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»Du willst doch wissen, ob ich in England eine Freundin habe, oder nicht?«

»Will ich das?«

»Ich habe keine. Das heißt, ich habe schon eine, aber es ist nichts Ernstes.« Sie waren vor den Garderoben angekommen; beinahe Zeit, seine Instrumente zu holen. Er blieb stehen und sah sie an. »Und du? Hast du einen Freund?«

Sie war so groß, dass sie ihm in die Augen sehen konnte, und so nah, dass ihre Brüste seinen Unterarm streiften, als sie sich ihm zuwandte.

»Was hat deine Uroma doch gleich gesagt? ›Is fhearr an giomach …?‹«

»›… na ’bhi gun fear tighe.‹«

»Ah. Na ja, lieber einen Hummer als gar keinen Freund.« Sie hob die Hand und berührte seine Brosche. »Also, es gibt Leute, mit denen ich ausgehe. Aber ich habe keinen festen Freund – noch nicht.«

Er erwischte ihre Finger und führte sie an seinen Mund.

»Lass dir Zeit«, sagte er und küsste ihre Hand.

Das Publikum verhielt sich erstaunlich still, ganz anders als bei einem Rockkonzert. Natürlich konnten sie keinen Lärm machen, hier gab es keine E-Gitarren oder Verstärker, nur ein kleines Mikrofon auf einem Ständer. Manche Dinge hatten aber auch keine Verstärker nötig. Ihr Herz zum Beispiel, das ihr in den Ohren hämmerte.

»Hier«, hatte er gesagt, als er plötzlich mit Gitarre und Trommel in der Tür der Umkleidekabine erschien. Er hatte ihr einen kleinen braunen Umschlag gegeben. »Die habe ich gefunden, als ich Papas Papierkram in Inverness sortiert habe. Ich dachte, vielleicht willst du sie.«

Sie wusste, dass es Fotos waren, doch sie hatte sie nicht sofort angesehen. Sie hatte dagesessen und Rogers Set zugehört und versucht, nicht an die Fotos zu denken.

Er war gut – obwohl sie nur halb bei der Sache war, konnte sie hören, dass er gut war. Er hatte eine überraschend volle, tiefe Baritonstimme, und er wusste sie zu benutzen. Nicht nur, was Tonfall und Melodie anging – er hatte das Talent des echten Bühnenkünstlers, den Vorhang zwischen Sänger und Publikum zur Seite zu ziehen, in die Menge zu blicken, einen Zuhörer anzusehen und ihm zu zeigen, was hinter den Worten und der Musik lag.

Er wärmte sie mit »The Road to the Isles« auf, einem schnellen, lebendigen Song zum Mitklatschen und -singen, hielt sie mit »The Gallowa’ Hills« bei der Stange und schaffte dann den sanften Übergang zu »The Lewis Bridal Song« mit seinem schönen gälischen Refrain.

Er ließ den letzten Ton von »Vhair Me Oh« verklingen und lächelte sie direkt an, dachte sie.

»Und hier ist eins von 1745«, sagte er. »Dieser Song handelt von der berühmten Schlacht von Prestopans, wo Charles Stuarts Highland-Armee eine viel stärkere englische Truppe in die Flucht schlug, die von General Jonathan Cope befehligt wurde.«

Ein anerkennendes Raunen ging durch das Publikum – der Song war für viele von ihnen offenbar eine alte Lieblingsnummer. Das Murmeln verstummte schnell, als Roger die Hauptmelodie zupfte und dann Copes arrogante Herausforderung an Prinz Charles sang.

»Cope sent a challenge from Dunbar

Sayin’ ’Charlie, meet me, and ye daur

An’ I’ll learn ye the art o’ war

If ye’ll meet me in the mornin’.«

Er beugte den Kopf über die Saiten und nickte der Menge zu, in den höhnischen Refrain einzustimmen, der Cope zum Versager stempelte.

»Hey, Johnnie Cope, are ye walkin’ yet?

And are your drums a-beatin’ yet?

If ye were walkin’, I would wait

Tae gang tae the coals in the mornin’.«

Brianna spürte plötzlich ein Prickeln an den Haarwurzeln, das weder mit dem Sänger noch dem Publikum, sondern mit dem Song selbst zusammenhing.

