»Aye, das hast du gesagt«, sagte er mit unverhohlenem Zynismus.
»Ich habe es auch so gemeint – mehr oder weniger«, sagte ich und lachte. »Du konntest die Schreckschraube ja nun einmal nicht verhungern lassen, so verlockend die Idee auch ist.«
Er lächelte schwach.
»Nein. Das würde ich ungern auf mein Gewissen laden; darauf lastet auch so schon genug. Aber das ist nicht der Grund, warum ich dir ein Geschenk kaufen wollte.«
»Warum denn dann?« Die Kiste war schwer, ein ansprechendes, greifbares, befriedigendes Gewicht auf meinen Beinen, ihr Holz eine wahre Freude unter meinen Händen. Da wandte er den Kopf und sah mich direkt an. Sein Haar flammte in der untergehenden Sonne auf, sein Gesicht war eine dunkle Silhouette.
»Heute vor vierundzwanzig Jahren habe ich dich geheiratet, Sassenach«, sagte er leise. »Ich hoffe, dass du bis jetzt keinen Grund siehst, das zu bedauern.«
Das Land entlang des Flusses war besiedelt; von Wilmington bis Cross Creek war es mit Plantagen gesäumt. Doch die Ufer selbst waren dicht bewaldet, und nur ab und zu gab eine Lücke zwischen den Bäumen den Blick auf Felder frei, oder hier und dort tauchte halb unter dem Laub versteckt ein hölzerner Anlegeplatz auf.
Wir fuhren langsam flussaufwärts, folgten der Gezeitenwelle, so weit sie uns trug, und legten für die Nacht an, wenn sie verebbte. Wir aßen an einem kleinen Feuer am Ufer zu Abend, schliefen aber an Bord, denn Eutroclus hatte beiläufig erwähnt, dass es hier Wassermokassinschlangen gebe. Diese – so sagte er – lebten in Höhlen an der Uferböschung, kamen aber mit Vorliebe heraus, um sich an ahnungslosen Schläfern zu wärmen.
Ich erwachte kurz vor der Dämmerung, steif und verspannt vom Schlafen auf den Planken. Ich hörte das sanfte Rauschen eines Schiffes, das in der Nähe vorbeifuhr, und spürte, wie sein Kielwasser gegen unsere Bordwand schlug. Jamie regte sich im Schlaf, als er meine Bewegungen spürte, drehte sich um und drückte mich gegen seine Brust.
Ich spürte seinen Körper hinter mir, wie jeden Morgen paradoxerweise schläfrig und erregt zugleich. Er machte ein schlaftrunkenes Geräusch und presste sich fragend an mich. Seine Hand tastete am Saum meines zerknitterten Hemdes herum.
»Halt«, sagte ich leise und wehrte seine Hand ab. »Vergiss nicht, wo wir sind, zum Kuckuck!«
Ich hörte Rufe und Gebell am Ufer, wo Ian mit Rollo herumtollte, in der Kabine regte sich etwas, und Hust- und Spuckgeräusche kündigten Kapitän Freemans bevorstehendes Auftreten an.
»Oh«, sagte Jamie und kam zu Bewusstsein. »Oh, aye. So ein Jammer.« Er drückte meine Brüste mit beiden Händen und räkelte sich mit wollüstiger Langsamkeit, um mir eine detaillierte Vorstellung davon zu geben, was ich mir entgehen ließ.
»Na ja«, sagte er, entspannte sich widerstrebend, ließ mich aber noch nicht los. »Foeda est in coitu, hm?«
»Wie?«
»›Foeda est in coitu et brevis voluptas‹«, zitierte er gehorsam. »›Et taedat Veneris statim peractae.‹ Der Akt ist ein schmutziges und kurzes Vergnügen, und kaum ist er vorbei, bereuen wir ihn.«
Ich blickte auf die schmutzigen Planken unter uns. »Hm, vielleicht ist ›schmutzig‹ gar nicht so verkehrt«, setzte ich an, »aber –«
»Es ist nicht der Schmutz, der mir Sorgen macht, Sassenach«, unterbrach er und sah grollend zu Ian hinüber, der über der Reling hing und Rollo beim Schwimmen anfeuerte. »Es ist mehr die Kürze.«
Er sah mich an, und das Grollen verwandelte sich in Anerkennung, als er meine zerzauste Erscheinung von oben bis unten erfasste. »Ich habe vor, mir dabei Zeit zu lassen, aye?«
Dieser klassische Tagesanbruch schien Jamie nachhaltig beeinflusst zu haben. Während ich in der Nachmittagssonne saß und Daniel Rawlings Krankenbuch durchblätterte – und die Dinge, die hier aufgezeichnet waren, zugleich unterhaltsam, interessant und abstoßend fand –, hörte ich, wie sich Jamies Stimme im wohlgeordneten Rhythmus altgriechischer Verse hob und senkte. Ich hörte die Passage nicht zum ersten Mal – ein Ausschnitt aus der Odyssee. Er hielt erwartungsvoll auf einer betonten Silbe inne.
