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Er stülpte sich den Hut auf den Kopf, nickte Jamie zu und verschwand.

Jamie beobachtete seinen steifbeinigen Rückzug über die Straße, der noch dadurch verlangsamt wurde, dass er jeden Passanten herzlich grüßte.

»Was hast du bloß an dir, Sassenach, frage ich mich?«, sagte er im Plauderton.

»Inwiefern?«

Er drehte sich um und sah mich scharf an.

»Was jeden Mann, der dir begegnet, dazu bringt, dass er sich fünf Minuten nachdem er dich kennengelernt hat, die Hosen ausziehen will.«

Fergus hustete, und Ian wurde rot. Ich machte das unschuldigste Gesicht, das ich fertigbrachte.

»Na ja, wenn du es nicht weißt, mein Lieber«, sagte ich, »dann weiß es keiner. Ich scheine ein Schiff für uns gefunden zu haben. Und was hast du heute Morgen getrieben?«

Emsig wie immer hatte Jamie einen potentiellen Käufer für einen unserer Edelsteine gefunden. Und nicht nur einen Käufer, sondern auch eine Einladung, mit dem Gouverneur zu Abend zu essen.

»Gouverneur Tryon ist gerade in der Stadt«, erklärte er. »Er wohnt bei einem Mr. Lillington. Heute Morgen habe ich mich mit einem Kaufmann namens MacEachern unterhalten, der mich zu einem Mann namens MacLeod geschickt hat, der –«

»Der dich MacNeil vorgestellt hat, der dich mit zu MacGregor in die Kneipe genommen hat, der dir alles über seinen Neffen Bethune erzählt hat, dessen Vetter dritten Grades der Junge ist, der mit dem Gouverneur die Schuhe putzt«, schlug ich vor, denn inzwischen kannte ich die komplexen Pfade schottischer Geschäftsbeziehungen.

Man setze zwei Hochlandschotten in einen Raum, und innerhalb von zehn Minuten sind sie mit der jeweiligen Familiengeschichte der letzten zweihundert Jahre vertraut und haben eine hilfreiche Anzahl gemeinsamer Verwandter und Bekannter entdeckt.

Jamie grinste.

»Es war der Sekretär der Frau des Gouverneurs«, verbesserte er, »und er heißt Murray. Er ist Maggies ältester Sohn – der Cousine deines Vaters, von Loch Linnhe«, fügte er, an Ian gerichtet, hinzu. »Sein Vater ist nach dem Aufstand emigriert.« Ian nickte beiläufig. Zweifellos trug er die Information gerade in seine eigene Ausgabe der genetischen Enzyklopädie ein und speicherte sie dort für den Tag, an dem sie sich nützlich erweisen würde.

Edwin Murray, der Sekretär der Frau des Gouverneurs, hatte Jamie herzlich als Verwandten willkommen geheißen – obwohl er nur angeheiratet war – und uns für den heutigen Abend eine Einladung bei den Lillingtons besorgt, vorgeblich, damit wir dem Gouverneur über den Handel auf den Westindischen Inseln berichteten. In Wirklichkeit hatten wir vor, uns mit Baron Penzler bekannt zu machen – einem gutsituierten deutschen Adligen, der ebenfalls dort dinieren würde. Der Mann war nicht nur für seinen Reichtum, sondern auch für seinen Geschmack und seine Sammlung wertvoller Objekte bekannt.

»Na ja, es könnte eine gute Idee sein«, sagte ich zweifelnd. »Aber ich denke, du gehst besser allein. Ich kann nicht mit einem Gouverneur speisen, solange ich so aussehe.«

»Ach, du siehst doch g–« Bei genauem Hinsehen verstummte er. Sein Blick wanderte langsam über mich und erfasste mein schmutziges, zerknittertes Kleid, mein zerzaustes Haar und mein zerschlissenes Häubchen.

Er runzelte die Stirn. »Nein, ich will, dass du mitkommst, Sassenach; ich brauche vielleicht ein Ablenkungsmanöver.«

»Wo wir gerade von Ablenkungsmanövern sprechen, wie viele Liter Bier hat es dich gekostet, das mit der Einladung zum Abendessen zu deichseln?«, fragte ich angesichts unserer schwindenden Finanzen. Jamie zuckte nicht mit der Wimper, sondern nahm mich beim Arm und schob mich auf die Ladenzeile zu.

»Drei, aber er hat die Hälfte bezahlt. Komm, Sassenach, um sieben gibt’s Essen, und wir müssen etwas Anständiges für dich zum Anziehen finden.«

»Aber wir können es uns nicht leisten –«

»Es ist eine Investition«, sagte er bestimmt. »Und außerdem hat Vetter Edwin mir einen Vorschuss auf den Erlös des Steines gegeben.«

Gemessen am kosmopolitischen Standard von Jamaika, war das Kleid seit zwei Jahren aus der Mode, doch es war sauber, und das war für mich die Hauptsache.

