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Erneut wünschte Nafai sich, er wäre imstande, ihm zu erklären, warum er der Überseele folgen wollte. Warum er wußte, daß er der Überseele freiwillig folgte und vielleicht auch dem Hüter der Erde. Warum er wußte, daß die Überseele ihn nicht belog oder manipulierte oder beherrschte. Aber weil er weder die Worte dafür, geschweige denn die Gründe finden konnte, schwieg er.

»Deine Frau und ihre Schwester sind der Schlüssel zu allem. Ich bin nicht hier, um Basilika zu erobern, ich bin hier, um Basilikas Treue zu gewinnen. Ich habe dich jetzt seit einer Stunde beobachtet, ich habe deiner Stimme gelauscht, und ich sage dir, du bist ein bemerkenswerter Junge. So ernst. So ehrlich. Und eifrig, und du meinst es gut, jeder, der nicht ganz blind ist, sieht, daß du niemandem schaden willst. Und doch bist du derjenige, der Gaballufix getötet und so die Stadt von einem Mann befreit hat, der zu einem Tyrannen geworden wäre, hätte er einen oder zwei Tage länger gelebt. Und zufällig bist du mit der einflußreichsten Frau in Basilika verheiratet, dem Mädchen, dem man in dieser Stadt Liebe und Respekt und Treue und Hoffnung entgegenbringt.«

»Ich bin mit ihr verheiratet, um der Überseele zu dienen.«

»Bitte sag das auch weiterhin, ich möchte, daß alle es glauben, und wenn du es sagst, klingt es erstaunlich wahr. Es wird kein Problem für mich sein, diese Geschichte in der Stadt zu verbreiten … die Überseele hat dir befohlen, Gaballufix zu töten, um Basilika zu retten. Und du kannst sogar das Gerücht verbreiten, die Überseele habe auch mich hierher geführt, um die Stadt vor dem Chaos zu retten, das entstanden ist, nachdem die Schwester deiner Frau, die Entwirrerin, Raschgallivaks Macht zerstört hat. Siehst du denn nicht, daß alles so gut zusammenpaßt? Du und Luet und Huschidh und ich, von der Überseele geschickt, um die Stadt zu retten und Basilika zu neuer Größe zu führen. Wir alle handeln im Sinne der Überseele … im Vergleich zu dieser Geschichte ist der Unsinn des Imperators, Gottes Inkarnation zu sein, doch geradezu bemitleidenswert kläglich.«

»Warum würdest du das tun?« fragte Nafai. Er sah keinen Sinn darin, daß Muuzh ihn als Held und nicht als Mörder hinstellen und eine Verbindung mit den drei Menschen eingehen wollte, die er in Rasas Haus gefangen hielt. Außer …

»Was denkst du denn?« fragte Muuzh.

»Ich glaube, du bildest dir ein, mich anstatt Gaballufix als Tyrann von Basilika einsetzen zu können.«

»Nicht als Tyrann«, sagte Muuzh. »Als Konsul. Der Stadtrat bliebe bestehen und könnte weiterhin streiten und argumentieren und lamentieren. Du würdest lediglich den Befehl über die Stadtwache haben und dich um die äußeren Angelegenheiten kümmern; du würdest nur die Tore kontrollieren und dafür sorgen, daß Basilika mir treu bleibt.«

»Glaubst du, sie würden das nicht durchschauen und begreifen, daß ich eine Marionette bin?«

»Nur dann, wenn ich nicht gleichzeitig ein Bürger Basilikas werden würde und dein guter Freund und enger Verwandter. Aber wenn ich einer von ihnen werde, zu ihnen gehöre, wenn ich der General des Heeres von Basilika werde und all das, was ich tue, in deinem Namen tue, dann wird es sie nicht interessieren, wer wessen Marionette ist.«

»Rebellion«, sagte Nafai. »Gegen die Gorajni.«

»Gegen die grausamsten und korruptesten Ungeheuer, die jemals auf dem armen Antlitz von Harmonie gewandelt sind«, sagte Muuzh. »Ich werde ihren ungeheuerlichen Verrat und die Versklavung meines Volkes rächen, der Sotschitsija.«

»Auf diese Weise also wird Basilika zerstört werden«, sagte Nafai. »Nicht durch dich, sondern durch deine Rebellion.«

»Ich versichere dir, Nafai, ich kenne die Gorajni. In ihrem Kern sind sie schwach, und ihre Soldaten lieben mich mehr als ihren elenden Imperator.«

»Oh, das bezweifle ich nicht.«

»Wenn Basilika meine Hauptstadt ist, werden die Gorajni sie nicht zerstören. Nichts wird sie zerstören, denn ich werde siegreich sein.«

