschidh nahm all diese Zusammenhänge wahr, all diese Fäden, die die Menschen verbanden; Huschidh hatte ihr erklärt, daß Nafai keine Notiz von Luet nahm, weil er so verliebt in Eiadh war. Und Huschidh hatte auch die Verbindung zwischen Elemalk und Eiadh gesehen und verstanden, wieso sie so gut zueinander paßten.

Und nun Mebbekew und Dol. Nun, das war ein weiteres Teil des Puzzles, nicht wahr? Als Luet ihre Vision von den Frauen im Wald hinter Rasas Haus gehabt hatte, in jener Nacht, als sie zurückgekehrt war, nachdem sie Wetschik gewarnt hatte, daß sein Leben in Gefahr war, hatte die Vision keinen Sinn für sie ergeben. Doch jetzt wußte sie, warum sie Dolja gesehen hatte. Sie würde Mebbekew begleiten, wie Eiadh Elemak begleiten würde. Schedemei würde auch mit in die Wüste kommen, oder zumindest etwas mit ihrer Reise zu tun haben und Keimlinge und Embryos für sie zusammentragen. Und Huschidh würde auch mitkommen. Und Tante Rasa. Luets Vision hatte den Frauen gegolten, die in die Wüste hinausgerufen wurden.

Arme Dolja. Wenn sie gewußt hätte, daß sie alles in die Wege geleitet hatte, Basilika zu verlassen, als sie Mebbekew in ihr Zimmer geholt hatte, hätte sie ihm einen Tritt in den Hintern gegeben und, wenn nötig, ihn gebissen und geschlagen, um ihn wieder hinauszuwerfen! Wie die Dinge standen, nahm Luet jedoch an, sie beide dort zu finden.

Sie klopfte an Dols Tür. Wie erwartet, vernahm sie dahinter die Geräusche hastiger Bewegungen. Und ein leises, dumpfes Poltern.

»Wer ist da?« fragte Dol.

»Luet.«

»Ich bin im Augenblick nicht passend gekleidet.«

»Das bezweifle ich nicht«, sagte Luet, »doch Herrin Rasa hat mich mit einer dringenden Nachricht geschickt. Darf ich hereinkommen?«

»Ja, natürlich.«

Luet öffnete die Tür und fand Dolja im Bett vor, die Laken bis zu den Schultern hochgezogen. Von Mebbekew war natürlich nichts zu sehen, aber das Bett war zerwühlt, in die Badewanne war graues Wasser eingelassen, und ein paar Weintrauben lagen auf dem Boden — eine viel zu große Unordnung, als daß Dolja lediglich ein kleines Mittagsschläfchen gehalten hätte.

»Was will Tante Rasa von mir?« fragte Dol.

»Von dir nichts, Dol«, sagte Luet. »Sie will, daß all ihre Kinder und die des Wetschiks sofort zu ihr kommen.«

»Warum klopfst du dann nicht an Sevets oder Kokors Tür? Sie sind nicht hier.«

»Mebbekew weiß, weshalb ich hier bin«, sagte Luet. Sie erinnerte sich an das dumpfe Poltern, und in Anbetracht der Tatsache, wie wenig Zeit vergangen war, bis sie die Tür geöffnet hatte, konnte sie einen Rückschluß auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort ziehen. »Wenn ich die Tür wieder schließe, kann er sich vom Boden hinter deinem Bett erheben, sich anziehen und zu Herrin Rasas Zimmer kommen.«

Dol schaute betroffen drein. »Verzeihe mir, daß ich versucht habe, dich zu täuschen, Wasserseherin«, flüsterte sie.

Manchmal wollte Luet vor Wut schreien, weil jeder anzunehmen schien, daß es sich um eine Enthüllung der Überseele handeln mußte, wenn sie auch nur den Funken von Intelligenz bewies — als wäre Luet nicht imstande, eigene Schlüsse zu ziehen. Doch Luet mußte eingestehen, daß dies auch ganz nützlich sein konnte. Nützlich in der Hinsicht, daß die Menschen eher dazu bereit waren, ihr die Wahrheit zu sagen, weil sie glaubten, Luet würde sie sowieso bei ihren Lügen ertappen. Doch der Preis für diese Wahrheitsliebe bestand darin, daß sie sich in ihrer Gesellschaft nicht wohl fühlten und sie mieden. Nur Freunde teilten solche Vertraulichkeiten miteinander, und auch nur freiwillig. Da sie gezwungen waren — wie sie zumindest glaubten —, ihre Geheimnisse mit Luet zu teilen, enthielten sie ihr ihre Freundschaft vor, und Luet konnte daher am Leben der meisten Frauen in ihrer Umgebung nicht teilnehmen. Sie betrachteten sie mit fürchterlicher Ehrfurcht: Deshalb fühlte sich Luet in ihrer Gesellschaft unwürdig und war darüber gleichzeitig wütend.