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»Was ist das?« Ich fuhr neugierig mit der Hand über die Kiste.

»Oh, nur ein kleines Geschenk.« Er sah mich nicht an, aber seine Ohrenspitzen liefen rot an. »Mach’s auf, hm?«

Die Kiste war schwer, breit und tief. Sie war aus einem harten, fein gemaserten dunklen Holz gearbeitet und trug die Spuren häufigen Gebrauchs – Kratzer und Kerben, die aber ihre glatte Schönheit nicht beeinträchtigten, sondern nur noch betonten. Es gab ein Schließband, aber kein Schloss; die gefetteten Messingscharniere des Deckels ließen sich leicht öffnen, und mir schlug ein Hauch von Kampfer entgegen, flüchtig wie ein Flaschengeist.

Die Instrumente glänzten hell im dunstigen Sonnenlicht, obwohl sie vom Nichtgebrauch angelaufen waren. Jedes hatte sein eigenes Fach, das maßgefertigt und mit grünem Samt ausgeschlagen war.

Eine kleine, grobzackige Säge; eine Schere, drei Skalpelle – eins mit gerundeter Klinge, eins mit gerader, eins mit gebogener Klinge; das silberne Blatt eines Zungenspatels, ein Häkchen …

»Jamie!« Begeistert ergriff ich einen kurzen Ebenholzstiel, an dessen Ende eine in mottenzerfressenen Samt gehüllte Kammgarnkugel befestigt war. Etwas Ähnliches hatte ich bereits in Versailles gesehen – die zeitgenössische Version eines Reflexhammers.

»Jamie! Wie wunderbar!«

Er wackelte zufrieden mit den Zehen.

»Gefällt’s dir?«

»Ich bin begeistert. Sieh mal – da unter der Klappe im Deckel ist noch mehr –« Einen Moment lang starrte ich das Durcheinander aus Röhrchen, Schrauben, Plättchen und Spiegeln an, bevor mein inneres Auge es umsortierte und es mir in zusammengebautem Zustand präsentierte. »Ein Mikroskop!« Ich berührte es ehrfürchtig. »Du meine Güte, ein Mikroskop.«

»Da ist noch mehr«, sagte er voll Ungeduld, mir alles zu zeigen. »Du kannst die Vorderseite aufklappen, und innen sind kleine Schubladen.«

Das stimmte – unter anderem fand ich darin eine Miniaturwaage und einen Satz Messinggewichte, ein Röhrchen zum Pillendrehen und einen fleckigen Mörser, dessen Stößel in Stoff gewickelt war, damit er beim Transport nicht zerbrach. Über den Schubladen standen mehrere Reihen verkorkter Fläschchen aus Keramik oder Glas.

»Ach, sind die schön!«, sagte ich und ergriff respektvoll das kleine Skalpell. Der glatte Holzgriff lag in meiner Hand, als wäre es für mich gemacht, und die Klinge war vollkommen ausgewogen. »Oh, Jamie, danke!«

»Dann gefallen sie dir?« Seine Ohren waren vor Freude feuerrot geworden. »Ich dachte, das würden sie vielleicht. Ich habe keine Ahnung, wozu sie taugen, aber ich konnte sehen, dass es gute Qualität ist.«

Ich hatte selbst keine Ahnung, wozu einige der Instrumente taugten, doch sie waren auch so eine Augenweide: Sie waren von einem Mann oder für einen Mann hergestellt worden, der seine Werkzeuge und ihre Aufgabe liebte.

»Ich frage mich, wem sie gehört haben.« Ich hauchte die gerundete Oberfläche einer bikonvexen Linse an und rieb sie mit einer Rockfalte, bis sie glänzte.

»Die Frau, die sie mir verkauft hat, wusste es nicht, aber er hat sein Arztbuch hinterlassen, und das habe ich auch noch genommen – vielleicht steht sein Name drin.«

Er nahm den oberen Einsatz mit den Instrumenten heraus, und es kam ein weiteres, flacheres Fach zum Vorschein. Er zog ein Buch mit geradem Rücken daraus hervor, das vielleicht zwanzig Zentimeter breit und in abgegriffenes, schwarzes Leder gebunden war.

»Ich dachte, du wünschst dir vielleicht wieder so ein Buch wie das, was du in Frankreich geführt hast«, erklärte er. »Wo du die Zeichnungen und Notizen von den Leuten gemacht hast, die du im Hôpital des Anges behandelt hast. Er hat schon etwas hineingeschrieben, aber hinten sind noch ziemlich viele Seiten frei.«

Etwa ein Viertel des Buches war mit einer zierlichen Handschrift eng beschrieben, und dazwischen waren Zeichnungen, die mir durch ihre klinische Vertrautheit ins Auge fielen: ein vereiterter Zeh, eine zerschmetterte Kniescheibe, über der die Haut ordentlich zur Seite gezogen war; die groteske Schwellung eines fortgeschrittenen Kropfes und eine Darstellung der Wadenmuskeln, jeweils ordentlich beschriftet.

