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Die Frau drehte sich zu Rasa um, deutete auf sie. »Herrin Rasa, kennst du mich? Als ich zu dir kam, war ich nackt und schmutzig. Erkennst du mich jetzt?«

Tante Rasa erhob sich zitternd. »Du bist diejenige, die sie mir gebracht hat. Zuerst Huschidh, dann Luet. Du hast mir gesagt, ich solle sie großziehen, als wären es meine eigenen Töchter, und das habe ich getan.«

»Sie waren nicht deine Töchter. Sie waren nicht meine Töchter. Sie sind die Töchter der Überseele, und dieser Mann — der von den Gorajni Vozmuzhalnoi Vozmozhno genannt wird — ist der Mann, den die Überseele zu ihrem Muuzh erwählt hat.«

Muuzh. Muuzh. Das Flüstern breitete sich in der Menge aus.

»Die Eheschließung, die ihr heute gesehen habt, fand nicht zwischen diesem Mann und diesem Mädchen statt. Sie war nur die Stellvertreterin ihrer Mutter. Er ist der Gatte der Überseele geworden! Und da dies die Stadt der Mutter ist, ist er auch der Gatte Basilikas geworden! Ich sage dies, weil die Überseele mir die Worte in den Mund legt! Jetzt müßt ihr es sagen! Ganz Basilika muß es sagen! Gatte! Gatte!«

Sie nahmen den Sprechgesang auf. Gatte! Gatte! Gatte! Und dann, allmählich, veränderte er sich, zu einem anderen Wort mit derselben Bedeutung. Muuzh! Muuzh! Muuzh!

Während die Menge das Wort intonierte, schritt die Frau zu der niedrigen Plattform. Huschidh lief? Muuzh’ Hand los und trat vor, kniete vor der Frau nieder; Luet tat es ihr gleich, zu verblüfft, um zu weinen, zu sehr erfüllt mit Freude darüber, was die Überseele getan hatte, um Huschidh vor dieser Ehe zu bewahren, zu sehr erfüllt mit Trauer, diese Frau, die ihre Mutter war, niemals gekannt zu haben, zu sehr erfüllt mit Staunen über die Offenbarung, daß dieser Fremde aus dem Norden, dieser schreckliche General, ihr Vater war.

»Mutter«, sagte Huschidh — und sie konnte weinen, vergoß ihre Tränen auf die Hand der Frau.

»Ich habe euch geboren, ja«, sagte die Frau. »Aber ich bin nicht eure Mutter. Die Frau, die euch großgezogen hat, sie ist eure Mutter. Und die Überseele, die dafür gesorgt hat, daß ihr geboren werdet, sie ist eure Mutter. Ich bin nur die Frau eines Bauern aus den Naßlanden Potokgavans. Dort leben die Kinder, die mich Mutter nennen, und ich muß zu ihnen zurückkehren.«

»Nein«, flüsterte Luet. »Dürfen wir dich nur einmal sehen?«

»Ich werde mich immer an euch erinnern«, sagte die Frau. »Und ihr werdet euch an mich erinnern. Die Überseele wird diese Erinnerungen in euren Herzen bewahren.« Sie streckte eine Hand aus und berührte Huschidhs Wange und die andere, um Luet zu berühren und ihr übers Haar zu streicheln. »So schön. So würdig. Wie sie dich liebt. Wie eure Mutter euch jetzt liebt.«

Dann drehte sie sich um und ging — verließ die Plattform, schritt die Rampe hinab, die zu den Umkleideräumen unter dem Amphitheater führte, und war fort. Niemand sah, wie sie die Stadt verließ, obwohl schnell Geschichten von seltsamen Wundern und ungewöhnlichen Visionen entstanden, von Dingen, die sie angeblich getan hatte, aber unmöglich hatte tun können, als sie Basilika an diesem Tag verließ.

Muuzh sah ihr nach, als sie sich umdrehte und ging und all seine Hoffnungen und Pläne und Träume mitnahm; sie nahm sein gesamtes Leben mit. Er erinnerte sich so deutlich an die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte — sie war der Grund, weshalb er niemals geheiratet hatte, denn für welche andere Frau konnte er empfinden, was er für sie empfunden hatte? Damals war er überzeugt gewesen, daß er sie liebte, obwohl Gott dies nicht wollte, denn hatte er nicht jenes starke Verbot empfunden? War er nicht, als sie damals bei ihm gewesen war, immer wieder aufgewacht, ohne sich an sie erinnern zu können, und hatte er nicht Gottes Barrieren in seinem Geist überwunden und sie bei sich behalten und geliebt? Es war, wie Nafai gesagt hatte — sogar seine Rebellion war von der Überseele gesteuert worden.

