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»Polka tanzende Polen, Jodler aus der Schweiz – Mensch, die hatten mindestens zehn Millionen Kuckucksuhren dabei! Spanier, Italiener, japanische Kirschblütenfeste – unglaublich, wie viele Kameras die Japse haben, einfach unglaublich.« Der Mann schüttelte gedankenverloren den Kopf und schob zwei Pappteller mit Hamburgern und Fritten herüber.

»Wie auch immer, alle zwei Wochen ist hier was anderes los. Da kommt keine Langeweile auf. Wir verkaufen natürlich einfach weiter, egal, welche Sorte Essen.« Der Mann warf einen interessierten Blick auf Rogers Kilt.

»Und, sind Sie Schotte, oder tragen Sie nur gern ’nen Faltenrock?«

Roger, der schon einige Dutzend Variationen dieser Hänselei gehört hatte, blickte den Mann ausdruckslos an.

»Nun, wie mein alter Großvater immer gesagt hat«, begann er, wobei er immer stärker ins Schottische verfiel, »wenn du dein’ Kilt anziehst, Jungchen, kannste auch sicher sein, dass du ’n Mann bist.«

Der Mann krümmte sich vor Lachen, und Brianna verdrehte die Augen.

»Kiltwitze«, murmelte sie. »Lieber Himmel, wenn du jetzt auch noch anfängst, Kiltwitze zu erzählen, fahre ich los und lasse dich hier sitzen, das schwöre ich.«

Roger grinste sie an.

»Och, das würd’ste doch nicht tun, oder? Einfach weggehn und ’nen Mann verlassen, nur weil er dir sagen will, was er unterm Kilt trägt?«

Ihre Augen verengten sich zu blauen Dreiecken.

»Na, ich wette, unter diesem Kilt ist gar nichts«, sagte sie und deutete auf Rogers Sporran. »Und da unten funktionierrrt bestimmt alles perrrfekt, oder?«

Roger verschluckte sich an seinen Pommes frites.

»Eigentlich käme jetzt ›Gib mir mal die Hand, dann zeig ich’s dir‹«, fiel der Standbesitzer ein. »Mann, habe ich den Spruch diese Woche schon oft gehört.«

»Wenn er das jetzt sagt«, warf Brianna finster ein, »fahre ich weg und lasse ihn auf diesem Berg hocken. Von mir aus kann er hierbleiben und sich von Tintenfisch ernähren.«

Roger trank einen Schluck Coca-Cola und hielt wohlweislich den Mund.

Sie hatten Zeit genug, durch die Budengassen zu wandern. Hier wurde alles Mögliche verkauft, von Tartankrawatten über irische Flöten, Silberschmuck, schottische Clan-Landkarten, Butterscotch und Shortbread, Highlanderfigurinen aus Blei, Bücher, Schallplatten bis hin zu allen erdenklichen Gegenständen, die sich mit einem Clansymbol oder -motto bedrucken ließen.

Roger zog nur gelegentlich neugierige Blicke auf sich. Seine Tracht war zwar von besserer Qualität als die vieler anderer, fiel hier aber ansonsten nicht auf. Das Publikum bestand zum Großteil aus Touristen, die Shorts und Jeans trugen und deren Kleidung nur hier und dort in Karomuster ausbrach.

»Wieso MacKenzie?«, fragte Brianna und blieb bei einer Bude mit Clan-Schlüsselanhängern stehen. Sie nahm einen der Silberanhänger in die Hand, auf dem Luceo non uro stand. Das lateinische Motto schlang sich um eine Abbildung, die aussah wie ein Vulkan. »Hat sich Wakefield nicht schottisch genug angehört? Oder hast du gedacht, deine Kollegen in Oxford sehen es nicht gern, wenn du – das hier machst?« Sie deutete auf das Schauspiel um sie herum.

Roger zuckte mit den Achseln.

»Zum Teil. Aber es ist auch mein Nachname. Meine Eltern sind beide im Krieg umgekommen, und mein Großonkel hat mich adoptiert. Er hat mir seinen eigenen Namen gegeben – aber eigentlich heiße ich Roger Jeremiah MacKenzie.«

»Jeremiah?« Sie lachte nicht laut heraus, doch ihre Nasenspitze lief rot an, als müsste sie sich Mühe geben, es nicht zu tun. »Wie der Prophet im Alten Testament?«

»Lach nicht«, sagte er und nahm ihren Arm. »Ich heiße nach meinem Vater – sie haben ihn Jerry gerufen. Meine Mutter hat mich Jemmy genannt, als ich noch klein war. Alter Familienname. Es hätte schlimmer kommen können – sie hätten mich Ambrose oder Conan nennen können.«

Das Lachen sprudelte aus ihr heraus.

