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Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge: Die Galgenprozession kam am anderen Ende der Straße in Sicht. Die Trommeln wurden lauter.

»Wo ist er?«, murmelte Fergus neben mir und reckte ebenfalls den Hals, um etwas zu sehen. »Ich wusste doch, dass ich besser mit ihm gegangen wäre.«

»Er kommt schon noch.« Ich hätte mich am liebsten auf die Zehenspitzen gestellt, ließ es aber bleiben, weil ich es als unpassend empfand. Dennoch blickte ich mich suchend um. Ich konnte Jamie in jeder Menschenmenge ausmachen, denn sein Kopf und seine Schultern überragten die meisten Männer, und in seinem Haar fing sich das Licht in einer rotgoldenen Flamme. Er war noch nicht zu sehen, nur das Meer wogender Hauben und Dreispitze, mit denen sich jene Bürger vor der Hitze schützten, die zu spät gekommen waren, um noch einen Platz im Schatten zu ergattern.

Zuerst kamen die Flaggen. Über den Köpfen der aufgeregten Menge wehten die Banner von Großbritannien und der Kronkolonie South Carolina. Und ein weiteres, das das Wappen des Gouverneurs der Kolonie trug.

Dann kamen die Trommler, in Zweierreihen und im Gleichschritt, und ihre Stöcke wechselten zwischen Schlägen und Wirbeln ab. Es war ein langsamer Marsch, grimmig und unerbittlich. Totenmarsch, so glaubte ich, nannte man diese spezielle Kadenz; sehr passend unter diesen Umständen. Alle anderen Geräusche ertranken im Trommelwirbel.

Dann kam der Zug der rotberockten Soldaten, und in ihrer Mitte die Gefangenen.

Sie waren zu dritt. Man hatte ihnen die Hände vor den Bauch gebunden und sie mit einer Kette aneinandergefesselt, die durch Ringe an ihren Halseisen lief. Der Erste war ein kleiner, älterer Mann, zerlumpt und verlottert, ein verfallenes Wrack, und er torkelte und stolperte so sehr, dass sich der dunkel gewandete Geistliche an seiner Seite gezwungen sah, ihn beim Arm zu nehmen, damit er nicht hinfiel.

»Ist das Gavin Hayes? Er sieht schlecht aus«, murmelte ich Fergus zu.

»Er ist betrunken.« Die leise Stimme erklang hinter mir, und ich wirbelte herum. Jamie stand genau hinter mir und hatte die Augen auf die klägliche Prozession gerichtet.

Die Gleichgewichtsstörungen des kleinen Mannes behinderten die Prozession, denn sein Torkeln zwang die beiden an ihn geketteten Männer zu abrupten Kurswechseln, wenn sie auf den Füßen bleiben wollten. Sie erinnerten an drei Betrunkene auf dem Nachhauseweg von der Dorfkneipe, was in drastischem Kontrast zum Ernst der Lage stand. Über die Trommeln hinweg hörte ich Gelächter aufbrausen, und von den schmiedeeisernen Balkonen der East Bay Street erschollen Anfeuerungsrufe.

»Warst du das?« Ich sprach leise, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber ich hätte auch schreien und mit den Armen rudern können; niemand hatte Augen für irgend etwas anderes als die Szene vor uns.

Ich spürte Jamies Schulterzucken mehr, als dass ich es sah, während er einen Schritt vortrat und sich neben mich stellte.

»Er hat mich darum gebeten«, sagte er. »Es war alles, was ich für ihn tun konnte.«

»Brandy oder Whisky?« fragte Fergus, der Hayes’ Erscheinung mit Kennerblick begutachtete.

»Der Mann ist ein Schotte, mein lieber Fergus.« Jamies Stimme war so ruhig wie sein Gesicht, doch ich hörte die leise Anspannung darin. »Er wollte Whisky.«

»Gute Wahl. Mit etwas Glück wird er es nicht einmal merken, wenn sie ihn hängen«, murmelte Fergus. Der kleine Mann war dem Griff des Priesters entschlüpft, auf der sandigen Straße mitten aufs Gesicht gefallen und hatte dabei einen seiner Mitgefangenen auf die Knie heruntergezogen. Der dritte Gefangene, ein hochgewachsener junger Mann, blieb auf den Füßen, schwankte aber wild hin und her, während er mit aller Kraft versuchte, die Balance zu halten. Die Menge auf dem Platz brüllte vor Schadenfreude.

Der Hauptmann der Wache glühte zwischen seiner weißen Perücke und seinem Kragen vor Wut mindestens genauso feuerrot wie von der Sonne. Er bellte einen Befehl, die Trommeln setzten ihr finsteres Rollen fort, und ein Soldat bemühte sich hastig, die Kette zu entfernen, die die Gefangenen aneinanderfesselte. Hayes wurde ohne Umschweife auf die Füße gerissen, an beiden Armen von einem Soldaten ergriffen, und die Prozession nahm ihren Weg wieder auf, diesmal in besserer Ordnung.

