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In der Tat würden viele schwache Herzen in Seggidugu sich bereits fragen, ob es vielleicht nicht am besten wäre, schon jetzt vor den Imperator zu treten, als Bittsteller, und ihm anzubieten, ihre Nation unter seinen wohlwollenden Schutz zu nehmen. Aber Muuzh war davon überzeugt, daß diese genausowenig Glück wie die Hitzköpfe haben würden. Statt dessen würden sich die kühlsten Köpfe, die vorsichtigsten Männer durchsetzen. Sie würden einfach nur abwarten. Und genau darauf zählte Muuzh.

In den Städten der Ebene waren zweifellos bereits Bestrebungen im Gange, den alten Verteidigungsbund wiederzubeleben, der die Seggidugu-Invasoren schon neun Mal zurückgeworfen hatte. Doch das lag über tausend Jahre zurück, hatte sich damals zugetragen, als die Seggidugu zum ersten Mal aus der Wüste über die Berge gestürmt waren; es war unwahrscheinlich, daß sich viele Städte zusammenschließen würden, und selbst in der vermeintlichen Einheit würden sie untereinander streiten und voneinander stehlen und einander mehr schwächen, als wenn jede für sich allein stünde.

Was stand in Muuzh’ Macht, es dazu kommen zu lassen? Wenn er in diesem Augenblick eine Delegation mit einer streng formulierten Aufforderung zur Kapitulation zu den nächstgelegenen Städten schickte, würden sie zweifellos ein schnelles Einverständnis erhalten. Doch die Flüchtlinge würden aus diesen Städten strömen wie Blut aus einer Herzwunde, und dann würden sich die anderen Städte der Ebene vereinen. Vielleicht baten sie Seggidugu sogar, sie anzuführen, und in diesem Fall würde Seggidugu vielleicht doch handeln.

Statt dessen konnte er Seggidugus Kapitulation fordern. Wenn Seggidugu sich unterwarf, würden alle Städte der Ebene sich auf den Rücken rollen und totstellen. Doch es war ein zu großes Risiko, wenn er eine andere Möglichkeit finden konnte. Er konnte tatsächlich die Unterwerfung von einer oder vielleicht auch zwei Städten der Ebene erzwingen, aber er hatte viel zu wenig Männer — und eine viel zu dürftige Verbindung mit den Hauptheeren der Gorajni —, um sein Ultimatum auch durchzusetzen, wenn Seggidugu sich entschloß, ihm zu trotzen. Durch solche gefährlichen Bluffs waren große Kriege vermieden und große Reiche geschaffen worden, und Muuzh hatte keine Angst, dieses Risiko einzugehen, falls es keine bessere Möglichkeit gab.

Doch falls es eine gab, mußte er sie schnell finden. Mittlerweile würde der Imperator zweifellos wissen, daß sowohl Plod als auch der Muuzh’ Heer zugeteilte Fürsprecher getötet worden waren — von einem Attentäter aus Basilika natürlich, aber niemand hatte ihn verhören können, weil Muuzh den Mann mit eigenen Händen getötet hatte. Dann war Muuzh mit tausend Mann abmarschiert, und niemand wußte, wo er war. Diese Nachricht würde im Herzen des Imperators Entsetzen auslösen, denn er wußte ganz genau, wie zerbrechlich die Macht eines Herrschers war, wenn seine besten Generale zu beliebt wurden. Der Imperator würde sich fragen, wie viele seiner Männer zu Muuzh überlaufen würden, wenn der in den Bergen eine Rebellenflagge hißte; und wie viele andere, die zu treu für einen solchen Verrat waren, dennoch zu große Angst hatten, um gegen den größten General der Gorajni zu kämpfen. All diese Ängste würden den Imperator dazu bewegen, seine Heere in Bewegung zu setzen und sie dann nach Süden und Westen zu schicken, nach Khlam und Ulje.

Alles gut und schön … das würde den Seggidugu noch mehr Angst einjagen und die Aussicht erhöhen, daß sein Bluff gelingen könnte. Und diese Bewegungen des Heeres würden nicht weit gedeihen, bevor dem Imperator die nächste Nachricht zu Ohren kam — daß Muuzh’ kühner Schachzug zu einem brillanten Gelingen geführt hatte und die berühmte Stadt Basilika nun in den Händen der Gorajni war.

