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Sie waren irgendwo in einem Garten. Liegestühle und ein Tisch mit Getränken standen vor einem Hintergrund, der gefleckt war mit diffusem Licht, das durch die Laubbäume fiel. Doch ihre Gesichter waren klar zu erkennen – lachende Gesichter, die vor Jugend glühten. Sie hatten nur Augen füreinander.

In der üblichen Pose, Arm in Arm und gleichzeitig voll Spott über die eigene Förmlichkeit. Und dann Claire, die sich bog vor Lachen über etwas, was Frank gesagt hatte, und ihren weiten, im Wind flatternden Rock festhielt, wogegen ihr lockiges Haar nicht zu bändigen war. Frank, der Claire ein Glas reichte, während sie ihm mit einem derart hoffnungsvollen Blick ins Gesicht sah, dass der Anblick Brianna das Herz schwermachte.

Dann betrachtete sie das letzte Bild, und ihr wurde klar, was sie da sah. Die beiden standen am Tisch, hielten gemeinsam ein Messer fest und lachten, als sie eine ganz offensichtlich selbstgebackene Torte anschnitten. Eine Hochzeitstorte.

»Und zum Schluss eins meiner Lieblingslieder, das Sie bestimmt kennen. Man sagt, ein gefangener Jakobit habe das Lied auf dem Weg zum Galgen nach London an seine Frau in den Highlands geschickt.«

Sie breitete ihre Hände über die Bilder, als wollte sie verhindern, dass jemand sie sah. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Hochzeitsfotos. Schnappschüsse von ihrer Hochzeit. Natürlich, sie waren in Schottland getraut worden. Reverend Wakefield hatte die Messe zwar nicht selbst halten können, da er kein katholischer Priester war, doch als einer der ältesten Freunde ihres Vaters hatte er den Empfang sicher in seinem Pfarrhaus ausgerichtet.

Ja. Sie schaute durch ihre Finger und erkannte im Hintergrund vertraute Details des alten Hauses. Dann schob sie widerstrebend ihre Hand beiseite und betrachtete noch einmal das junge Gesicht ihrer Mutter.

Achtzehn. Claire hatte Frank Randall mit achtzehn geheiratet. Wie konnte jemand, der so jung war, sich seiner Sache so sicher sein?

»By yon bonnie banks, and by yon bonnie braes,

Where the sun shines bright in Loch Lomond,

Where me and my true love were ever wont to gae …«

Doch Claire war sich sicher gewesen – oder zumindest hatte sie das gedacht. Ihre breite, klare Stirn und ihr feiner Mund ließen keinen Raum für Zweifel; ihre großen, leuchtenden Augen waren auf ihren frischgebackenen Ehemann gerichtet, ohne eine Spur von Zurückhaltung oder bösen Vorahnungen zu verraten. Und dennoch –

»But me and my true love will never meet again

on the bonnie, bonnie banks of Loch Lomond.«

»Doch ich werd meine Liebste niemals wiedersehen

an den herrlichen Ufern von Loch Lomond.«

Ohne zu merken, dass sie den Leuten auf die Zehen trat, stolperte Brianna aus der Sitzreihe und flüchtete, bevor irgendjemand ihre Tränen sah.

»Ich kann beim Ruf der Clans noch etwas bei dir bleiben«, sagte Roger, »doch gegen Ende habe ich da zu tun, und dann muss ich dich allein lassen. Geht das?«

»Ja, natürlich«, sagte sie bestimmt. »Mir geht’s gut. Mach dir keine Sorgen.«

Er sah sie etwas besorgt an, sagte aber nichts. Keiner von ihnen hatte bis jetzt ihre Flucht von vorhin erwähnt. Bis er sich einen Weg durch die Fans gebahnt hatte, hatte sie genug Zeit gehabt, eine Damentoilette zu suchen und mit Hilfe von viel kaltem Wasser die Beherrschung wiederzuerlangen.

Den Rest des Nachmittags waren sie über das Festivalgelände spaziert, hatten ein bisschen eingekauft, hatten sich im Freien den Dudelsackwettbewerb angehört und waren halb taub wieder nach innen gegangen, um einem jungen Mann zuzusehen, der zwischen zwei über Kreuz im Boden steckenden Schwertern tanzte. Die Fotos waren außer Sichtweite in ihrer Handtasche verwahrt.

Jetzt war es fast dunkel; die Leute verließen die Imbissbuden und strömten zu der Tribüne, die draußen am Fuß des Berges aufgebaut war.