Das Gelächter verstummte, als sie das Schafott erreichten, einen von Maultieren gezogenen Karren unter den Ästen einer riesigen Eiche. Ich spürte das Schlagen der Trommeln durch meine Fußsohlen. Mir war ein bisschen schlecht von der Sonne und den Gerüchen. Das Trommeln endete abrupt, und die Stille summte in meinen Ohren.

»Du musst es dir nicht ansehen, Sassenach«, flüsterte Jamie mir zu. »Geh zurück zum Wagen.« Seine Augen waren fest auf Hayes gerichtet, der murmelnd im Griff der Soldaten schwankte und sich trübäugig umschaute.

Zusehen war das Letzte, was ich wollte. Aber ich konnte Jamie auch nicht dabei im Stich lassen. Er war wegen Gavin Hayes gekommen; ich war seinetwegen gekommen. Ich berührte seine Hand.

»Ich bleibe hier.«

Jamie richtete sich höher auf. Er trat einen Schritt vor und sorgte so dafür, dass er in der Menge gut sichtbar war. Falls Hayes noch nüchtern genug war, um irgendetwas zu sehen, dann wäre das Letzte, was er auf dieser Welt sah, das Gesicht eines Freundes.

Er konnte sehen – Hayes stierte hierhin und dorthin, als sie ihn auf den Karren hoben, und reckte verzweifelnd suchend den Hals.

»Gabhainn! A charaid!«, rief Jamie plötzlich. Hayes’ Blick fand ihn sofort, und er mühte sich nicht länger ab.

Der kleine Mann stand leicht schwankend da, als die Anklage verlesen wurde: Diebstahl in Höhe von sechs Pfund, zehn Schillingen. Er war mit rötlichem Staub bedeckt, und Schweißperlen hingen zitternd in seinen grauen Bartstoppeln. Der Priester beugte sich dicht zu ihm herüber und murmelte drängend in sein Ohr.

Dann setzten die Trommeln in einem gleichmäßigen Wirbel wieder ein. Der Henker führte die Schlinge über den fast kahlen Kopf und zog sie fest. Den Knoten positionierte er präzise unter dem Ohr. Der Hauptmann der Wache stand mit erhobenem Säbel in Habtachtstellung.

Plötzlich richtete sich der Verurteilte zu voller Höhe auf. Den Blick auf Jamie gerichtet, öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen.

Der Säbel blitzte in der Morgensonne, und das Trommeln endete mit einem letzten, abgehackten Schlag.

Ich sah Jamie an. Er war kalkweiß und starrte ins Leere. Aus dem Augenwinkel sah ich das ruckende Seil und das schwache, unwillkürliche Zucken des baumelnden Kleiderbündels. Ein scharfer Geruch nach Urin und Fäkalien durchschnitt die dicke Luft.

Neben mir beobachtete Fergus gelassen das Geschehen. »Dann hat er es wohl doch gemerkt«, murmelte er mit Bedauern.

Die Leiche schwang sacht, ein totes Gewicht, das wie ein Senkblei an seiner Schnur baumelte. Aus der Menge erklang ein Seufzer der Verschüchterung und Erleichterung. Seeschwalben kreischten am brennenden Himmel, und entfernte Hafengeräusche durchdrangen gedämpft die schwere Luft, doch der Platz war in Schweigen gehüllt. Von meinem Platz aus konnte ich das leise Plitsch, Platsch, Plitsch der Tropfen hören, die vom Zeh der baumelnden Leiche fielen.

Ich hatte Gavin Hayes nicht gekannt, und sein Tod ging mir nicht persönlich nahe, doch ich war froh, dass es schnell gegangen war. Ich warf einen verstohlenen Blick auf ihn und fühlte mich wie ein Störenfried. Es war eine höchst öffentliche Art, einen ganz privaten Akt zu vollbringen, und es machte mich verlegen, ihn anzusehen.

Der Henker hatte seine Sache gut gemacht: Es hatte kein entwürdigendes Gezappel gegeben, keine vorquellenden Augen, keine heraushängende Zunge. Gavins kleiner, runder Kopf war scharf zur Seite geknickt, sein Hals war grotesk in die Länge gezogen, doch sein Genick war glatt gebrochen.

Jemand anders dagegen war derweil ausgebrochen. Nachdem er sich von Hayes’ Tod überzeugt hatte, gab der Hauptmann der Wache mit seinem Säbel das Signal, den nächsten Mann zum Galgen zu bringen. Ich sah, wie seine Augen an der rotberockten Kolonne entlangschweiften und sich dann vor Entrüstung weiteten.