»Also bringe es hinter dich und töte mich«, sagte Raschgallivak.
»Sehr dramatisch«, sagte Muuzh. »Ich habe gesagt, ich brauche nichts, was du hast, aber vielleicht will ich etwas, und vielleicht will ich es so dringend, daß ich dich nicht blenden oder kastrieren lasse oder sonst etwas mit dir anstelle, bevor ich dich als Verräter an deiner Stadt verbrennen lasse.«
»Ja, so sehr liegt Basilika dir am Herzen«, sagte Raschgallivak.
»Du hast mir diese Stadt gegeben, du armer Narr. Deine” Dummheit und Brutalität haben sie mir in den Schoß fallen lassen. Nun ist sie das strahlendste Juwel in meinem Besitz. Ja, Basilika liegt mir sehr am Herzen.«
»Nur, wenn du die Stadt auch behalten kannst«, sagte Raschgallivak.
»Oh, ich versichere dir, ich werde dieses Juwel behalten. Entweder, indem ich es trage, um mich damit zu schmücken oder indem ich es zu Pulver zermahle und verschlucke.«
»So furchtlos bist du also, tapferer General. Und doch hast du Herrin Rasa unter Hausarrest gestellt.«
»Es gibt noch immer viele Wege, denen ich folgen kann«, sagte Muuzh. »Aber ich kenne keinen, der nicht zu deinem augenblicklichen Tod führt. Also mußt du schon etwas mehr bieten, als mir zu sagen, was ich sowieso schon weiß.«
»Ob es dir gefällt oder nicht«, sagte Raschgallivak, »ich bin der rechtmäßige Wetschik und Führer des Palwaschantu-Klans, und obwohl mir im Augenblick niemand viel Liebe entgegenbringt, würden die besitzlosen Männer außerhalb der Stadtmauern zu mir überlaufen, wenn sie sehen, daß ich in deiner Gunst stehe und etwas Macht zu vergeben habe. Ich könnte dir nützlich sein.«
»Wie ich sehe, hegst du ein paar pathetische Träume, mir die Macht hier streitig zu machen.«
»Nein, General«, sagte Raschgallivak. »Ich war mein ganzes Leben lang Verwalter und habe lediglich versucht, das Haus Wetschik aufzubauen und zu stärken. Gaballufix hat mir eingeredet, einem Ehrgeiz gemäß zu handeln, den ich niemals hatte, bis er ihn mich spüren ließ. Ich hatte seitdem genug Gelegenheit zu bereuen, auf ihn gehört zu haben, und mich dafür zu verachten, herumstolziert zu sein, als wäre ich ein großer Führer, wo ich in Wirklichkeit doch ein geborener Verwalter bin. Ich war war glücklich, als ich einem Mann diente, der stärker war, als ich es bin. Ich war stolz darauf, immer dem stärksten Mann Basilikas gedient zu haben.
Der bist im Augenblick du, und wenn du mich am Leben läßt und Verwendung für mich findest, wirst du feststellen, daß ich ein Mann mit vielen nützlichen Talenten bin.«
»Darunter auch bedingungslose Treue?«
»Ich weiß, daß du mir nie vertrauen wirst. Ich habe den Wetschik verraten … zu meiner Schande. Aber das tat ich erst, als Volemak schon im Exil und machtlos war. Du wirst niemals schwach sein oder versagen, und daher kannst du mir bedingungslos vertrauen.«
Muuzh mußte unwillkürlich lachen. »Du sagst mir, ich könne dir vertrauen, weil du ein zu großer Feigling bist, um einen starken Mann zu verraten?«
»Ich hatte genügend Zeit, mich wirklich kennenzulernen, General Vozmuzhalnoi Vozmozhno. Ich habe nicht den Wunsch, entweder dich oder mich zu betrügen.«
»Ich könnte jeden beliebigen Mann als Führer des Pöbels einsetzen, der sich Palwaschantu nennt«, sagte Muuzh. »Oder ich könnte ihn selbst führen. Warum soll ich dich am Leben lassen, wenn ich von deinem öffentlichen Geständnis und deiner Hinrichtung doch viel mehr gewinnen kann?«
»Du bist ein brillanter General und Anführer, aber du kennst Basilika noch immer nicht.«
»Ich kenne die Stadt so gut, um sie zu beherrschen, ohne auch nur einen einzigen meiner Männer verloren zu haben.«
»Wenn du so allwissend bist, General Vozmuzhalnoi Vozmozhno, weiß du natürlich auch, warum es so wichtig ist, daß Schedemei heute ein Dutzend Trockenbehälter von mir gekauft hat.«
»Spiele keine Spielchen mit mir, Raschgallivak. Du weißt, daß ich keine Ahnung habe, wer dieser Schedemei ist oder was es zu bedeuten hat, daß er Trockenbehälter gekauft hat.«
»Schedemei ist eine Frau, Herr. Eine berühmte Wissenschaftlerin. Eine sehr begabte Genetikerin — sie hat unter anderem einige sehr beliebte neue Pflanzen entwickelt.«
»Wenn du auf etwas Bestimmtes hinaus willst …«
»Schedemei ist auch eine Lehrerin in Rasas Haus und eine ihrer geschätztesten Nichten.«
Aha. Also hatte Raschgallivak vielleicht doch etwas Interessantes anzubieten. Muuzh wollte mehr erfahren.
