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Raschgallivak und Rasa als Ehepaar. Es klang so angenehm dynastisch. Zweifellos sahen Rasch’ Träume auch vor, Muuzh eines Tages zu verdrängen und aus eigenem Recht zu herrschen. Nun ja, Muuzh konnte ihm diese Träume kaum verübeln. Aber es würde bald eine Dynastie geben, die Rasch’ armselige Träume bei weitem übertreffen würde. Rasch konnte die Herrin Rasa zur Frau nehmen, doch was war das schon angesichts der ruhmreichen Ehe zwischen der Wasserseherin oder der Entwirrerin und General Muuzh persönlich? Das wäre eine Dynastie, die tausend Jahre lang Bestand haben konnte. Das wäre eine Dynastie, die das schwache Haus dieses armseligen, kleinen Mannes stürzen konnte, der es wagte, sich als Inkarnation Gottes auszugeben — der Imperator, dessen Macht nichts sein würde, wenn Muuzh sich entschloß, gegen ihn zu ziehen.

Am besten daran war jedoch, daß Muuzh den Triumph erringen würde, an dem ihm am meisten lag, wenn er eine dieser erwählten Sprecherinnen der Überseele heiratete und benutzte: den Triumph über Gott. Du warst nie stark genug, mich zu beherrschen, o Allmächtiger. Und nun werde ich deine auserwählte Tochter nehmen, die mit deinen Visionen erfüllt ist, und sie zur Mutter einer Dynastie machen, die dir trotzen und all deine Pläne und Werke vernichten wird.

Halte mich auf, wenn du kannst! Ich bin viel zu stark für dich!

Nafai fand Luet und Huschidh zusammen; sie warteten in dem geheimen Versteck auf dem Dach auf ihn. Sie schauten sehr ernst drein, was nicht dazu beitrug, die Furcht in Nafais Herz zu beruhigen. Bis jetzt hatte Nafai sich nie zu jung gefühlt; er hatte sich immer für eine vollwertige Person gehalten, die allen anderen gleichberechtigt war. Doch nun machte ihm seine Jugend zu schaffen. Er hatte bislang niemals, an eine Heirat gedacht, nicht einmal überlegt, wen er heiraten sollte. Überdies war diese Verbindung nun nicht mehr die problemlose, zeitlich befristete Vereinigung, als die er seine erste Ehe immer angesehen hatte. Seine Gattin würde wahrscheinlich die einzige für sein ganzes Leben sein, und wenn ihre Verbindung nicht funktionierte, würde es für ihn keinen Ausweg mehr geben. Als er Luet und \ 238

Huschidh sah, die ihn beide so ernst musterten, während er über das sonnenhelle Dach ging, fragte er sich erneut, ob er dazu imstande war: ob er diese Luet heiraten konnte, die in den Augen der Überseele so perfekt und weise war. Sie hatte sich der Überseele mit Liebe, Hingabe und Mut verschrieben — während er wie ein ungezogenes Kind vor sie getreten war, das seine unbekannten Eltern verspotten und auf die Probe stellen wollte. Sie hatte eine jahrelange Erfahrung mit der Kommunikation mit der Überseele; noch wichtiger war vielleicht sogar, daß sie jahrelang zu den Frauen Basilikas für die Überseele gesprochen hatte. Sie wußte, wie man andere Menschen beherrschen konnte — hatte er es nicht selbst am Ufer des Sees der Frauen erlebt, als sie den anderen getrotzt und sein Leben gerettet hatte?

Werde ich als Mann oder als Kind zu dir kommen? Als Partner oder als Schüler?

»Also ist der Familienrat vorbei«, sagte Huschidh, als er endlich so nahe war, daß er sie hören konnte.

Er setzte sich auf den Teppich unter der Markise. Der Schatten verschaffte ihm etwas Erleichterung von der Hitze. Unter seiner Kleidung tropfte Schweiß. Er ließ ihn seines eigenen nackten Körpers bewußt werden, der jetzt noch vor allen Blicken verborgen war. Wenn er Luet heiratete, würde er ihr diesen Körper heute nacht anbieten müssen. Wie oft hatte er von solch einem Angebot geträumt? Und doch hatte er kein einziges Mal daran gedacht, an ein Mädchen zu geraten, das ihn mit Ehrfurcht und Schüchternheit erfüllte, obwohl es selbst noch ohne jede Erfahrung war; in seinen Träumen war die Frau immer für ihn bereit gewesen, wie er ein kühner und erfahrener Liebhaber gewesen war. In dieser Nacht würde es nichts dergleichen geben.