Muuzh lächelte vor Vergnügen bei dem Gedanken, daß diese Nachricht Entsetzen in den Herzen aller Höflinge auslösen würde, die dem Imperator ins Ohr geflüstert hatten, daß Muuzh ein Verräter war. Ein Verräter? Ein Mann, der den Verstand und Mut hatte, mit lediglich tausend Männern eine Stadt zu nehmen? An zwei mächtigen feindlichen Königreichen vorbeizumarschieren und eine Bergfestung auf deren Hinterseite zu nehmen? Was für eine Art von Verräter ist das? würde der Imperator fragen.

Doch er würde trotzdem noch Angst haben, denn es erschreckte ihn stets von neuem, wenn einer seiner Generale kühn war. Das galt besonders für Vozmuzhalnoi Vozmozhno. Also würde der Imperator ihm einen oder zwei Gesandte schicken — mit Sicherheit einen Fürsprecher, wahrscheinlich einen neuen Freund und auch ein paar enge und vertrauenswürdige Familienangehörige. Sie würden nicht die Befugnis haben, Muuzh’ Anordnungen in Frage zu stellen — die Gorajni hätten niemals so viele Königreiche erobert, hätten die Imperatoren ihren Untergebenen erlaubt, auf dem Schlachtfeld die Befehle von Generalen aufzuheben. Aber sie würden imstande sein, sich einzumischen, ihm Fragen zu stellen, zu protestieren, Erklärungen zu verlangen und den Imperator über alles zu informieren, was ihnen nicht gefiel.

Wann würden diese Gesandten eintreffen? Sie würden denselben Weg durch die Wüste nehmen müssen, den Muuzh mit seinen Männern genommen hatte. Doch nun würden die Seggidugu und die Izmennik diese Straße sorgfältig beobachten, so daß der Treck des Imperators eine schwerfällige Leibwache mitnehmen mußte und Wagen für Vorräte und viele Fährtensucher und Zelte und jede Menge lebendes Vieh. Also würden die Gesandten weder das Verlangen noch die Fähigkeit haben, sich auch nur halb so schnell zu bewegen, wie Muuzh sich bewegt hatte. Also würde es wenigstens eine Woche dauern, bis sie hier eintrafen, wahrscheinlich aber länger. Doch wenn sie kamen, würden sie viele Soldaten haben — vielleicht so viele, wie Muuzh mitgenommen hatte —, und bei diesen Soldaten würde es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um Männer handeln, die unter Muuzh gekämpft hatten, die er ausgebildet hatte, denen er vertrauen konnte.

Eine Woche. Muuzh blieb noch mindestens eine Woche, in der er die Dinge in Gang setzen konnte, die er für richtig hielt, sobald er sich erst für eine Möglichkeit entschieden hatte. Er konnte jetzt seinen Bluff gegen die Seggidugu wagen und eine tiefe Erniedrigung riskieren, wenn man ihm trotzte — dann würden sich die Städte der Ebene auf jeden Fall gegen ihn vereinen, und schon bald würde er Basilika dann gegen eine Belagerung verteidigen. Das würde nicht zu seiner Amtsenthebung führen, doch es würde seinem Namen den Glanz nehmen und ihn wieder unter den Daumen des Imperators bringen. Diese letzten paar Tage waren so köstlich gewesen — er hatte nicht die Spiele der Täuschung und der List spielen müssen, die die Hälfte seiner Zeit beansprucht hatten, als er sich mit einem Freund hatte befassen müssen, den der Imperator ernannt hatte, ganz zu schweigen von einem lästigen Fürsprecher, dessen einziges Ziel es war, auf der Karriereleiter immer höher zu klettern. Muuzh hatte relativ wenige Menschen mit eigenen Händen getötet, doch er genoß die Erinnerung an diese beiden Todesfälle — die Überraschung auf ihren Gesichtern, die vorzügliche Erleichterung, die Muuzh dann verspürt hatte. Selbst die Notwendigkeit, diesen guten Soldaten Basilikas zu töten, Smelost, selbst das hatte ihm nicht die schiere Freude an seiner neuen Freiheit genommen.