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»Weswegen seid Ihr verurteilt worden, Mr. Bonnet?«, fragte Jamie. Er selbst stand entspannt da, doch es lag eine Wachsamkeit in seinem Blick, die Bonnets Ausdruck verteufelt ähnlich sah. Es war ein Blick von der Sorte, wie ihn sich männliche Hunde mit angelegten Ohren zuwerfen, bevor sie entscheiden, ob sie aufeinander losgehen.

»Schmuggel«, sagte Bonnet.

Jamie antwortete nicht, legte aber den Kopf schief. Eine Augenbraue hob sich fragend.

»Und Piraterie.« Neben Bonnets Mund zuckte ein Muskel – der gescheiterte Versuch eines Lächelns oder ein unwillkürliches Zittern der Angst?

»Und habt Ihr bei der Ausübung Eurer Verbrechen jemanden umgebracht, Mr. Bonnet?« Bis auf die wachsamen Augen war Jamies Gesicht ausdruckslos. Überleg es dir gut, sagte sein Blick ganz unverhüllt. Sehr gut.

»Niemanden, der nicht versucht hätte, mich zuerst umzubringen«, antwortete Bonnet. Die Worte kamen entspannt, sein Tonfall war fast respektlos, doch die Hand, die sich an seiner Seite fest zur Faust ballte, strafte ihn Lügen.

Es dämmerte mir, dass Bonnet sich fühlen musste, als stünde er Richter und Geschworenen erneut gegenüber. Er konnte ja nicht wissen, dass es uns fast genauso widerstrebte wie ihm, den Garnisonssoldaten zu nahe zu kommen.

Jamie sah Bonnet lange an, nahm ihn im flackernden Licht der Fackel genau in Augenschein, nickte dann und trat einen halben Schritt zurück.

»Dann geht«, sagte er ruhig. »Wir werden Euch nicht aufhalten.«

Bonnet holte hörbar Luft. Ich sah, wie er sich entspannte und wie seine Schultern unter dem billigen Leinenhemd erschlafften.

»Danke«, sagte er. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und holte noch einmal tief Atem. Seine grünen Augen blickten von mir zu Fergus und weiter zu Duncan. »Aber könnt Ihr mir vielleicht helfen?«

Duncan, der sich bei Jamies Worten entspannt hatte, gab einen Laut der Überraschung von sich.

»Euch helfen? Einem Dieb?«

Bonnets Kopf fuhr zu Duncan herum. Das Halseisen lag wie ein dunkler Streifen um seine Kehle und erweckte den unheimlichen Eindruck, als wäre sein Kopf abgetrennt und schwebte mehrere Zentimeter über seinen Schultern.

»Helft mir«, wiederholte er. »Heute Nacht werden Soldaten auf den Straßen sein – und Jagd auf mich machen.« Er deutete auf den Wagen. »Ihr könntet mich sicher an ihnen vorbeibringen – wenn Ihr so gütig wärt.« Er wandte sich wieder Jamie zu und straffte die Schultern. »Ich flehe Euch an, mir zu helfen, Sir, im Namen von Gavin Hayes, der mein Freund genau wie der Eure war – und ein Dieb wie ich.«

Die Männer musterten ihn einen Moment lang schweigend, während sie das verdauten. Fergus blickte Jamie fragend an; es war seine Entscheidung.

Doch nach einem langen, abschätzenden Blick auf Bonnet wandte sich Jamie an Duncan.

»Was meinst du, Duncan?« Duncan betrachtete Bonnet mit demselben Gesichtsausdruck wie zuvor Jamie und nickte schließlich.

»Um Gavins willen«, sagte er und wandte sich zum Friedhofstor um.

»Nun denn, in Ordnung«, sagte Jamie. Er seufzte und schob sich eine lose Haarsträhne hinter sein Ohr.

»Helft uns, Gavin zu begraben«, sagte er zu unserem Gast, »und dann brechen wir auf.«

Eine Stunde später war Gavins Grab ein Rechteck aus frisch umgegrabener Erde, das nackt zwischen den Grautönen des Grases hervorstach.

»Er muss eine Namenstafel bekommen«, sagte Jamie. Mühsam kratzte er mit der Spitze seines Messers Gavins Namen und seine Lebensdaten in einen glatten Stein. Ich rieb etwas Ruß von der Fackel in die eingravierten Lettern und schuf auf diese Weise einen einfachen, aber lesbaren Grabstein, den Ian fest in einen kleinen Grabhügel aus Kieseln drückte. Jamie setzte den Kerzenstummel aus dem Wirtshaus oben auf das kleine Monument.