Plötzlich überkam ihn ein quälender Gedanke. Was, wenn Luet noch nicht bereit war? Was, wenn sie noch nicht einmal eine Frau war? Er sprach schnell ein stummes Gebet zur Überseele, konnte es jedoch nicht beenden, weil er nicht einmal wußte, ob er darauf hoffte, daß sie eine Frau war, oder darauf, daß sie keine war.

»Wie vertraut die Bande bereits gewoben sind«, sagte Huschidh.

»Wovon sprichst du?« fragte Nafai.

»Wir sind durch so viele Fäden mit der Zukunft verbunden. Die Über seele hat der lieben Luet hier immer gesagt, sie wolle, daß die Menschen ihr freiwillig folgen. Aber ich glaube, sie hat uns in einem sehr eng gesponnenen Netz gefangen und läßt uns so viele Wahlmöglichkeiten wie einem Fisch, den man aus dem Wasser gezogen hat.«

»Wir haben Wahlmöglichkeiten«, sagte Nafai. »Wir haben immer die Wahl.«

»Wirklich?«

Ich möchte nicht mit dir sprechen, Huschidh. Ich kam her, um mit Luet zu sprechen.

»Wir haben die Wahl, der Überseele zu folgen oder nicht«, sagte Luet, und ihre Stimme klang, verglichen mit Huschidhs barscheren Tönen, ganz weich und freundlich. »Und wenn wir uns entscheiden, ihr zu folgen, verfangen wir uns nicht in ihrem Netz, sondern lassen uns vielmehr in ihrem Korb in die Zukunft tragen.«

Huschidh lächelte fahl. »Wir sind immer fröhlich, nicht wahr, Lud] a?«

Eine Flaute im Gespräch.

Wenn ich ein Mann und Gatte sein soll, muß ich lernen, kühn zu handeln, auch wenn ich Angst habe. »Luet«, begann er. Dann: »Lutja.«

»Ja?« sagte sie.

Aber er konnte nicht ignorieren, daß sich Huschidhs Blicke geradezu in ihn zu bohren schienen, daß sie Dinge in ihm sah, von denen er nicht wollte, daß sie sie sah.

»Huschidh«, sagte er, »könnte ich allein mit Luet sprechen?«

»Ich habe vor meiner Schwester keine Geheimnisse«, sagte Luet.

»Und wird das auch noch der Fall sein, wenn du einen Gatten hast?« fragte Nafai.

»Ich habe keinen Gatten«, sagte Luet.

»Aber wenn du einen hättest, würdest du doch hoffentlich mit ihm deine innersten Gedanken teilen und nicht mit deiner Schwester.«

»Wenn ich einen Gatten hätte, würde ich hoffen, daß er nicht so grausam sein wird, von mir zu verlangen, meine Schwester aufzugeben, die meine einzige Verwandte auf der ganzen Welt ist.«

»Wenn du einen Gatten hättest«, sagte Nafai, »sollte er deine Schwester lieben, als wäre es seine eigene. Aber trotzdem nicht so sehr wie dich, und deshalb solltest du seine Schwester nicht so sehr lieben, wie du ihn liebst.«

»Nicht alle Ehen werden aus Liebe geschlossen«, sagte Luet. »Einige werden geschlossen, weil man keine andere Wahl hat.«

Die Worte trafen ihn tief im Herzen. Sie wußte es natürlich — wenn die Überseele es ihm gesagt hatte, würde sie es bestimmt auch ihr gesagt haben. Und sie brachte ihm damit bei, daß sie ihn nicht liebte, daß sie ihn nur heiratete, weil die Überseele es befahl.

»Fürwahr«, sagte Nafai. »Aber das bedeutet nicht, daß der Mann und die Frau sich nicht mit Zärtlichkeit und Freundlichkeit behandeln können, bis sie gelernt haben, einander zu vertrauen. Es bedeutet nicht, daß sie nicht beschließen können, sich zu lieben, auch wenn sie die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen haben.«

»Ich hoffe, es stimmt, was du sagst.«

»Ich verspreche dir, es wahrzumachen, wenn du mir dasselbe versprichst.«

Luet betrachtete ihn mit einem verärgerten Lächeln auf dem Gesicht. »Oh. Fragt mein Gatte mich auf diese Weise, ob ich seine Gattin werden möchte?«