Ich blätterte zurück zum Innendeckel, und da stand sein Name auf der ersten Seite, verziert mit einem kleinen, eleganten Schnörkeclass="underline" Dr. Daniel Rawlings, Esq.

»Was wohl aus Dr. Rawlings geworden ist? Hat die Frau mit der Kiste es dir gesagt?«

Jamie nickte mit einem leichten Stirnrunzeln.

»Der Doktor ist für eine Nacht bei ihr eingekehrt. Er hat gesagt, er käme aus Virginia, wo er zu Hause sei, und hätte etwas zu erledigen und seine Kiste mitgebracht. Er suchte einen Mann namens Garver – sie meinte zumindest, dass das der Name war. Aber nach dem Abendessen ging er fort – und ist nie mehr wiedergekommen.«

Ich starrte ihn an.

»Nie mehr wiedergekommen? Hat sie herausgefunden, was ihm zugestoßen ist?«

Jamie schüttelte den Kopf und verscheuchte eine kleine Mückenwolke. Die Sonne ging unter und übergoss die Wasseroberfläche mit Gold und Orange, und die Insekten begannen, sich zu versammeln, als der Nachmittag in den kühlen Abend überging.

»Nein. Sie war beim Sheriff und beim Richter, und der Constabler hat ihn überall gesucht – aber sie haben keine Spur von dem Mann gefunden. Sie haben eine Woche lang gesucht und es dann aufgegeben. Er hatte der Wirtin nicht erzählt, aus welcher Stadt in Virginia er stammt, also konnten sie seine Spur nicht zurückverfolgen.«

»Sehr merkwürdig.« Ich wischte mir einen Tropfen Feuchtigkeit vom Kinn. »Wann ist der Doktor verschwunden?«

»Vor einem Jahr, hat sie gesagt.« Er sah mich leicht nervös an. »Macht es dir etwas aus? Seine Sachen zu benutzen, meine ich?«

»Nein.« Ich schloss den Deckel und strich sanft darüber. Das dunkle Holz war warm und glatt unter meinen Fingern. »Wenn ich an seiner Stelle wäre – ich würde wollen, dass jemand sie benutzt.«

Ich erinnerte mich lebhaft daran, wie sich mein eigener Arztkoffer angefühlt hatte – Korduanleder, und meine Initialen waren mit Gold in den Tragegriff geprägt. Geprägt gewesen, um genau zu sein; sie waren schon lange abgegriffen, und das Leder war vom Gebrauch glatt und glänzend und dunkel geworden. Frank hatte mir die Tasche zum Examen geschenkt, und ich hatte sie meinem Freund Joe Abernathy gegeben, weil ich wollte, dass sie jemand benutzte, der sie genauso schätzte wie ich.

Er sah den Schatten über mein Gesicht gleiten – woraufhin sich auch sein Gesicht verdunkelte –, doch ich nahm seine Hand und lächelte, als ich sie drückte.

»Es ist ein wunderbares Geschenk. Wie hast du es nur gefunden?«

Da lächelte er zurück. Die Sonne hing jetzt tief, ein strahlender, orangeroter Ball, der kurz durch dunkle Baumwipfel spähte.

»Ich hatte die Kiste gesehen, als ich im Laden des Goldschmieds war – die Frau des Goldschmieds hatte sie in Verwahrung. Dann bin ich gestern noch einmal hingegangen, weil ich dir ein Schmuckstück kaufen wollte – vielleicht eine Brosche –, und während die Frau mir die Auslagen zeigte, haben wir uns über dies und jenes unterhalten, und sie hat mir von dem Doktor erzählt, und –«

»Warum wolltest du mir Schmuck kaufen?« Ich sah ihn erstaunt an. Der Verkauf des Rubins hatte uns zwar ein bisschen Geld eingebracht, doch Verschwendungssucht war überhaupt nicht seine Art, und unter den gegenwärtigen Umständen –

»Oh! Weil du Laoghaire das ganze Geld geschickt hast? Das hat mich nicht gestört; das habe ich doch gesagt.«

Er hatte – etwas widerwillig – dafür gesorgt, dass der Großteil des Erlöses, den wir beim Verkauf des Rubins erzielt hatten, nach Schottland geschickt wurde. Damit zahlte er ein Versprechen ab, das er Laoghaire MacKenzie – hol’ sie der Teufel – Fraser gemacht hatte, die er auf Drängen seiner Schwester geheiratet hatte, als er unter dem völlig logischen Eindruck stand, dass ich, wenn ich auch nicht tot war, so doch niemals zurückkommen würde. Meine augenscheinliche Auferstehung von den Toten hatte jede Menge Komplikationen nach sich gezogen, und Laoghaire war nicht die geringste davon gewesen.