Выбрать главу

Rasa nickte dem Soldaten zu, der bis jetzt schweigend dort gesessen hatte.

»Mein Name ist Smelost«, sagte er und erhob sich, wie es sich geziemte, als er sie ansprach. »Ich habe das Tor bewacht. Ich sah zwei Männer kommen. Einer von ihnen hat den Daumen auf den Scanner gedrückt, und der Computer Basilikas erkannte ihn als Zdorab, den Schatzmeister von Gaballufix’ Haus.«

»Und der andere?« fragte Huschidh.

»Maskiert, aber gekleidet wie Gaballufix, und Zdorab nannte ihn Gaballufix und versuchte mich zu überreden, ihm keinen Daumenabdruck abzunehmen. Aber er mußte den Daumen auf den Scanner legen, denn Roptat war ermordet worden, und wir wollten verhindern, daß dem Mörder die Flucht aus der Stadt gelang. Man hatte uns gesagt, Nafai, der jüngste Sohn der Herrin Rasa, sei der Mörder. Gaballufix hat dies gemeldet.«

»Also hast du darauf bestanden, daß Gaballufix den Daumen auf den Scanner legt?« sagte Luet.

»Er beugte sich zu mir vor und flüsterte mir ins Ohr: >Und was, falls der Mann, der diese absurde Lüge verbreitet, selbst der Mörder war?< Na ja, das dachten einige von uns auch schon — daß Gaballufix Nafai des Mordes an Roptat beschuldigte, um seine eigene Schuld zu vertuschen. Und dann legte dieser Soldat — den Zdorab mit Gaballufix ansprach — den Daumen auf den Scanner, und der Stadtcomputer wies seinen Namen als Nafai aus.«

»Was hast du daraufhin getan?« fragte Luet.

»Ich habe gegen meinen Eid und gegen meine Befehle verstoßen. Ich löschte seinen Namen augenblicklich und ließ ihn passieren. Ich habe ihm geglaubt … daß er unschuldig ist. Des Mordes an Roptat. Aber der Computer hat gespeichert, daß er die Stadt verließ, und daß ich ihn passieren ließ, obwohl ich wußte, wer er war. Ich habe mir nichts dabei gedacht — die Klage kam ja ursprünglich von Gaballufix, und Gaballufix’ Schatzmeister hat den Jungen doch begleitet. Ich dachte, Gaballufix könne nichts dagegen haben, wenn sein eigener Mann ihn begleitete. Schlimmstenfalls würde ich meine Stellung verlieren.«

»Du hättest ihn sowieso passieren lassen«, sagte Huschidh. »Auch, wenn Gaballufix’ Mann nicht bei ihm gewesen wäre.«

Smelost betrachtete sie einen Augenblick lang und setzte dann zu einem Lächeln an. »Ich war ein Gefolgsmann Roptats. Der Gedanke, Wetschiks Sohn könne ihn getötet haben, ist ein schlechter Witz.«

»Nafai ist erst vierzehn Jahre alt«, sagte Luet. »Schon der Gedanke, er könne überhaupt jemanden getötet haben, ist ein schlechter Witz.«

»Keineswegs«, sagte Smelost. »Denn wir bekamen die Mitteilung, daß man Gaballufix’ Leiche gefunden hat. Geköpft. Und seine Kleidung fehlte. Was sollte ich denn annehmen? Doch, daß Nafai Gaballufix’ Leiche ausgezogen hatte. Daß Nafai und Zdorab ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet hatten. Nafai ist groß für einen Vierzehnjährigen, wenn er wirklich erst so alt ist. Ein Mann seiner Größe hätte es tun können. Zdorab — wohl kaum.« Smelost kicherte trocken. »Es spielt jetzt kaum noch eine Rolle, daß ich wegen dieser Sache meine Stellung verlieren werde. Ich befürchte vielmehr, daß man mich wegen Beihilfe zum Mord hängen wird, oder weil ich sie entkommen ließ. Deshalb kam ich her.«

»Zu der Witwe des Ermordeten?« fragte Luet.

»Zu der Mutter des angeblichen Mörders«, berichtigte Huschidh sie. »Dieser Mann liebt Basilika.«

»Allerdings«, sagte der Soldat, »und ich bin froh, daß du dies weißt. Ich habe nicht meine Pflicht getan, sondern das, was ich für richtig hielt.«

»Ich brauche Rat«, sagte Rasa und sah von Luet zu Huschidh und wieder zu Luet. »Dieser Mann, Smelost, hat mich um Schutz gebeten, weil er meinen Sohn gerettet hat. Mittlerweile wurde mein Sohn des Mordes bezichtigt, und ich bin nun der Ansicht, daß er tatsächlich schuldig sein könnte. Ich bin keine Wasserseherin. Ich bin keine Entwirrerin. Was ist richtig und gerecht? Was will die Überseele? Ihr müßt es mir sagen. Ihr müßt mir Rat geben!«

