Das Rauschen des Flusses verschluckte die meisten normalen Geräusche der Nacht. Ich sah eine Fledermaus auf der Jagd nach unsichtbaren Insekten über eine mondbeschienene Stelle fliegen und in der Nacht verschwinden. Falls sonst noch etwas in der Dunkelheit lauerte, verhielt es sich still.
Jamie grunzte leise.
»Na, ich hab so meine Zweifel, was den Mann angeht«, sagte er, als beantwortete er eine Frage, die ich nicht gestellt hatte. »Ich kann nur hoffen, dass für mein Herz und nicht gegen meinen Verstand spricht, dass ich ihm geholfen habe.«
»Aber du konntest doch nicht zulassen, dass man ihn aufhängt«, sagte ich.
»O doch, das hätte ich gekonnt«, sagte er zu meiner Überraschung. Er sah, wie ich zu ihm aufblickte, und lächelte, eine ironische Mundbewegung, die in der Dunkelheit kaum zu sehen war.
»Die Krone sucht sich nicht immer den Falschen zum Hängen aus, Sassenach«, sagte er. »Meistens hat der Mann am Ende des Strickes ihn auch verdient. Und ich möchte mir nicht vorwerfen müssen, dass ich einem Schurken zur Flucht verholfen habe.« Er zuckte die Achseln und schob sich das Haar aus dem Gesicht.
»Aye, nun, passiert ist passiert. Geh baden, Sassenach, ich komme zu dir, sobald ich kann.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, und fühlte ihn dabei lächeln. Meine Zunge berührte sanft einladend seinen Mund, und als Antwort biss er mich leicht in die Unterlippe.
»Kannst du noch ein bisschen wach bleiben, Sassenach?«
»So lange wie nötig«, versicherte ich ihm. »Aber beeil dich, ja?«
Dichtes Gras wuchs unter den Weiden am Rand der Landzunge. Ich zog mich langsam aus und genoss es, den Luftzug, den das Wasser herantrug, durch den feuchten Stoff von Hemd und Strümpfen zu spüren – und dann schließlich die Freiheit, als die letzten Kleidungsstücke zu Boden fielen und ich nackt in der Nacht stand.
Ich trat vorsichtig ins Wasser. Es war überraschend kühl – kalt im Kontrast zu der heißen Nachtluft. Der Boden unter meinen Füßen bestand zum Großteil aus Schlamm, ging aber einen Meter vom Ufer entfernt in feinen Sand über.
Obwohl der Fluss ein Gezeitenwasser war, befanden wir uns so weit stromaufwärts, dass das Wasser frisch und süß war. Ich trank und bespritzte mir das Gesicht, um mir den Staub aus Kehle und Nase zu spülen.
Ich watete bis zur Hälfte meiner Oberschenkel hinein, Jamies Warnungen vor Fahrrinne und Strömungen im Hinterkopf. Nach der umwerfenden Hitze des Tages und der erdrückenden Umarmung der Nacht brachte das Gefühl der Kühle auf entblößter Haut überwältigende Erleichterung. Ich schöpfte Wasser mit den Händen und ließ es mir über Gesicht und Brüste laufen; die Tropfen rannen mir den Bauch herunter und kitzelten mich kalt zwischen den Beinen.
Ich fühlte den leichten Druck der ansteigenden Flut, die sich sanft gegen meine Unterschenkel schob und mich zum Ufer drängte. Ich war aber noch nicht so weit. Ich hatte keine Seife, daher kniete ich mich hin, spülte mein Haar wieder und wieder im klaren, dunklen Wasser aus und rieb mir den Körper mit einer Handvoll Sand ab, bis sich meine Haut dünn und heiß anfühlte.
Schließlich kletterte ich aus dem Wasser auf eine Felsbank und lag genießerisch wie eine Meerjungfrau im Mondlicht. Jetzt waren die Hitze der Luft und der sonnenwarme Stein eine Wohltat für meinen ausgekühlten Körper. Ich kämmte mir das dichte, lockige Haar mit den Fingern aus, wobei ich überall Wassertropfen versprühte. Der feuchte Stein roch nach Regen, staubig und prickelnd.
Ich war sehr müde und fühlte mich doch gleichzeitig sehr lebendig, in jenem halb bewussten Zustand, in dem sich das Denken verlangsamt und sich die kleinen physischen Wahrnehmungen verstärken. Ich bewegte meinen nackten Fuß langsam über den Sandsteinfelsen und genoss die leichte Reibung. Dann ließ ich eine Hand sanft über die Innenseite meines Oberschenkels gleiten, und bei dieser Berührung überlief mich eine Gänsehaut.
Meine Brüste erhoben sich im Mondlicht, kühle, weiße Halbkugeln, noch von klaren Tropfen benetzt. Ich streifte meine Brustwarze und sah zu, wie sie sich versteifte und sich wie von Zauberhand aufrichtete.