»When Charlie looked the letter upon

He drew his sword the scabbard from,

Come, follow me, my merry men,

And we’ll meet Johnnie Cope in the morning!«

»Nein«, flüsterte sie, und ihre Finger lagen kalt auf dem glatten, braunen Umschlag. Come follow me, my merry men … »Mir nach, meine Gefolgsleute«, hatte Prinz Charles befohlen und die Herausforderung angenommen. Sie waren dabei gewesen – ihre Eltern, alle beide. Es war ihr Vater gewesen, der als Erster über das Schlachtfeld bei Preston gestürmt war, Schwert und Lederschild in der Hand. Und es floss Blut an diesem Morgen.

»For it will be a bluidie morning!«

»Hey, Johnnie Cope, are ye walkin’ yet?

And are your drums a-beatin’ yet? …«

Die Stimmen um sie herum schwollen zu einem zustimmenden Rauschen an, als sie in den Refrain einfielen. Sie erlebte einen Anflug von Panik und wäre am liebsten geflüchtet wie Johnnie Cope, doch es ging vorbei. Danach fühlte sie sich von ihren Emotionen genauso erschlagen wie von der Musik.

»In faith, quo Johnnie, I got sic flegs,

Wi’ their claymores an’ philabegs,

Gin I face them again, de’il brak my legs,

So I wish you a’ good morning!

Hey, Johnnie Cope, are ye walkin’ yet? …«

Ja, Johnnie Cope ging immer noch um. Und er würde gegenwärtig bleiben, solange dieses Lied gesungen wurde. Manche Menschen versuchten, die Vergangenheit zu bewahren, andere wollten ihr entkommen. Und das war so ziemlich die größte Kluft zwischen ihr und Roger. Warum war ihr das nicht schon früher eingefallen?

Sie wusste nicht, ob Roger ihre Unruhe wahrgenommen hatte, doch er verließ das gefährliche Thema Jakobiten und begann »MacPherson’s Lament«, das er nur mit gelegentlichen Berührungen der Saiten begleitete. Die Frau neben Brianna seufzte und blickte mit Rehaugen auf die Bühne, als die Geschichte des zum Tode verurteilten Fiedlers erklang, der selbst vor dem Galgen nicht von der Musik lassen konnte.

»Sae rantingly, sae wantonly, sae dauntingly gaed he,

He played a tune and he danced it roond … alow the

gallows tree!«

Sie griff nach dem Umschlag und wog ihn in der Hand. Vielleicht sollte sie warten, bis sie zu Hause war. Doch ihre Neugier rang mit ihrem Zögern. Roger war sich nicht sicher gewesen, ob er ihr den Umschlag geben sollte; das hatte sie an seinem Blick erkannt.

»… ein bodhran«, sagte Roger. Die Trommel war nur ein hölzerner Ring, der ein paar Zentimeter breit war, einen Durchmesser von vielleicht vierzig Zentimetern hatte und mit Leder bespannt war. Er hielt die Trommel in der einen Hand und einen kleinen, doppelköpfigen Schlegel in der anderen. »Dies ist eins der ältesten bekanntesten Instrumente, die Trommel, mit der die Keltenstämme im Jahr 52 vor Christus Julius Caesars Truppen das Fürchten lehrten.« Kichern erklang aus dem Publikum, und er berührte das breite Trommelfell mit dem Schlegel, schlug es im sanften, schnellen Rhythmus eines schlagenden Herzens.

»Und jetzt ›The Sheriffmuir Fight‹ aus der Zeit des ersten Jakobitenaufstandes im Jahr 1715.«

Seine Finger verschoben sich unter dem Trommelfell, und die Schläge wurden tiefer und nahmen einen kriegerischen Ton an, Donnerschläge, die die Worte untermalten. Das Publikum benahm sich immer noch, richtete sich aber auf und beugte sich vor, während es dem Gesang folgte, der die Schlacht von Sheriffmuir im blutigen Detail beschrieb und die Clans nannte, die daran teilgenommen hatten.

»… then on they rushed, and blood out-gushed, and many a

puke did fall, man …

They hacked and hashed, while broadswords clashed …«

Als das Lied zu Ende war, schob sie ihre Finger in den Umschlag und zog einen Stapel Fotografien heraus. Alte Schnappschüsse, deren Schwarzweiß zu Brauntönen verblichen war. Ihre Eltern. Frank und Claire Randall, die beide auf eine absurde Weise jung aussahen – und furchtbar glücklich.