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Das Personal wußte, daß es zu solch einer Stunde nicht befugt war, die Tür zu öffnen, bis Rasa selbst die Anweisung dazu gegeben hatte, doch es war überrascht, sie so schnell in die Halle kommen zu sehen.

»Wer?« fragte sie.

»Dein Sohn, Herrin Rasa. Und General Vozmozhno … der General.«

»Öffne die Tür, und dann darfst du dich zurückziehen«, sagte Rasa.

Die Nachtglocke war nicht so laut, daß das ganze Haus davon aufgewacht wäre, und so war die Halle fast leer. Als die Tür geöffnet wurde, traten Nafai und Muuzh gemeinsam ein. Niemand sonst. Keine Soldaten — obwohl sie zweifellos auf der Straße warteten. Dennoch erinnerte Rasa sich unwillkürlich an zwei frühere Besuche von Männern, die geglaubt hatten, Basilika zu beherrschen. Sowohl Gaballufix als auch Raschgallivak hatten Soldaten mitgebracht, holographisch maskiert, aber weniger, um ihr Angst, als sich selbst Mut zu machen. Es war bedeutsam, daß Muuzh dieses Bedürfnis nach Begleitung nicht verspürte.

»Ich habe nicht gewußt, daß mein Sohn zu so früher Stunde unterwegs ist«, sagte Rasa. »Daher weiß ich deine Freundlichkeit zu schätzen, ihn zu mir nach Hause zu .bringen.«

»Jetzt, da er verheiratet ist«, sagte Muuzh, »wirst du sein Kommen und Gehen nicht mehr so genau unter Beobachtung halten, nicht wahr?«

Rasa zeigte Nafai ihre Ungeduld. Was hatte er sich dabei gedacht, einfach zu erzählen, daß er gerade die Wasserseherin geheiratet hatte? Verfügte er nicht über die geringste Diskretion? Nein, natürlich nicht, oder er wäre nicht einmal draußen gewesen, um sich von Muuzh’ Soldaten aufgreifen zu lassen. Hatte er etwa zu fliehen versucht?

Aber nein, da war doch etwas gewesen … in dem Traum, ja, die Überseele hatte gesagt, daß Nafai wie ein Halbgescheiter losgezogen sei und um ein Gespräch mit Muuzh gebeten habe. »Hoffentlich hat er dir keine Unannehmlichkeiten bereitet«, sagte Rasa.

»Ein paar, wenn ich ehrlich bin«, sagte Muuzh. »Ich hatte gehofft, er könne mir dabei helfen, Basilika zu der Größe zu führen, die diese Stadt verdient, doch er hat diese Ehre zurückgewiesen.«

»Verzeih mir meine Unwissenheit, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie mein Sohn eine Stadt zu Größe führen sollte, die bereits auf der gesamten Welt eine Legende ist. Gibt es irgendeine Stadt, die älter oder heiliger ist als Basilika? Gibt es irgendeine andere Stadt, in der so lange Frieden geherrscht hat?«

»Eine einzigartige Stadt, Herrin«, sagte Muuzh. »Eine einsame Stadt. Eine Stadt für Pilger. Doch bald, so hoffe ich, eine Stadt für Botschafter aus allen großen Königreichen der Welt.«

»Die zweifellos auf einem Meer aus Blut hierher segeln werden.«

»Nicht, wenn alles gut verläuft. Nicht, wenn ich die erwünschte Zusammenarbeit bekomme.«

»Von wem?« fragte Rasa. »Von mir? Von meinem Sohn?«

»Ich würde gerne, obwohl ich weiß, daß ich ungelegen komme, zwei deiner Nichten kennenlernen. Die eine von ihnen ist Nafais junge Braut. Die andere ist ihre unverheiratete Schwester.«

»Ich wünsche nicht, daß du sie kennenlernst.«

»Aber sie werden mich kennenlernen wollen. Glaubst du nicht auch? Da Huschidh sechzehn Jahre alt ist und damit dem Gesetz zufolge den Besuch empfangen kann, den sie empfangen möchte, und da Luet verheiratet ist und daher ebenfalls jeden Besuch empfangen kann, wirst du hoffentlich sowohl das Gesetz als auch die Höflichkeit respektieren und sie informieren, daß ich sie kennenzulernen wünsche.«

Obwohl Rasa ihn fürchtete, mußte sie ihn unwillkürlich auch bewundern — denn in einem Augenblick, da Gabja oder Rasch sich einfach aufgeplustert oder gedroht hätten, bestand Muuzh lediglich auf Höflichkeit. Er machte sich nicht die Mühe, sie an seine tausend Soldaten zu erinnern, an seine weltliche Macht. Er verließ sich einfach auf ihre guten Manieren, und sie war ihm hilflos ausgeliefert, denn das Recht war nicht eindeutig auf ihrer Seite.