»Conan?«

»Vollkommen anständiger keltischer Name, bevor die Fantasy-Meute ihn mit Beschlag belegt hat. Jedenfalls scheinen sie einen Grund gehabt zu haben, als sie sich Jeremiah ausgesucht haben.«

»Und zwar?«

Sie kehrten um und gingen langsam zur Bühne zurück, auf der eine Gruppe kleiner Mädchen einen Highlandtanz tanzte. Sie bewegten sich völlig synchron, jede gestärkte Rockfalte und jedes Schleifchen an seinem Platz.

»Ach, das ist eine von den Geschichten, die Pa – der Reverend, ich habe ihn immer Pa genannt – gern erzählt hat, wenn er mit mir den Stammbaum durchging und mir erklärte, wer wer war.«

Ambrose MacKenzie, das ist dein Urgroßvater, Roger. Er war wahrscheinlich Schiffsbauer in Dingwall. Und hier ist Mary Oliphant – ich habe deine Urgroßmutter Mary Oliphant gekannt, habe ich dir das schon erzählt? Sie wurde siebenundneunzig, war echt auf Draht, bis zum letzten Atemzug – tolle Frau.

Sie war sechsmal verheiratet – alle eines natürlichen Todes gestorben, hat sie mir versichert –, aber ich habe nur Jeremiah MacKenzie eingetragen, weil er dein Vorfahr ist. Der Einzige, mit dem sie Kinder hatte, hat mich immer gewundert.

Ich hab sie mal darauf angesprochen, und sie hat ein Auge zugekniffen und mir zugenickt und gesagt: »Is fhearr an giomach na ’bhi gun fear tighe.« Ein altes gälisches Sprichwort – »Lieber mit ’nem Hummer verheiratet als gar nicht.« Sie meinte, man könnte zwar so manchen heiraten, aber Jeremiah war der einzige Mann, der genug hermachte, um ihn jede Nacht zu sich ins Bett zu lassen.

»Ich frage mich, was sie den anderen gesagt hat«, meinte Brianna gedankenverloren.

»Na ja, sie hat nicht gesagt, dass sie nicht ab und zu auch mit ihnen geschlafen hat«, erklärte Roger. »Aber nicht jede Nacht.«

»Einmal reicht, um schwanger zu werden«, sagte Brianna. »Das hat meine Mutter zumindest in der Schule erzählt, beim Sexualkundeunterricht. Und dann hat sie Bilder von Spermien an die Tafel gemalt, die alle lechzend auf ein riesiges Ei zuflitzten.« Sie war wieder rot geworden, offensichtlich aber vor Belustigung.

Arm in Arm standen sie da, und er spürte ihre Körperwärme durch das dünne T-Shirt. Eine Bewegung unter seinem Kilt brachte ihn auf den Gedanken, dass es ein Fehler gewesen war, die Unterhose nicht anzuziehen.

»Vergessen wir mal die Frage, ob Spermien lechzen können – was habt ihr denn sonst so fürs Leben gelernt?«

»Alles Mögliche«, erklärte sie. »Jungen und Mädchen wurden getrennt unterrichtet. In der Mädchenklasse haben wir ›Die Geheimnisse des Lebens‹ und ›Zehn Tipps, wie man nein zu einem Jungen sagt‹ durchgenommen.«

»Und die Jungs?«

»Na ja, ich weiß es nicht genau, weil ich ja keine Brüder hatte, die es mir hätten sagen können. Aber ein paar von meinen Freundinnen hatten Brüder – einer von denen hat gesagt, sie hätten achtzehn verschiedene Synonyme für ›Erektion‹ gelernt.«

»Sehr nützlich«, sagte Roger und fragte sich, wozu irgendjemand mehr als eines davon brauchte. Glücklicherweise verbarg ein Sporran gleich eine ganze Anzahl von Sünden.

»Vielleicht kann man damit ein Gespräch in Gang halten – unter bestimmten Umständen.«

Ihre Wangen waren gerötet. Er spürte, wie auch ihm die Röte den Hals hochkroch, und er bildete sich ein, dass sie allmählich Aufmerksamkeit erregten. Seit er siebzehn war, hatte ihn kein Mädchen mehr öffentlich bloßgestellt, aber sie war auf dem besten Weg. Sie hatte damit angefangen – also konnte sie es auch zu Ende bringen.

»Mmpf. Unter solchen Umständen sind mir noch keine großartigen Gespräche untergekommen.«

»Du musst es ja wissen.« Es war nicht direkt eine Frage. Etwas verspätet erkannte er, worauf sie hinauswollte. Er spannte seinen Arm an und zog sie näher an sich.

»Wenn du meinst, habe ich, ja. Wenn du meinst, bin ich, nein.«

»Wie bitte?« Ihre Lippen zitterten leicht, als sie ein Lachen unterdrückte.