Der Rock wurde schließlich unter einer der Bänke gesichtet und unter Schwierigkeiten Rollos Fängen entrissen, der sich daraus ein bequemes Bett gemacht hatte. Er wurde kurz abgebürstet, um die Hundehaare wenigstens zum Teil zu entfernen, dann wurde Ian gewaltsam hineingesteckt und hingesetzt, um sich das Haar bürsten und flechten zu lassen, während Jamie einen schnellen Wiederholungskurs in Manieren abhielt, der ausschließlich aus dem Rat bestand, den Mund so weit wie möglich geschlossen zu halten.
Ian nickte liebenswürdig.
»Dann erzählst du Tante Jocasta also selber von den Piraten?«, erkundigte er sich.
Jamie warf einen kurzen Blick auf Kapitän Freemans hageren Rücken. Es war zwecklos, davon auszugehen, dass eine solche Geschichte nicht in jedem Wirtshaus von Cross Creek die Runde machen würde, sobald sich unsere Wege trennten. Es konnte sich nur um Tage handeln – Stunden vielleicht –, bis sie River Run erreichte.
»Aye, ich erzähl’s ihr«, sagte er. »Aber nicht gleich zuallererst, Ian. Sie soll sich erst einmal an uns gewöhnen.«
Die Anlegestelle von River Run lag ein gutes Stück hinter Cross Creek. Einige Kilometer baumgesäumten Wassers trennten das Anwesen vom Lärm und Gestank der Stadt. Nachdem ich dafür gesorgt hatte, dass Jamie, Ian und Fergus so präsentabel aussahen, wie es mit Hilfe von Wasser, Kamm und Haarbändern möglich war, zog ich mich in die Kabine zurück, legte mein schmuddeliges Musselinkleid ab, wusch mich hastig mit einem Schwamm und schlüpfte in das cremefarbene Seidenkleid, das ich zum Dinner mit dem Gouverneur getragen hatte.
Der weiche Stoff lag leicht und kühl auf meiner Haut. Vielleicht war es etwas zu förmlich für den Nachmittag, aber es war Jamie wichtig, dass wir anständig aussahen – besonders jetzt, nach unserer Begegnung mit den Piraten –, und meine einzigen Alternativen waren das schmutzige Musselinkleid oder ein sauberes, aber abgetragenes Kamelottkleid, das ich aus Georgia mitgebracht hatte.
Mit meinem Haar war nicht viel zu machen; ich kämmte es oberflächlich, band es dann im Nacken zusammen und ließ die Spitzen sich ringeln, wie sie lustig waren. Ich brauchte mir keine Gedanken darüber zu machen, welchen Schmuck ich tragen sollte, dachte ich wehmütig und polierte meinen silbernen Ehering, bis er glänzte. Ich vermied es immer noch, meine linke Hand anzusehen, die sich nackt und leer anfühlte; wenn ich nicht hinsah, konnte ich immer noch das imaginäre Gewicht des Goldes daran spüren.
Als ich aus der Kabine trat, war der Anlegeplatz in Sicht. Anders als die oftmals klapperig zusammengeschusterten Anlegeplätze auf unserem Weg hatte River Run ein ausladendes, stabiles Holzdock. Ein kleiner schwarzer Junge saß an seinem Ende und ließ gelangweilt die Beine baumeln. Als er die Sally Ann näher kommen sah, sprang er auf und machte sich davon, wahrscheinlich, um unsere Ankunft zu melden.
Unser gutes altes Schiff kam rumpelnd am Steg zum Halten. Von der Baumfront am Fluss zog sich ein gepflasterter Weg durch weitläufige Rasenflächen und formale Gärten, teilte sich, um paarweise aufgestellten Marmorstatuen auszuweichen, die in eigens für sie angelegten Blumenbeeten standen, vereinte sich wieder, um dann auf dem großzügigen Vorplatz eines imposanten zweistöckigen Hauses mit Kolonnaden und vielen Schornsteinen fächerförmig auszulaufen. An der einen Seite der Blumenbeete stand ein Miniaturgebäude aus weißem Marmor – wohl ein Mausoleum, dachte ich. Mir kamen Zweifel, ob das cremefarbene Seidenkleid wirklich passend war, und ich berührte nervös mein Haar.
Ich machte sie sofort unter den Leuten aus, die jetzt aus dem Haus und den Weg entlangeilten. Selbst wenn ich nicht gewusst hätte, wer sie war, hätte ich sie als MacKenzie erkannt. Sie hatte die prägnanten Knochen, die breiten Wikingerwangen und die hohe, glatte Stirn ihrer Brüder Colum und Dougal. Und genau wie ihr Neffe und wie ihre Großnichte war sie von jener außergewöhnlichen Größe, die sie alle als Abkömmlinge eines Geschlechts kennzeichnete.