»Ihr tropft, Madame.« Die Stimme der Schneiderin war kalt. Sie war eine schmale, unscheinbare Frau in den mittleren Jahren und die beste Schneiderin von Wilmington – und wie ich merkte, war sie es gewohnt, dass man ihrem Modediktat widerspruchslos folgte. Ich war bei ihr in Ungnade gefallen, weil ich mir lieber die Haare gewaschen hatte, als ein Spitzenhäubchen aufzusetzen, und sie hatte mir eine Rippenfellentzündung prophezeit. Die Nadeln, die sie im Mund hatte, zitterten empört, als ich darauf bestand, das übliche schwere Korsett durch ein leichteres, fischbeinverstärktes Mieder zu ersetzen, das die Brüste anhob, ohne zu kneifen.

»Entschuldigung.« Ich steckte die feuchte Locke, die den Ärger verursacht hatte, in das Leinentuch, das um meinen Kopf gewickelt war.

Da die Gästequartiere in Mr. Lillingtons großem Haus vollständig von den Begleitern des Gouverneurs belegt waren, hatte man mich in Vetter Edwins winziges Speicherzimmer über dem Stall verwiesen, und die Anprobe wurde von gedämpften Stampf- und Kaugeräuschen aus der unteren Etage begleitet, in die sich noch die monotonen Melodien mischten, die der Stallknecht beim Ausmisten pfiff.

Trotzdem konnte ich mich nicht beklagen: Mr. Lillingtons Ställe waren um einiges sauberer als das Gasthaus, in dem Jamie und ich unsere Begleiter zurückgelassen hatten, und Mrs. Lillington hatte großzügigerweise dafür gesorgt, dass ich mit einer großen Schüssel heißen Wassers und einem Stück Lavendelseife versorgt wurde – was mir noch viel wichtiger war als das frische Kleid. Hoffentlich bekam ich nie wieder einen Pfirsich zu Gesicht.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um aus dem Fenster zu sehen, falls Jamie kam, gab aber auf, als die Schneiderin, die gerade meinen Rocksaum absteckte, ein Protestgeräusch von sich gab.

Das Kleid selbst war gar nicht übeclass="underline" Es war aus cremefarbener Seide und ganz schlicht geschnitten, hatte halblange Ärmel, einen weinrot gestreiften Reifrock, und von der Taille bis zum Ausschnitt verliefen zwei Reihen weinroter Seidenrüschen. Wenn man die Brüsseler Spitze, die ich gekauft hatte, an die Ärmel nähte, würde es genügen, dachte ich, auch wenn der Stoff nicht vom Feinsten war.

Ich war anfangs über den Preis überrascht gewesen, denn er kam mir bemerkenswert niedrig vor, doch jetzt sah ich, dass der Stoff grober war als üblich, und hier und da fing sich das Licht in einem Knoten. Neugierig rieb ich ihn zwischen den Fingern. Ich kannte mich mit Seide nicht besonders aus, aber ein chinesischer Bekannter hatte einmal den Großteil eines faulen Nachmittags auf See damit verbracht, mich in die Lehre von den Seidenraupen und den feinen Varianten ihrer Erzeugnisse zu unterweisen.

»Wo kommt diese Seide her?«, fragte ich. »Es ist keine chinesische Seide; ist sie aus Frankreich?«

Die Schneiderin blickte auf, und ihre Unfreundlichkeit wurde kurzfristig von Interesse abgelöst.

»Nein, das stimmt. Das heißt, sie wurde in South Carolina hergestellt. Da ist eine Dame, sie heißt Mrs. Pickney, die hat die Hälfte ihres Landes mit Maulbeerbäumen bepflanzt und darauf Seidenraupen gezüchtet. Der Stoff ist vielleicht nicht ganz so fein wie chinesische Seide«, gab sie zögernd zu, »aber er ist auch nicht halb so teuer.«

Sie blinzelte zu mir hoch und nickte langsam.

»Das wird wohl passen, und die Rüschen sind schön; sie betonen Eure Wangen. Aber verzeiht bitte, Madame. Ihr müsst etwas über dem Ausschnitt tragen, damit Ihr nicht so nackt ausseht. Wenn Ihr schon kein Häubchen und keine Perücke wollt, habt Ihr dann vielleicht ein Halsband?«

»Oh, ein Band!«, sagte ich, und es fiel mir wieder ein. »Ja, was für eine gute Idee. Seht in meinen Korb da drüben, da findet Ihr ein Stück, das passen sollte.«

Gemeinsam schafften wir es, mein Haar aufzutürmen. Wir banden es locker mit dem dunkelrosa Band zusammen, während mir ein paar feuchte Locken – ich konnte sie nicht daran hindern – über Ohren und Stirn fielen.