»Die Überseele hat mir nichts gesagt«, erwiderte Luet. »Ich weiß nur, was ich gerade hier erfahren habe.«

»Und was das Entwirren betrifft«, sagte Huschidh, »so sehe ich nur, daß dieser Mann Basilika liebt und du selbst in einem Netz der Liebe verstrickt bist, was bewirken könnte, daß du gegen deine eigenen Interessen verstoßen mußt. Der Vater deiner Töchter ist tot, und du liebst sie — und auch ihn, du liebst sogar ihn. Und doch glaubst du, daß Nafai ihn getötet hat, und deinen Sohn liebst du sogar noch mehr. Du ehrst auch diesen Soldaten, bist ihm mit einer Ehrenschuld verpflichtet. Am meisten jedoch liebst du Basilika. Doch du weißt nicht, was du zum Besten deiner Stadt tun sollst.«

»Mein Dilemma kenne ich, Schuja. Ich suche den Ausweg daraus.«

»Ich muß aus der Stadt fliehen«, sagte Smelost. »Ich dachte, du könntest mich schützen. Ich kenne dich als Nafais Mutter, aber ich hatte vergessen, daß du Gaballufix’ Witwe bist.«

»Nicht seine Witwe«, sagte Rasa. »Ich habe unseren Vertrag schon vor Jahren nicht mehr erneuert. Ich glaube, er war seitdem ein dutzendmal verheiratet. Mein Gatte ist jetzt Wetschik. Oder besser gesagt der Mann, der Wetschik war und nun ein landloser Flüchtling ist, dessen Sohn ein Mörder sein könnte.« Sie lächelte verbittert. »Dagegen kann ich kaum etwas tun, aber ich kann dich schützen, und das werde ich auch.«

»Nein, das kannst du nicht«, sagte Huschidh. »Du stehst dem Mittelpunkt all dieser Geheimnisse zu nah, Tanta Rasa. Der Rat von Basilika wird immer auf dich hören, aber die Ratsfrauen werden lediglich auf deine Bitte hin nicht einen Soldaten schützen, der seine Pflicht verletzt hat. Damit werdet ihr beide nur um so schuldiger wirken.«

»Spricht jetzt die Entwirrerin?« fragte Rasa.

»Jetzt spricht deine Schülerin«, sagte Huschidh, »die dir sagt, was du auch selbst wissen würdest, wärest du nicht so verwirrt.«

Eine Träne quoll aus Rasas Auge und glitt ihre Wange hinab. »Was wird geschehen?« sagte Rasa. »Was wird jetzt aus meiner Stadt werden?«

Luet hatte sie niemals so verängstigt, so unsicher erlebt. Rasa war eine hervorragende Lehrerin, eine weise und ehrenhafte Frau; jede junge Frau Basilikas wäre sehr stolz darauf, eine ihrer Nichten zu sein, eine der Schülerinnen, die eigens auserwählt waren, in ihrem Haushalt zu leben; das hatte Luet zumindest immer geglaubt. Und doch sah sie Rasa nun voller Angst und Unsicherheit. Sie hätte niemals geglaubt, daß so etwas möglich war.

»Wetschik — mein Volemak — hat gesagt, die Überseele würde ihn führen«, sagte Rasa, spuckte die Worte verbittert aus. »Was für eine Führung ist das? Hat die Überseele ihm befohlen, meine Jungs zurück in die Stadt zu schicken, wo sie fast umgebracht worden wären? Hat die Überseele meinen Sohn zu einem Mörder und Flüchtling gemacht? Was tut die Überseele überhaupt? Wahrscheinlich ist es gar nicht die Überseele. Gaballufix hatte recht — mein geliebter Volemak hat den Verstand verloren, und unsere Söhne werden von seinem Wahnsinn verschluckt.«

Luet hatte genug davon gehört. »Schäm dich«, sagte sie.

»Sei still, Lutja!« rief Huschidh.

»Schäm dich, Tante Rasa«, beharrte Luet. »Nur, weil es dir erschreckend und verwirrend vorkommt, heißt das noch lange nicht, daß die Überseele es nicht versteht. Ich weiß, daß die Überseele Wetschik und auch Nafai lenkt. Das alles wird irgendwie zu Basilikas Bestem führen.«

»Da irrst du dich«, sagte Rasa. »Die besondere Liebe der Überseele gilt keineswegs Basilika. Sie hütet die ganze Welt. Was, wenn die ganze Welt irgendwie einen Vorteil daraus ziehen sollte, wenn Basilika zerstört wird? Wenn meine Jungen getötet werden? Für die Überseele haben kleine Städte und kleine Menschen keine Bedeutung — sie webt ein großes Muster.«