Einen Kopf größer als der Schwarm schwarzer Sklaven, der sie umgab, schwebte sie über den Pfad, der vom Haus wegführte. Eine Hand lag auf dem Arm ihres Butlers, obwohl ich selten eine Frau gesehen hatte, die der Hilfe weniger bedurfte.
Sie war hochgewachsen und flink, und ihr sicherer Schritt stand im Widerspruch zu ihrem weißen Haar. Vermutlich hatte sie einmal genauso rote Haare wie Jamie gehabt. Sie hatten auch jetzt noch einen leichten Stich ins Rote, wo sie das volle, weiche Weiß der Rothaarigen angenommen hatten – wie die Patina eines alten goldenen Löffels.
Einer der kleinen Jungen in der Vorhut rief etwas, und zwei von ihnen liefen vor und galoppierten über den Pfad zum Anlegeplatz, wo sie japsend wie Welpen im Kreis um uns herumsprangen. Zuerst verstand ich kein Wort – erst als Ian ihnen ausgelassen antwortete, wurde mir klar, dass sie auf Gälisch herumschrien.
Ich wusste nicht, ob sich Jamie Gedanken darüber gemacht hatte, was er bei dieser ersten Begegnung sagen oder tun wollte, aber letztendlich trat er einfach vor, ging auf Jocasta MacKenzie zu, umarmte sie und sagte: »Tante Jocasta – ich bin’s, Jamie.«
Erst als er sie losließ, sah ich sein Gesicht. Diesen Ausdruck – zwischen brennendem Eifer, Glück und Respekt – hatte ich noch nie bei ihm gesehen. Mich durchfuhr ein kleiner Schreck, als mir klarwurde, dass Jocasta MacKenzie ihrer älteren Schwester sehr ähnlich sehen musste – Jamies Mutter.
Ich vermutete, dass sie seine dunkelblauen Augen hatte, konnte es aber nicht sagen, denn sie waren verschleiert. Sie lachte unter Tränen, hielt ihn am Ärmel fest und fasste an seine Wange, um ihm nicht vorhandene Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen.
»Jamie!«, sagte sie wieder und wieder. »Jamie, der kleine Jamie! Ah, ich bin froh, dass du da bist, Junge.« Sie hob noch einmal die Hand und berührte sein Haar. Erstaunen zeigte sich in ihrem Gesicht.
»Heilige Jungfrau, er ist ja ein Riese! Du bist ja mindestens so groß, wie es mein Bruder Dougal war.«
Der glückliche Ausdruck in seinem Gesicht verblasste ein bisschen, doch das Lächeln blieb, als er sich gemeinsam mit ihr zu mir wandte.
»Tante Jocasta, darf ich dir meine Frau vorstellen? Dies ist Claire.«
Strahlend streckte sie sofort die Hand aus, und ich ergriff sie. Die langen, kräftigen Finger weckten schmerzliche Erinnerungen: Obwohl ihre Finger vom Alter etwas knorrig waren, war ihre Haut doch weich, und ihr Griff war Briannas verwirrend ähnlich.
»Ich bin so froh, Euch kennenzulernen, meine Liebe«, sagte sie und zog mich an sich, um mich auf die Wange zu küssen. Ein starker Duft nach Minze und Verbenen schlug mir aus ihrem Kleid entgegen, und ich war seltsam bewegt, als hätte mich eine wohlwollende Gottheit plötzlich unter ihren Schutz gestellt.
»Wie schön!«, sagte sie bewundernd, während ihre langen Finger über den Ärmel meines Kleides strichen.
»Danke«, sagte ich, dann traten Ian und Fergus vor, um ebenfalls vorgestellt zu werden. Sie begrüßte die beiden mit Umarmungen und freundlichen Worten und lachte, als Fergus ihr in bester Franzosenmanier die Hand küsste.
»Kommt«, sagte sie, als sie sich schließlich zum Aufbruch wandte, und wischte sich mit der Hand über die feuchten Wangen. »Kommt ins Haus, meine Lieben, und trinkt eine Tasse Tee und nehmt etwas zu euch. Nach einer solchen Reise müsst ihr ja ausgehungert sein. Ulysses!« Sie wandte sich suchend um, und ihr Butler trat vor und verneigte sich tief.
»Madame«, sagte er zu mir und »Sir« zu Jamie. »Es ist alles vorbereitet, Miss Jo«, sagte er leise zu seiner Herrin und bot ihr seinen Arm.
Während sie sich auf den Rückweg machten, drehte sich Fergus zu Ian um und verbeugte sich, um die höfischen Umgangsformen des Butlers nachzuahmen. Dann bot er Ian spöttisch den Arm. Ian trat ihn fest in den Hintern und schritt den Weg entlang, während sich sein Kopf von rechts nach links wandte, damit er auch ja alles sah. Sein grünes Haarband hatte sich gelöst und hing ihm auf den Rücken.