Sie hatte erwartet, dass die Familien mit Kleinkindern nach Hause fahren würden, und manche taten das auch, doch überall zwischen den Erwachsenen auf der Tribüne sah man kleine Körper mit müde herabhängenden Köpfen. Ein winziges Mädchen war auf der Schulter seines Vaters fest eingeschlafen und hing schlaff in seinen Armen, während er sich seinen Weg zu den oberen Rängen bahnte. Vor den unüberdachten Sitzreihen befand sich eine ebene Lichtung, auf der man einen riesigen Holzhaufen aufgetürmt hatte.

»Was ist der Ruf der Clans?«, hörte sie in der Reihe vor ihnen eine Frau ihre Begleiterin fragen. Sie zuckte nur mit den Schultern, und Brianna sah Roger fragend an, doch der lächelte nur.

»Du wirst schon sehen«, sagte er.

Es war völlig dunkel, und der Mond war noch nicht aufgegangen. Der Berg ragte dunkel vor dem sternenübersäten Himmel auf. Irgendwo in der Menge erscholl ein Ausruf, andere folgten, und dann ertönte von fern ein einzelner Dudelsack und brachte alles andere zum Schweigen.

Ein kleiner Lichtfleck erschien in der Nähe der Bergspitze. Sie sahen zu, wie er sich herunterbewegte, und dann erschien ein zweiter dahinter. Die Musik wurde lauter, und ein weiteres Licht kam über den Bergrücken. Fast zehn Minuten lang nahm die Spannung ständig zu, während die Musik immer lauter und die Lichterreihe immer länger wurde, eine Flammenkette am Berghang.

Fast am Fuß des Hanges kam ein Pfad aus dem Wald; sie hatte ihn auf ihrem Erkundungsgang gesehen. Jetzt trat ein Mann zwischen den Bäumen hervor, der eine lodernde Fackel in die Höhe hielt. Hinter ihm kam der Dudelsackspieler, dessen Musik jetzt so laut war, dass sie sogar die »Oohs« und »Aahs« der Menge übertönte.

Als die beiden den Pfad bis zu dem freien Platz herunterschritten, sah Brianna, dass noch mehr Männer hinter ihnen waren; eine lange Reihe von Männern, jeder mit einer Fackel, alle im Sonntagsstaat der Highland-Clanoberhäupter. Sie sahen barbarisch und umwerfend aus mit ihren Moorhuhnfedern und den Schwertern und Dolchen, die sich im Fackelschein rot glänzend von den Tartanfalten abhoben.

Der Dudelsack verstummte abrupt, und der erste Mann schritt auf die Lichtung und blieb vor der Tribüne stehen. Er hob seine Fackel hoch und rief: »Die Camerons sind hier!«

Laute Beifallsrufe erklangen auf der Tribüne, und er warf die Fackel auf das kerosingetränkte Holz, das donnergrollend in einer drei Meter hohen Feuersäule aufloderte.

Ein anderer Mann erschien vor der blendenden Feuerwand und rief: »Die MacDonalds sind hier!«

Großes Geschrei aus der Menge derer, die damit ihre Verwandtschaft mit dem Clan MacDonald kundtaten, und dann –

»Die MacLachlans sind hier!«

»Die MacGillivrays sind hier!«

Das Schauspiel hielt sie so in Atem, dass sie Roger kaum beachtete. Dann trat wieder ein Mann vor und rief: »Die MacKenzies sind hier!«

»Tulach Ard!«, dröhnte Roger, und sie fuhr zusammen.

»Was war das denn?«, fragte sie.

»Das«, sagte er grinsend, »ist der Kriegsruf des MacKenzie-Clans.«

»So hat es sich auch angehört.«

»Die Campbells sind hier!« Es mussten ziemlich viele Campbells sein, denn ihre Antwort erschütterte die Sitzreihen. Als wäre dies das Signal gewesen, auf das Roger gewartet hatte, stand er auf und schwang sich das Plaid über die Schulter.

»Wir treffen uns hinterher bei der Garderobe, in Ordnung?« Sie nickte, und er bückte sich plötzlich und küsste sie.

»Nur für alle Fälle«, sagte er, »der Ruf der Frasers ist Caisteal Dhuni!«

Sie sah zu, wie er nach unten ging und dabei über die Ränge kletterte wie eine Bergziege. Rauchgeruch erfüllte die Nachtluft und vermischte sich mit dem schwächeren Tabakduft der Zigaretten im Zuschauerraum.

»Die MacKays sind hier!«

»Die MacLeods sind hier!«

»Die Farquarsons sind hier!«

Rauch und Emotion nahmen ihr den Atem. Die Clans waren auf dem Feld von Culloden gestorben – oder nicht? Doch, das waren sie, dies hier war nur Erinnerung, Geisterbeschwörung. Die Leute, die hier so enthusiastisch brüllten, waren nicht miteinander verwandt, sie waren nicht mehr durch Land und Clanoberhaupt miteinander verbunden, sondern …