Ich bin Gottes Narr, Gottes Werkzeug, wie alle anderen auch, und als ich glaubte, eigene Träume zu haben, selbst über mein Schicksal entscheiden zu können, hat Gott meine Schwäche bloßgestellt und mich vor allen Bürgern der Stadt gebrochen. Ausgerechnet dieser Stadt — Basilika. Basilika.

Huschidh und Luet erhoben sich am Rand der Bühne von ihren Knien; Nafai trat zu ihnen, als sie sich zu Muuzh umdrehten. Sie mußten ganz nah an ihn herantreten, damit er sie über die Sprechchöre der Menge verstehen konnte.

»Vater«, sagte Huschidh.

»Unser Vater«, wiederholte Luet.

»Ich habe nicht gewußt, daß ich Kinder habe«, sagte Muuzh. »Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte mein eigenes Gesicht sehen müssen, als ich euch ansah.« Und es stimmte — nun, da die Wahrheit bekannt war, war die Ähnlichkeit offensichtlich. Ihre Gesichter hatten nicht die normalen Züge der basilikanischen Schönheit angenommen, da ihr Vater den Sotschitsija entstammte, und nur Gott konnte wissen, woher ihre Mutter kam. Doch auf eine seltsame, exotische Art und Weise waren sie wunderschön. Sie waren wunderschön und klug und stark. Er konnte stolz auf sie sein. Während seine Laufbahn beendet war, konnte er stolz auf sie sein. Während er vor dem Imperator floh, der bestimmt wissen würde, was er mit dieser abgebrochenen Hochzeit zu erreichen versucht hatte, konnte er stolz auf sie sein. Denn sie waren das einzige, was er geschaffen hatte und was Bestand haben würde.

»Wir müssen in die Wüste ziehen«, sagte Nafai.

»Ich werde keinen Widerstand mehr leisten.«

»Wir brauchen deine Hilfe«, sagte Nafai. »Wir müssen . sofort aufbrechen.«

Muuzh warf einen Blick auf die Gäste, die auf seiner Seite der Plattform zusammengekommen waren. Bitanke. Jetzt mußte Bitanke ihnen helfen. Er winkte ihm, und Bitanke erhob sich und ging zu ihm.

»Bitanke«, sagte Muuzh. »Du mußt alle Vorbereitungen für eine Wüstenreise treffen.« Er wandte sich an Nafai. »Wie viele werdet ihr sein?«

»Dreizehn«, sagte Nafai, »wenn du dich nicht doch noch entschließt, uns zu begleiten.«

»Komm mit uns, Vater«, sagte Huschidh.

»Er kann uns nicht begleiten«, sagte Luet. »Sein Platz ist hier.«

»Sie hat recht«, sagte Muuzh. »Ich könnte niemals auf eine Reise für Gott gehen.«

»Zumindest«, sagte Luet, »wird er bei uns sein, weil sein Same Teil von uns ist.« Sie berührte Nafais Arm. »Er wird der Großvater all unserer Kinder sein und auch der von Huschidhs Kindern.«

Muuzh wandte sich wieder an Bitanke. »Dreizehn Personen. Kamele und Zelte, für eine Wüstenreise.«

»Ich werde alles bereit haben«, sagte Bitanke. Doch Muuzh entnahm seinem Tonfall, seiner zuversichtlichen Haltung und der Tatsache, daß er keine Fragen stellte, daß Bitanke von dieser Anweisung nicht überrascht war.

»Du hast es schon gewußt«, sagte Muuzh. Er sah die anderen an. »Ihr habt es von Anfang an so geplant.«

»Nein, Herr«, sagte Nafai. »Wir haben nur gewußt, daß die Überseele versuchen wird, diese Ehe zu verhindern.«

»Glaubst du, wir hätten geschwiegen«, fragte Luet, »wenn wir gewußt hätten, daß wir deine Töchter sind?«

»Herr«, sagte Bitanke, »du mußt dich doch daran erinnern, daß du mir gemeinsam mit Herrin Rasa befohlen hast, die Kamele und Zelte und Vorräte bereitzustellen.«

»Wann habe ich dir so etwas gesagt?«

»In meinem Traum letzte Nacht«, sagte Bitanke.

Das war der vernichtende Schlag. Gott hatte ihn völlig zerstört und war sogar so weit gegangen, sich in dem prophetischen Traum eines anderen Mannes für ihn auszugeben. Er fühlte diese Niederlage wie eine schwere Last auf seinen Schultern; sie zwang ihn zu Boden.