»Äh …«, sagte Ian.
»Was kommt dann, Ian?«
»Äh …«
»Noch einmal«, sagte Jamie mit leicht gereizter Stimme. »Pass doch auf, Mann. Ich rede hier nicht, weil ich meine Stimme so gern höre, aye?« Er begann von vorn, und der elegante, formelle Vers erwachte zu warmem Leben, als er sprach.
Er hörte sich vielleicht nicht gern zu, aber ich schon. Ich verstand zwar kein Griechisch, doch das Auf und Ab der Silben in dieser weichen tiefen Stimme war so beruhigend wie das Plätschern des Wassers an der Bordwand.
Jamie, der sich inzwischen widerstrebend mit der Anwesenheit seines Neffen abgefunden hatte, nahm seine Verantwortung für Ian sehr ernst, und er hatte angefangen, dem Jungen während der Reise Unterricht zu erteilen. Immer wieder benutzte er freie Momente, um dem Jungen die Grundlagen der griechischen oder lateinischen Grammatik beizubringen – oder es zumindest zu versuchen – und seine Kenntnisse in Mathematik und französischer Konversation zu verbessern.
Glücklicherweise begriff Ian mathematische Prinzipien genauso schnell wie sein Onkel; die Kabinenwand neben mir war mit eleganten euklidischen Beweisen bedeckt, die sie mit einem angekohlten Stöckchen ausgeführt hatten. Im Sprachbereich hatten sie weniger gemeinsam.
Jamie war ein geborenes Sprachgenie; er lernte neue Sprachen oder Dialekte ohne sichtbare Anstrengung und schnappte Redewendungen auf, wie ein Hund sich beim Toben durch die Felder Fuchsschwanzgräser einfängt. Außerdem war er an der Pariser Université in den Klassikern unterwiesen worden – und obwohl er ab und zu anderer Meinung war als so mancher römische Philosoph, betrachtete er Homer und Virgil als enge Freunde.
Ian war mit Englisch und Gälisch aufgewachsen, und von Fergus hatte er eine Art französisches Patois gelernt, das er für seine Zwecke ausreichend fand. Sicher, er besaß ein beeindruckendes Repertoire an Schimpfwörtern in sechs oder sieben weiteren Sprachen – die er sich in jüngster Zeit im Kontakt mit diversen zweifelhaften Vorbildern zugelegt hatte, unter ihnen auch sein Onkel –, doch er hatte nur einen sehr vagen Begriff von den Geheimnissen der lateinischen Konjugation.
Noch weniger wusste er die Notwendigkeit zu schätzen, Sprachen zu lernen, die er nicht nur für tot hielt, sondern auch für so vergammelt, dass es nicht mehr die geringste Verwendung für sie gab. Homer hatte keine Chance gegen dieses aufregende neue Land, in dem das Abenteuer auf beiden Ufern seine lockenden Hände ausstreckte.
Jamie beendete seine griechische Passage und befahl Ian mit einem Seufzer, den ich von meinem Platz aus deutlich hören konnte, das Lateinbuch hervorzuholen, das er sich aus Gouverneur Tryons Bibliothek ausgeliehen hatte. Da mich jetzt kein Vortrag mehr ablenkte, widmete ich mich wiederum Dr. Rawlings’ Krankenbuch.
Der Doktor schien wie ich etwas Latein zu verstehen, hatte aber den Großteil seiner Notizen in Englisch niedergeschrieben. Nur bei offiziellen Eintragungen wechselte er ins Lateinische.
Mr. Beddoes einen halben Liter Blut abgenommen. Deutliches Nachlassen der gelben Galle, Verbesserung der gelben Hautfarbe und der Pusteln, die ihn befallen haben. Schwarze Tinktur verabreicht, um die Blutreinigung zu unterstützen.
»Esel«, murmelte ich – nicht zum ersten Mal. »Kannst du nicht sehen, dass der Mann leberkrank ist?« Wahrscheinlich leichte Zirrhose; Rawlings hatte eine geringfügige Vergrößerung und Verhärtung der Leber notiert, was er allerdings der vermehrten Gallenproduktion zuschrieb. Höchstwahrscheinlich Alkoholvergiftung; die Pusteln im Gesicht und auf der Brust waren typisch für eine Mangelerscheinung, die ich oft in Verbindung mit exzessivem Alkoholgenuss sah – und der war weiß Gott eine Seuche.
Falls Beddoes noch am Leben war – was ich bezweifelte –, trank er wahrscheinlich täglich bis zu einem Liter Hochprozentiges und hatte seit Monaten kein frisches Gemüse mehr aus der Nähe gesehen. Die Pusteln, zu deren Verschwinden sich Rawlings beglückwünschte, waren wahrscheinlich zurückgegangen, weil er in seinem Spezialrezept für die »schwarze Tinktur« Rübenblätter als Farbstoff benutzte.