Und es war wirklich ein verzauberter Ort, dachte ich. Die Nacht war lautlos und still, doch die Atmosphäre war so träge, als triebe man im warmen Meer. So nah an der Küste war der Himmel klar, und die Sterne leuchteten wie Diamanten, mit kraftvollem, hellem Licht.
Ein leises Klatschen ließ mich zum Fluss blicken. Nur das schwache Funkeln der Sterne bewegte sich auf der Wasseroberfläche, wie Glühwürmchen in einem Spinnennetz.
Da durchbrach ein großer Kopf in der Flussmitte die Wasseroberfläche, und Wasser strömte an beiden Seiten der spitzen Schnauze herab. Ein Fisch schlug zwischen Rollos Kiefern um sich; seine Schuppen glänzten kurz auf, als Rollo mit aller Kraft den Kopf schüttelte, um ihm das Genick zu brechen. Der riesige Hund schwamm langsam ans Ufer, schüttelte sich kurz und schlich dann mit seinem Abendessen davon, das ihm schlaff und schimmernd aus dem Maul hing.
Am anderen Ufer blieb er einen Augenblick stehen und sah mich an; seine zotteligen Nackenhaare umrahmten die gelben Augen und den glänzenden Fisch. Wie ein primitives Gemälde, dachte ich – ein Rousseau, mit seinem Kontrast zwischen völliger Wildnis und perfekter Stille.
Dann war der Hund verschwunden, und am anderen Ufer waren nur noch die Bäume, die alles verbargen, was hinter ihnen lag. Was das wohl war?, fragte ich mich. Noch mehr Bäume, antwortete mein Verstand.
»Viel mehr«, murmelte ich und blickte in die rätselhafte Dunkelheit. Die Zivilisation – selbst von der primitiven Sorte, an die ich mich gewöhnt hatte – war nur eine schmale Sichel am Rand des Kontinents. Zweihundert Meilen weiter landeinwärts gab es keine Städte oder Gehöfte mehr. Und dahinter lagen dreitausend Meilen … wovon? Wildnis, sicherlich, und Gefahr. Abenteuer, das auch – und Freiheit.
Es war schließlich eine neue Welt, frei von Furcht und voller Glück, denn jetzt waren Jamie und ich zusammen, für den Rest unseres Lebens. Abschied und Leid lagen hinter uns. Selbst der Gedanke an Brianna erfüllte mich nicht mit furchtbarem Bedauern – ich vermisste sie sehr und dachte ständig an sie, doch ich wusste, dass sie in ihrer eigenen Zeit in Sicherheit war, und dieses Wissen ließ mich ihre Abwesenheit leichter ertragen.
Ich legte mich wieder auf den Felsen, dessen Oberfläche die gespeicherte Hitze des Tages auf meinen Körper ausstrahlte, und war einfach nur froh, am Leben zu sein. Ich sah zu, wie die Wassertropfen auf meinen Brüsten trockneten, sich in einen feuchten Film verwandelten und dann völlig verschwanden.
Kleine Mückenwolken hingen über dem Wasser. Ich konnte sie zwar nicht sehen, doch das gelegentliche Platschen eines Fisches, der hochsprang, um sie in der Luft zu fangen, verriet mir, dass sie da waren.
Die Insekten waren eine allgegenwärtige Plage gewesen. Jeden Morgen unterzog ich Jamies Haut einer eingehenden Inspektion, zog ihm gierige Zecken und anderes Getier vom Körper und rieb die Männer großzügig mit einem Aufguss von Poleiminze- und Tabakblättern ein. Dies verhinderte, dass sie bei lebendigem Leib von den Moskitos, Stechmücken und anderen Blutsaugern verspeist wurden, die in den sonnengefleckten Schatten der Wälder hingen, doch es konnte die vorwitzigen Insektenschwärme nicht davon abhalten, sie durch ständige kitzelnde Erkundungsgänge in Ohr, Auge, Nase und Mund zum Wahnsinn zu treiben.
Merkwürdigerweise ließen mich die meisten Insekten strikt in Ruhe. Ian sagte im Scherz, dass mein starker Kräutergeruch sie wohl verjagte, doch ich glaubte, dass mehr dahintersteckte – selbst wenn ich frisch gebadet war, zeigten die Insekten keinerlei Neigung, mich zu belästigen.
Ich hielt das für eine weitere Manifestation jener evolutionären Merkwürdigkeit, die – so vermutete ich zumindest – mich hier auch vor Erkältungen und harmlosen Erkrankungen schützte. Die Entwicklung der blutsaugenden Insekten verlief genau wie die der Mikroben parallel zur Entwicklung des Menschen, und sie waren empfänglich für die subtilen chemischen Signale ihrer Wirte. Da ich aus einer anderen Zeit kam, verbreitete ich nicht mehr dieselben Signale, und demzufolge betrachteten mich die Insekten nicht länger als Beute.