Dann standen wir alle einen Moment lang befangen um das Grab herum, ohne zu wissen, wie wir Abschied nehmen sollten. Jamie und Duncan standen nah beieinander und blickten zu Boden. Sie hatten sich seit Culloden von vielen Kameraden für immer verabschieden müssen, und das oft sehr viel weniger förmlich.

Schließlich nickte Jamie Fergus zu. Dieser ergriff einen trockenen Kiefernzweig, zündete ihn an meiner Fackel an, bückte sich und berührte damit den Docht der Kerze.

»Requiem aeternam dona ei, et lux perpetua luceat ei …«, sagte Jamie leise.

»Schenke ihm ewige Ruhe, o Herr – und das ewige Licht leuchte ihm«, wiederholte Ian mit feierlichem Gesicht, vom Fackelschein beleuchtet.

Ohne ein weiteres Wort wandten wir uns ab und verließen den Kirchhof. Hinter uns brannte die Kerze reglos in der stillen, schweren Luft wie das ewige Licht in einer leeren Kirche.

Als wir den Militärposten vor den Stadtmauern erreichten, stand der Mond schon hoch am Himmel. Es war zwar nur Halbmond, doch er leuchtete so hell, dass wir den festgetrampelten Fahrweg vor uns sehen konnten, der breit genug war, dass zwei Wagen nebeneinander darauf fahren konnten.

Wir waren schon auf dem Weg von Savannah nach Charleston auf ein paar solcher Militärposten gestoßen. Sie waren zumeist mit gelangweilten Soldaten besetzt, die uns einfach durchwinkten, ohne sich die Mühe zu machen, die Pässe zu überprüfen, die wir in Georgia erworben hatten. Die Posten dienten vor allem dazu, Schmuggelware abzufangen und den einen oder anderen entlaufenen Zwangsarbeiter oder Sklaven festzunehmen.

Selbst schmutzig und ungekämmt erregten wir kaum Beachtung, denn Reisende sahen selten besser aus. Da Fergus und Duncan verstümmelt waren, konnten sie keine Zwangsarbeiter sein, und Jamies Ausstrahlung war trotz der Kleider spürbar. Niemand würde ihn für einen Untergebenen halten.

Doch heute Nacht war es anders. Der Posten war mit acht Soldaten bemannt, und sie waren alle bewaffnet und hellwach. Musketenläufe blitzten im Mondlicht, und aus der Dunkelheit kam der Ruf: »Halt! Name und Begehr!«

Eine Laterne hing plötzlich zehn Zentimeter vor meiner Nase und blendete mich einen Augenblick lang.

»James Fraser, unterwegs nach Wilmington mit meiner Familie und meinen Bediensteten.« Jamies Stimme war ruhig, und seine Hände zitterten nicht, als er mir die Zügel reichte, bevor er nach den Pässen in seiner Jacke griff.

Ich hob den Kopf nicht und versuchte, müde und gleichgültig auszusehen. Ich war müde, das stimmte – ich hätte mich einfach so auf die Straße legen und einschlafen können –, doch ich war alles andere als gleichgültig. Was machten sie wohl mit einem Mann, der einem entlaufenen Galgensträfling bei der Flucht half? Ein einzelner Schweißtropfen schlich sich an meinem Nacken herunter.

»Habt Ihr im Vorbeifahren irgendjemanden auf der Straße gesehen, Sir?« Das »Sir« kam etwas zögerlich, denn der traurige Zustand von Jamies Rock und meinem Kleid war im gelben Lichtkegel der Laterne nicht zu übersehen.

»Von der Stadt her ist uns eine Kutsche entgegengekommen, die habt Ihr wohl selbst gesehen«, antwortete Jamie. Der Sergeant antwortete mit einem Grunzen, überprüfte die Pässe sorgfältig und blinzelte dann in die Dunkelheit, um sicherzugehen, dass die Zahl der Anwesenden dazu passte.

»Was habt Ihr dabei?« Er gab die Pässe zurück und signalisierte einem seiner Untergebenen, den Wagen zu durchsuchen. Ich ruckte aus Versehen an den Zügeln, und die Pferde schnaubten und warfen die Köpfe hin und her. Jamies Fuß stieß gegen den meinen, doch er sah mich nicht an.

»Haushaltswaren«, antwortete er, immer noch ruhig. »Ein Stück Wild und einen Beutel Salz als Vorräte. Und eine Leiche.«

Der Soldat, der nach der Abdeckung des Wagens gegriffen hatte, hielt abrupt inne. Der Sergeant warf uns einen scharfen Blick zu.

»Eine was?«

Jamie nahm mir die Zügel ab und wickelte sie sich lässig um das Handgelenk. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Duncan sich auf den dunklen Wald zubewegte. Fergus, der erfahrene Taschendieb, war bereits aus dem Blickfeld verschwunden.