»Basilika bedeutet dir nichts«, sagte Nafai. »Die Stadt ist für dich nur ein Werkzeug, das dir im Augenblick nützlich kommt. Ich kann mir dich im Norden vorstellen, mit einem riesigen Heer, mit dem du das Heer besiegen willst, das Gollod verteidigt, die Stadt des Imperators, und in diesem Augenblick hörst du, daß Potokgavan die Gelegenheit genutzt und mit einem Heer an der Westküste gelandet ist. Komm zurück und verteidige Basilika, wird dein Volk dich bitten. Werde ich dich bitten. Wird Luet dich bitten. Aber du wirst zum Schluß kommen, daß dir noch ausreichend Zeit bleibt, dich später mit Potokgavan zu befassen, nachdem du die Gorajni besiegt hast. Also wirst du bleiben und dein Werk beenden, und im nächsten Jahr wirst du gen Süden ziehen und Potokgavan für ihre Greueltaten bestrafen, und du wirst in der Asche Basilikas stehen und um die Stadt der Frauen weinen. Vielleicht sind deine Tränen sogar ehrlich.«

Muuzh zitterte. Nafai konnte es in den Händen spüren, die die seinen hielten.

»Entscheide dich«, sagte Muuzh. »Was auch immer geschieht — entweder wirst du Basilika für mich beherrschen, oder du wirst in Basilika sterben, auch für mich. Eins jedoch ist sicher: Du wirst Basilika nie wieder verlassen.«

»Mein Leben liegt in den Händen der Überseele.«

»Antworte mir«, sagte Muuzh. »Entscheide dich.«

»Wenn die Überseele wollte, daß ich dir helfe, diese Stadt zu unterwerfen, würde ich zum Konsul werden«, sagte Nafai. »Aber die Überseele will, daß ich zur Erde zurückkehre. Also werde ich nicht Konsul sein.«

»Die Überseele hat dich erneut genarrt, und diesmal könntest du deshalb sterben«, sagte Muuzh.

»Die Überseele hat mich noch nie genarrt«, sagte Nafai. »Diejenigen, die ihr freiwillig folgen, belügt die Überseele niemals.«

»Von denen läßt sich die Überseele bei ihren Lügen niemals ertappen, das meinst du doch«, sagte Muuzh.

»Nein!« rief Nafai. »Nein. Die Überseele belügt mich nicht, weil … weil alles, was sie mir jemals versprochen hat, in Erfüllung gegangen ist. Alles ist wahr geworden.«

»Oder sie hat dich das vergessen lassen, was nicht in Erfüllung gegangen ist.«

»Wenn ich zweifeln wollte, könnte ich endlos zweifeln«, sagte Nafai. »Aber irgendwann muß man aufhören, Fragen zu stellen, und handeln, und zu diesem Zeitpunkt muß man darauf vertrauen, daß etwas wahr ist. Man muß handeln, als wäre es wahr, und so entscheidet man sich dafür, das zu tun, woran man glaubt, weil die meisten Gründe dafür sprechen.

Man muß in der Welt leben, in der es die meiste Hoffnung für einen gibt. Ich folge der Überseele, ich glaube der Überseele, weil ich in der Welt leben will, die die Überseele mir gezeigt hat.«

»Ja, auf der Erde«, sagte Muuzh verächtlich.

»Ich meine damit keinen Planeten, ich meine … ich will in der Wirklichkeit leben, die die Überseele mir gezeigt hat. In der Menschenleben Sinn und Bedeutung haben. In der es einen Plan gibt, der es wert ist, daß man ihm folgt. In der Tod und Leiden nicht vergeblich sind, weil etwas Gutes aus ihnen entstehen wird.«

»Du sagst damit nur, daß du dich selbst täuschen willst.«

»Ich sage, daß die Geschichte, die die Überseele mir erzählt, zu allen Fakten paßt, die ich kenne. Deine Geschichte, in der ich endlos getäuscht werden würde, kann diese Fakten ebenfalls erklären. Ich kann nicht beweisen, daß deine Geschichte nicht wahr ist — aber du kannst auch nicht beweisen, daß meine Geschichte nicht wahr ist. Also werde ich mich für die entscheiden, die mir lieber ist. Ich entscheide mich für die, die diese Wirklichkeit lebenswert macht, falls sie denn stimmt. Ich werde handeln, als wäre das Leben, auf das ich hoffe, das wahre Leben, und als wäre das Leben, das ich verabscheue — dein Leben, deine Sicht des Lebens — die Lüge. Und es ist eine Lüge. Du glaubst nicht einmal selbst daran.«