»Ich habe das Personal fortgeschickt. Ich werde hier mit dir warten, während Nafai sie holt.«

Als Muuzh nickte, ging Nafai schnellen Schrittes zu dem Flügel des Hauses, in dem die frisch vermählten Ehepaare die Nacht verbracht hatten. Rasa fragte sich verschwommen, wann Elemak und Eiadh, Mebbekew und Dol aufstehen und was sie von der Tatsache halten würden, daß Nafai zu General Muuzh gegangen war. Vielleicht würden sie seinen Mut bewundern, doch Elemak würde ihn zweifellos wegen seiner Aufdringlichkeit verabscheuen, wegen seiner Neigung, sich in Angelegenheiten einzumischen, die ihn nichts angingen. Rasa hingegen verabscheute Nafais Unfähigkeit, sich daran zu erinnern, daß er nur ein Junge war, nicht — statt dessen fürchtete sie genau deshalb um ihn.

»Die Halle ist nicht sehr bequem«, sagte Muuzh. »Vielleicht gibt es ein Privatzimmer, in dem wir nicht von Frühaufstehern gestört werden.«

»Aber warum sollten wir uns in ein Privatzimmer begeben, wenn du noch nicht einmal weißt, ob meine Nichten dich empfangen werden?«

»Deine Nichte und deine Schwiegertochter«, sagte Muuzh.

»Eine noch neue Beziehung; doch sie könnte uns nicht einander näher bringen, als wir es schon sind.«

»Du liebst die Mädchen sehr«, sagte Muuzh.

»Ich würde mein Leben für sie geben.«

»Aber du hast trotzdem kein Privatzimmer, in dem sie einen fremden Besucher empfangen können?«

Rasa funkelte ihn wütend an und führte ihn zum Säulengang — zum abgetrennten Bereich, von dem aus man das Klippental nicht sehen konnte. Doch Muuzh machte keine Anstalten, sich auf die Bank zu setzen, auf die sie deutete. Statt dessen ging er zu der Balustrade hinter den Abschirmungen. Es war Männern verboten, dort zu stehen und diesen Anblick zu sehen; und doch wußte Rasa, daß der Versuch, es ihm zu verbieten, sie schwächen würde. Es wäre … pathetisch.

Also erhob sie sich statt dessen, trat neben ihn und sah über das Tal hinaus.

»Du siehst, was nur wenige Männer gesehen haben«, sagte sie.

»Dein Sohn hat es gesehen«, sagte Muuzh. »Er trieb nackt auf den Wassern des Sees der Frauen.«

»Das war nicht meine Idee«, sagte Rasa.

»Die Überseele, ich weiß«, sagte Muuzh. »Sie führt uns so verschlungene Pfade entlang. Meiner ist vielleicht der verschlungenste überhaupt.«

»Und in welcher Biegung befindest du dich gerade?«

»In der, die zu Größe und Ruhm führt. Zu Gerechtigkeit und Freiheit.«

»Für wen?«

»Für Basilika, wenn die Stadt es akzeptiert.«

»Wir haben Größe und Ruhm. Wir haben Gerechtigkeit und Freiheit. Wie kannst du glauben, daß irgendeine deiner Anstrengungen auch nur eine Winzigkeit zu dem hinzufügen könnte, was wir bereits haben?«

»Vielleicht hast du recht«, sagte Muuzh. »Vielleicht benutze ich Basilika nur, um meinem Namen Glanz hinzuzufügen, ganz am Anfang, da ich ihn noch brauche. Ist Basilikas Ruhm so gering und teuer, daß nicht ein kleiner Teil davon auf mich abfallen kann?«

»Muuzh, ich mag dich so sehr, daß ich fast das Entsetzen bedauere, daß mein Herz jedesmal ausfüllt, wenn ich an dich denke.«

»Warum? Ich will dir nicht schaden oder irgend jemandem, den du liebst.«

»Davor empfinde ich diesen Schrecken auch nicht. Sondern davor, was du meiner Stadt antun willst. Der ganzen Welt. Die Überseele wurde installiert, um einen Menschen wie dich zu verhindern. Du bist die Personifikation des Krieges, der Lust auf Macht, auf Vergrößerung.«

»Mit keinem anderen Lob hättest du mich stolzer machen können.«

Hinter ihnen erklangen Schritte. Rasa drehte sich um und sah Luet und Huschidh. Nafai blieb zurück.

»Komm zu deiner Frau und Schwägerin, Nafai«, sagte Rasa. »General Muuzh hat unseren uralten Brauch aufgehoben, zumindest für diesen Morgen, an dem die Sonne gerade hinter den Bergen aufgeht.«