»Trockenbehälter werden dazu benutzt, Keimlinge und Embryos über große Entfernungen hinweg zu transportieren, ohne sie einzufrieren. Sie hat mir gesagt, daß sie ihr gesamtes Labor an einen entfernten Ort verlegen will und dafür Trockenbehälter braucht.«
»Und du hast ihr nicht geglaubt.«
»Es ist unvorstellbar, daß Schedemei ihr Labor ausgerechnet jetzt verlegen will. Die Gefahr ist eindeutig vorbei, und normalerweise hätte sie sich einfach in ihre Arbeit vergraben. Sie ist eine sehr hingebungsvolle Wissenschaftlerin. Sie nimmt die Welt um sie herum kaum wahr.«
»Also vermutest du, daß dieser Plan von Rasa kommt.«
»Rasa ist seit vielen Jahren mit Wetsch verheiratet — mit Volemak, dem ehemaligen Wetschik. Er hat die Stadt vor einigen Wochen verlassen, angeblich, weil eine Vision der Überseele es ihm befohlen hat. Seine Söhne kamen in die Stadt zurück und versuchten, Gaballufix den Palwaschantu-Index abzukaufen.«
Raschgallivak hielt inne, als wartete er darauf, daß Muuzh einen Zusammenhang sah; aber natürlich wußte Raschgallivak, daß es Muuzh an den notwendigen Informationen mangelte, irgendeine Schlußfolgerung zu ziehen. Raschgallivak versuchte auf diese Weise, Muuzh klarzumachen, daß er ihn brauchte. Aber Muuzh hatte nicht die Absicht, sich auf dieses Spiel einzulassen. »Entweder du sagst es mir, oder du sagst es mir nicht«, erklärte er. »Dann werde ich entscheiden, ob ich dich brauchen kann oder nicht. Wenn du weiterhin glaubst, du könntest mein Urteil beeinflussen, erweist du dich nur als wertlos für mich.«
»Es ist klar, daß Volemak noch immer davon träumt, hier in Basilika zu herrschen. Warum sonst wollte er den Index haben? Er ist nur von Wert als Symbol der Macht unter den Palwaschantu; er erinnert sie an die sehr, sehr lange zurückliegende Zeit, als sie nicht von Frauen beherrscht wurden. Rasa ist seine Frau und eine sehr mächtige obendrein. Sie kann dir schon allein gefährlich werden — gemeinsam mit ihrem Mann wäre sie eine wahrhaft furchtbare Bedrohung. Wer sonst könnte die Stadt gegen dich vereinen? Schedemei würde sich nicht auf diese Reise vorbereiten, wenn Rasa sie nicht darum gebeten hätte. Daher müssen Rasa und Volemak einen Plan haben, zu dessen Durchführung sie Trockenbehälter benötigen.«
»Und was für ein Plan wäre das?«
»Wie ich schon sagte, Schedemei ist eine brillante Genetikerin. Was, wenn sie irgendeinen Schimmel oder Pilz entwickelt, der sich wie eine Krankheit in Basilika ausbreitet? Und nur Rasas und Volemaks Gefolgsleute hätten das Mittel, mit dem man ihn abtöten kann?«
»Ein Pilz. Und du glaubst, das wäre eine Waffe gegen die Soldaten der Gorajni?«
»Noch nie wurde so etwas als Waffe benutzt, Herr«, sagte Raschgallivak. »Ich kann es mir selbst kaum vorstellen. Aber stelle dir einmal vor, wie gut deine Soldaten kämpfen würden, wenn ihre Körper mit einem scheußlichen, unerträglichen Juckreiz bedeckt wären.«
»Ein Juckreiz«, echote Muuzh. Es klang absurd, lachhaft. Und doch könnte es vielleicht funktionieren — Soldaten, die von einem juckenden, nicht auszurottenden Pilz befallen waren, würden nicht gut kämpfen. Noch konnte man die Stadt problemlos beherrschen, wenn die Menschen unter solch einer Krankheit litten. Regierungen wurden nie geliebt, wenn sie mit Krankheiten oder Hungersnöten nicht fertig wurden. Muuzh hatte diese Tatsache schon oft gegen Feinde des Imperators benutzt. War es möglich, daß Rasa und Volemak so klug, so bösartig waren, daß sie sich eine so unvorstellbare Waffe vorstellen konnten? Eine Wissenschaftlerin als Waffenschöpferin zu mißbrauchen — wie konnte Gott zulassen, daß so etwas Abscheuliches über die Welt kam?